Konsumgenossenschaft, das is 'ne Produzenten oder Verkäufergemeinschaft, das weiß ich jetzt nicht, keine Ahnung.
Die ist doch, die besteht doch nicht mehr, Konsumgenossenschaft.
Konsumgenossenschaft, sagt mir eigentlich jetzt im Moment gar nichts, ich würde sagen, KONSUM” "Na, KONSUM, KONSUM, Aldi, Edeka.
Konsumgenossenschaft, was war denn das? HO und, ne, Quatsch: HO, KONSUM war extra, da muss ich jetzt überlegen, ja, das war das Gegenteil vom, vom von der Handelsorganisation und Lebensmittel gab’s da, ne stimmt, da gab' s auch, alles, Klamotten auch, stimmt, ja stimmt.
Eine Genossenschaft, die aus Mitgliedern besteht, KONSUM, KONSUM, ja, das sagt es eigentlich. Die gibt’s noch. co op, das war auch eine Konsumgenossenschaft, und in der DDR gab’s eine, das waren, nun, da gab’s also alles, Lebensmittel, Textilien und so weiter.
Es gibt sie schon lange in Deutschland. Heute vor einhundert Jahren, am 17. Mai 1903 trafen sich in Dresden die Abgesandten von 302 Konsumgenossenschaften um den "Zentralverband deutscher Konsumvereine” zu gründen. Das Hauptreferat hielt Heinrich Kaufmann, der in den folgenden Jahren als Sekretär zur zentralen Figur im neuen Verband wurde.
Es ist Frühling geworden in der deutschen Konsumgenossenschaftsbewegung. Möge diesem Frühling ein fruchtbarer Sommer und ein segensschwerer Herbst folgen, auf dass noch die späteren Geschlechter segnen mögen die Dresdner Tage als den Geburtstag eines selbständigen Gesamtverbandes aller deutschen Konsumvereine.
Nach diesem Schlusswort schlug die Aufbruchstimmung der bei der Gründungsversammlung in Dresden Anwesenden in Begeisterung um. Das Protokoll vermerkt
''lebhaftes Bravo und Händeklatschen''. Tatsächlich entstand in den folgenden Jahren eine Konsumgenossenschaftsbewegung, die aus eigener Kraft mit vielen Spargroschen ihrer Mitglieder zu einem beeindruckenden Wirtschaftsimperium wuchs.
Der Zentralverband nahm seinen Sitz in Hamburg. Hier befand sich mit der "Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine” bereits das genossenschaftliche Großhandelsunternehmen. Im Laufe der Jahre wurden in ganz Deutschland Produktionsbetriebe errichtet. Brot, Fleisch- und Wurstwaren, Nudeln, Seife oder Bürsten - all' das konnten die Mitglieder der Konsumvereine in eigenen Läden aus eigener Produktion kaufen. Ihre Blüte erreichte die Bewegung unmittelbar vor der Weltwirtschaftskrise mit beinahe drei Millionen Mitgliedern in knapp 1.000 Genossenschaften.
Angefangen hatte alles ganz bescheiden in der Mitte der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Damals waren falsche Gewichte noch an der Tagesordnung, Lebensmittel wurden skrupellos verfälscht, die Milch mit Wasser gestreckt, das Brot mit Sägemehl. Um diesen Betrügereien gewerblicher Einzelhändler und Handwerker nicht länger ausgeliefert zu sein, schlossen sich die Konsumenten zusammen. Gemeinsam wurden größere Mengen Lebensmittel günstig eingekauft und untereinander verteilt. Ihr Vorbild waren die sogenannten "Redlichen Pioniere” im englischen Rochdale: 28 Weber hatten dort 1844 die erste Konsumgenossenschaft gegründet.
Aus den erzielten Kostenvorteilen wuchs langsam eine Selbsthilfebewegung heran. Doch bald geriet diese in Konflikt zu den mittelständisch geprägten Produzentengenossenschaften, die in der Tradition von Hermann Schulze-Delitzsch standen, dem maßgeblichen Initiator des ersten Genossenschaftsgesetzes von
Doch nicht nur die mittelständischen Genossenschaften hatten ihre Probleme mit den Konsumvereinen. Auch Gewerkschaften und Sozialdemokraten taten sich schwer. Man erwartete von der organisierten Konsumentenselbsthilfe lange Zeit keinen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse. Erst 1905 erkannten die Freien Gewerkschaften in den Konsumgenossenschaften "ein Mittel zur Erhöhung der Lebenshaltung” - die SPD brauchte noch 5 Jahre länger, um ihre Vorbehalte gegenüber den Konsumvereinen endgültig abzulegen.
Damit hatte die Sozialdemokratie lediglich die politische Realität anerkannt, schließlich waren ihre Mitglieder schon in Scharen in die Konsumgenossenschaften eingetreten. Und auch deren Führungspersonal hatte meist das Parteibuch in der Tasche. Obwohl der Hamburger Zentralverband sich als parteipolitisch unabhängig darstellte, ließ sich das enge Band zur sozialdemokratischen Arbeiterbewegung nicht leugnen. Seinen Gegnern galt er als "roter Verband”. Daneben gab es ab 1913 noch den "Reichsverband deutscher Konsumvereine”. Er war deutlich kleiner als der Hamburger Verband und hatte seinen Sitz in Köln. Hier organisierten sich Konsumgenossenschaften mit überwiegend katholischen Mitgliedern.
1933 vereinigten die Nationalsozialisten beide Verbände unter Zwang. Zuvor hatten sie noch angekündigt, die Konsumvereine zu zerschlagen. Doch war man sich in der Partei nicht einig. Erst 1935 wurden die größten und wirtschaftlich starken Konsumgenossenschaften aufgelöst. Der Rest folgte 1941. Ihr Vermögen riß sich Robert Leys "Deutsche Arbeitsfront” unter den Nagel, die sich bereits das Geld und Erbe der von Hitler verbotenen Gewerkschaften angeeignet hatte.
Bereits kurz nach Kriegsende gelang durch das persönliche Engagement "alter Genossenschaftler” die Wiedergründung von Konsumvereinen. Besonders in der britischen und in der sowjetischen Zone ging es schnell voran. Aber mit der Gründung der beiden deutschen Staaten trennten sich auch die Wege der Konsumgenossenschaften für lange Zeit, und in den 40 Jahren deutscher Teilung haben sich die Konsumvereine unterschiedlich entwickelt. Im Osten waren die KONSUM-Läden bis zur Wende unverzichtbar zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, während im Westen der co op-Skandal den Niedergang markiert.
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Mehrzahl der westdeutschen Konsumgenossenschaften in Aktiengesellschaften unter dem Dach der späteren co op AG umgewandelt. Durch Bilanzfälschungen und den Aufbau eines unübersichtlichen Unternehmensgeflechts bereicherten sich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des Konzerns jahrelang persönlich. Zehn Jahre später flog alles auf.
Die westdeutschen Konsumvereine, die damals die genossenschaftliche Rechtsform nicht ablegten, blieben ihrerseits Mitglieder in einem Dachverband. Seit 1998 führt dieser den Namen "Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften”. In der Mehrzahl handelt es sich bei den Konsumgenossenschaften, die in den alten Bundesländern noch im Lebensmitteleinzelhandel tätig sind, um kleine Einheiten. Oft betreiben sie nur noch einen Laden. Burchhard Bösche, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Zentralverband, über die Veränderungen:
Der ZdK ist nach wie vor ein Verband von Genossenschaften, wir haben nach wie vor auch etliche Konsumgenossenschaften als Mitglieder, allerdings spielen Konsumgenossenschaften in Deutschland heute beileibe nicht mehr die Rolle, die sie zum Zeitpunkt der Gründung gespielt haben. In der Mitgliedschaft des ZdK hat sich das dahingehend ausgewirkt, dass wir viele Genossenschaften aufgenommen haben, die wir zwar auch als Konsumgenossenschaften, aber in einer modernen Definition verstehen.
Diese Genossenschaften betreiben keine Lebensmittelläden, sondern erbringen Dienstleistungen. "Greenpeace Energy” etwa handelt mit Strom, und das wohl bekannteste Mitglied, die Berliner "taz-Genossenschaft” gibt die gleichnamige "tageszeitung” heraus.
Von etwa 200 Konsumgenossenschaften in der DDR hat ein Zehntel den Weg in die Marktwirtschaft überlebt. Aus dem "Verband der Konsumgenossenschaften der DDR” ist 1999 der "Konsumverband” hervorgegangen. Vorstandssprecher Martin Bergner über die Lage der ostdeutschen Konsumgenossenschaften:
Wir haben heute 19 Konsumgenossenschaften als Mitglieder, dazu noch 2 GmbHs, diese haben zusammen 700.000 Einzelmitglieder, ungefähr 4.400 Mitarbeiter, 500 outlets, 500 Läden also und realisieren einen Einzelhandelsumsatz von 500 Millionen Euro.
Die Kunden kommen aus ganz verschiedenen Gründen, aus Tradition und auf der Suche nach günstigen Angeboten.
Weil' s alles gibt hier drin. Also, man kann rundgehen und man kann alles kaufen, was man will. Man muss nicht in mehrere Geschäfte gehen, und weil ich auch Mitglied vom KONSUM bin , und da bin ich auch immer noch beteiligt mit am KONSUM.
Ich suche nur nach bestimmten Artikeln, dann interessier' ich mich auch nur nach den Preisen. Ich versuche dort zu sparen, wo’s geht.
Eigentlich suchen wir in jedem Geschäft, wo wir’s Günstigste erhalten.
Weil man hier Vieles auf einem Fleck findet, das ist ganz praktisch, ja, und da kaufen wir ganz gern ein.
Erst im Sommer 2000, also fast zehn Jahre nach der deutschen Einheit, haben die beiden Verbände aus Ost und West einen gemeinsamen Dachverband ins Leben gerufen, den "Gesamtverband deutscher Konsumgenossenschaften”. Hier wird vor allem "Lobbyarbeit” betrieben und für den Genossenschaftsgedanken geworben. Einer seiner beiden Präsidenten ist Wilhelm Kaltenborn. Er nennt die Gründe für das lange Nebeneinander:
Die spezifischen Probleme der Konsumgenossenschaften im Osten bedurften über die Jahre hin noch eines eigenen Verbandes, der mit den Problemen so vertraut war, dass er die richtigen Maßnahmen ergreifen konnte. Dazu gehörte vor allem die Regelung von Eigentumsfragen. Die Konsumgenossenschaften waren nämlich im Einigungsrecht vergessen worden. Das traf vor allem sie besonders hart hinsichtlich ihres Immobilieneigentums, es gab dann auch dementsprechend in den Nachfolgeregelungen, in den gesetzlichen, in Deutschland dann, über Jahre hinweg keine Regelung. Das erforderte also viel Phantasie, viel Tatkraft, viel Geduld, viel Nerven, um dieses und einige andere Probleme zu lösen. Das war mit dem Ende der 90er Jahre dann im Großen und Ganzen erreicht.
Die ungeklärten Eigentumsfragen waren ein Problem. Ein zweites die mit dem Fall der Mauer eintretenden Veränderungen. Hannelore Winter, Vorstandsmitglied in der "Konsumgenossenschaft Berlin und Umgebung”:
Wir hatten hier im Ostteil der Stadt als Berliner Genossenschaft einen Marktanteil von 30 Prozent, aber mit dem Mauerfall änderte sich 'ne ganze Menge. Wir mussten feststellen im Laufe der Zeit, dass uns 2/3 unseres Umsatzes verloren gingen, dass zunehmend viele Kunden in den Westteil der Stadt einkaufen gegangen sind. Das lag auch nahe, dort gab es ein besseres Angebot und wir hatten noch viele Lücken zu verzeichnen und unsere Filialstrukturen waren einfach nicht stimmig, nicht wettbewerbsfähig. Wir hatten noch viele Filialen mit 50 oder 100 Quadratmetern und damit konnte man einfach auch die Zukunft nicht mit aufbauen. Und es fehlten auch Einkaufs- und Logistikvoraussetzungen, um wettbewerbsfähig zu sein, so dass wir vor der Aufgabe standen, das Unternehmen umzukrempeln.
Der Berliner KONSUM schloss zuerst die kleinen Läden, schließlich zog man sich 1992 völlig aus dem Lebensmitteleinzelhandel zurück und orientierte sich um: auf das Immobiliengeschäft, den Betrieb eines Hotels und den Aufbau einer Reisebürokette. Es war ein Neuanfang. Zu Wendezeiten zählte die Berliner Konsumgenossenschaft 13.000 Beschäftigte. Heute sind es noch knapp 200, aber keine Ladengeschäfte mehr. Das hatte unmittelbar Folgen für 285.000 Mitglieder.
Ein Drittel ungefähr der Mitglieder sind zwar ausgetreten, weil sie Sorge hatten und weil sie sagten, "ja wir waren es gewohnt, beim KONSUM einzukaufen, und wenn ich diesen Vorteil nicht mehr habe, dann möchte ich auch nicht mehr Mitglied sein”, aber der Großteil, der ist uns treu geblieben.
Abgesehen von der besonderen Situation in Berlin nach dem Fall der Mauer, als die Bevölkerung nur wenige Straßenzüge weiter im Westteil der Stadt einkaufen konnte, abgesehen hiervon, standen auch die Konsumgenossenschaften in Dresden und Leipzig vor vergleichbaren Problemen wie der Berliner KONSUM. Doch anders als dort, entschied man sich in Sachsen für die Fortführung des Lebensmitteleinzelhandels.
Der KONSUM Dresden zum Beispiel entstand 1990 durch die Fusion der Genossenschaften Dresden Stadt und Land. Von damals 500 kleinflächigen Läden betreibt das Unternehmen heute mit gut 1.000 Beschäftigten noch knapp 50. Vorstandssprecherin Gabriele Grismayer:
Mit der Schließung von den 450 Filialen waren 4.000 Mitarbeiter betroffen. Das sind einmal menschliche Schicksale gewesen, aber auf der anderen Seite, dadurch, dass sehr, sehr lange Betriebszugehörigkeiten eigentlich 'ne Besonderheit sind unserer Genossenschaft - denn wer einmal im KONSUM anfängt, bleibt eigentlich im KONSUM - war das auch vom wirtschaftlichen Aspekt her sehr, sehr schwierig zu bewältigen, denn die Abfindungen waren sehr, sehr hoch."
Die Konkurrenz der westdeutschen Handelsketten und die besonderen Eigentumsverhältnisse der Konsumgenossenschaften stellten weitere Herausforderungen.
Und gleichzeitig, während diese Sanierung lief, mussten wir ja sehr, sehr intensiv in die Immobilien, in den Immobilienbestand investieren, um überhaupt eine Chance am Markt zu haben. Denn aus den alten Bundesländern, die Ketten, die stürmten hier die Region, haben neue, moderne Märkte errichtet, hatten viel bessere Voraussetzungen als wir, denn man muss wissen: Bei unseren Märkten gehörte uns zwar überall der Baukörper, aber der Grund und Boden gehörte nicht der Genossenschaft. Und den mussten wir, und da sind wir heut noch nicht zu Ende, Stück für Stück dazukaufen. Auch das ist eine sehr, sehr große finanzielle Belastung gewesen.
Bis Ende 2001 gab es in Dresden noch die Konsummarken. Zu DDR-Zeiten, aber auch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik hatte es Tradition, Konsummarken zu kleben. Dafür wurde die ganze Familie engagiert, von Oma und Opa bis zum Enkelkind. Am Jahresende sprang so meist der Weihnachtsbraten heraus. Diese traditionelle Form der Rückvergütung hat man eingestellt. Jetzt gibt es eine "KONSUM-Mitgliedercard”, mit der die Einkäufe elektronisch erfasst werden. Die Rückvergütung erhalten die Mitglieder in Dresden automatisch. Beim Berliner KONSUM gibt es eine Vergütung für den Einkauf bei Vertragspartnern. Über den Weg dieser "modernen Rückvergütung” hofft man, jüngere Mitglieder zu gewinnen.
Auch im KONSUM Leipzig gibt es keine Marken mehr. Doch anstelle der in Berlin und Dresden gezahlten Rückvergütung erhalten die Mitglieder hier eine Dividende auf ihren Geschäftsanteil. Wie in Dresden gelang der Konsumgenossenschaft in Leipzig mit großen Einschnitten in den Altbestand die Konsolidierung. Stephan Abend ist seit 1991 im KONSUM Leipzig. Damals hatte das Unternehmen 580 Geschäfte:
Heute haben wir 79 Filialen, schwerpunktmäßig in Leipzig und im engeren Umland. Wir haben aber auch eine Filiale in Sachsen-Anhalt, wir haben zwei Filialen in Thüringen, aber der Schwerpunkt liegt in Leipzig und im engeren Umland. Wir sind Nahversorger, haben also wenig verkehrsorientierte Standorte. Da, wo die Menschen wohnen, versorgen wir sie.
Ortswechsel: Von der Pleiße an die Kieler Förde. In der Landeshauptstadt an der Ostsee hat die co op Schleswig- Holstein ihren Sitz. Mit mehr als 1,3 Milliarden Euro Umsatz und fast 10.000 Beschäftigten ist sie die größte deutsche Konsumgenossenschaft. Ganz bewußt hat man vor 30 Jahren entschieden, sich nicht der Frankfurter co op AG anzuschließen. Der heutige Vorstandsvorsitzende Winrich Wolke über die damaligen Motive:
Vorstand und Aufsichtsrat haben von Anfang an diesen Weg sehr skeptisch verfolgt und hatten, aus heutiger Sicht berechtigt, Zweifel daran, ob ein Zusammenschluss von überwiegend finanz- und wirtschaftlich schwachen Unternehmen gelingen kann. Ich finde es aus heutiger Sicht bewundernswert, wie diese Gremien dem Druck, der aus Frankfurt kam, standhalten konnten, und wie mutig sie den Weg aufgezeichnet haben, den die co op Schleswig-Holstein gehen sollte, bis heute im Übrigen mit Erfolg.
In den achtziger Jahren dehnten die Kieler ihre Tätigkeit auf das nordöstliche Niedersachsen aus. Nach der Grenzöffnung nahm man die neuen Bundesländer in den Blick und engagierte sich in Mecklenburg-Vorpommern. Seit Ende der neunziger Jahre findet sich darüber hinaus die co op Ulm unter dem Dach der Genossenschaft in Kiel.
Ganz neue Pläne verfolgt die co op Schleswig-Holstein im internationalen Geschäft. Nach dem Ende des "Kalten Krieges” hat sich die politische Lage im Ostseeraum stark verändert. Die ehemaligen Planwirtschaften orientierten sich gen Westen, und man selbst hat, wie Winrich Wolke berichtet, die Fühler in die Gegenrichtung ausgestreckt.
Eine große Herausforderung kann auf uns zukommen, wenn wir unsere Vision realisieren können, nämlich eine Zusammenarbeit mit den Konsumgenossenschaften der GUS-Staaten, wir sind seit langer Zeit in sehr intensiven Kontakten, sind gerade dabei, ein Konzept zu entwickeln für kleinere Läden in der Größenordnung von 300 bis 500 qm, von denen noch im Sommer diesen Jahres zwei in St. Petersburg eröffnet werden sollen.
So wie in Kiel, verfolgen auch die Konsumgenossenschaften in Berlin, Dresden, Leipzig und anderswo ehrgeizige Ziele. Der Wiederaufbau einer mächtigen Konsumgenossenschaftsbewegung, so wie vor einhundert Jahren, steht bisher jedoch nicht auf der Tagesordnung der Unternehmen. Der neugegründete Dachverband hat allerdings Kurs auf eine gemeinsame Interessenvertretung genommen – zum Wohle seiner Mitglieder.
Die ist doch, die besteht doch nicht mehr, Konsumgenossenschaft.
Konsumgenossenschaft, sagt mir eigentlich jetzt im Moment gar nichts, ich würde sagen, KONSUM” "Na, KONSUM, KONSUM, Aldi, Edeka.
Konsumgenossenschaft, was war denn das? HO und, ne, Quatsch: HO, KONSUM war extra, da muss ich jetzt überlegen, ja, das war das Gegenteil vom, vom von der Handelsorganisation und Lebensmittel gab’s da, ne stimmt, da gab' s auch, alles, Klamotten auch, stimmt, ja stimmt.
Eine Genossenschaft, die aus Mitgliedern besteht, KONSUM, KONSUM, ja, das sagt es eigentlich. Die gibt’s noch. co op, das war auch eine Konsumgenossenschaft, und in der DDR gab’s eine, das waren, nun, da gab’s also alles, Lebensmittel, Textilien und so weiter.
Es gibt sie schon lange in Deutschland. Heute vor einhundert Jahren, am 17. Mai 1903 trafen sich in Dresden die Abgesandten von 302 Konsumgenossenschaften um den "Zentralverband deutscher Konsumvereine” zu gründen. Das Hauptreferat hielt Heinrich Kaufmann, der in den folgenden Jahren als Sekretär zur zentralen Figur im neuen Verband wurde.
Es ist Frühling geworden in der deutschen Konsumgenossenschaftsbewegung. Möge diesem Frühling ein fruchtbarer Sommer und ein segensschwerer Herbst folgen, auf dass noch die späteren Geschlechter segnen mögen die Dresdner Tage als den Geburtstag eines selbständigen Gesamtverbandes aller deutschen Konsumvereine.
Nach diesem Schlusswort schlug die Aufbruchstimmung der bei der Gründungsversammlung in Dresden Anwesenden in Begeisterung um. Das Protokoll vermerkt
''lebhaftes Bravo und Händeklatschen''. Tatsächlich entstand in den folgenden Jahren eine Konsumgenossenschaftsbewegung, die aus eigener Kraft mit vielen Spargroschen ihrer Mitglieder zu einem beeindruckenden Wirtschaftsimperium wuchs.
Der Zentralverband nahm seinen Sitz in Hamburg. Hier befand sich mit der "Großeinkaufsgesellschaft deutscher Konsumvereine” bereits das genossenschaftliche Großhandelsunternehmen. Im Laufe der Jahre wurden in ganz Deutschland Produktionsbetriebe errichtet. Brot, Fleisch- und Wurstwaren, Nudeln, Seife oder Bürsten - all' das konnten die Mitglieder der Konsumvereine in eigenen Läden aus eigener Produktion kaufen. Ihre Blüte erreichte die Bewegung unmittelbar vor der Weltwirtschaftskrise mit beinahe drei Millionen Mitgliedern in knapp 1.000 Genossenschaften.
Angefangen hatte alles ganz bescheiden in der Mitte der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Damals waren falsche Gewichte noch an der Tagesordnung, Lebensmittel wurden skrupellos verfälscht, die Milch mit Wasser gestreckt, das Brot mit Sägemehl. Um diesen Betrügereien gewerblicher Einzelhändler und Handwerker nicht länger ausgeliefert zu sein, schlossen sich die Konsumenten zusammen. Gemeinsam wurden größere Mengen Lebensmittel günstig eingekauft und untereinander verteilt. Ihr Vorbild waren die sogenannten "Redlichen Pioniere” im englischen Rochdale: 28 Weber hatten dort 1844 die erste Konsumgenossenschaft gegründet.
Aus den erzielten Kostenvorteilen wuchs langsam eine Selbsthilfebewegung heran. Doch bald geriet diese in Konflikt zu den mittelständisch geprägten Produzentengenossenschaften, die in der Tradition von Hermann Schulze-Delitzsch standen, dem maßgeblichen Initiator des ersten Genossenschaftsgesetzes von
Doch nicht nur die mittelständischen Genossenschaften hatten ihre Probleme mit den Konsumvereinen. Auch Gewerkschaften und Sozialdemokraten taten sich schwer. Man erwartete von der organisierten Konsumentenselbsthilfe lange Zeit keinen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse. Erst 1905 erkannten die Freien Gewerkschaften in den Konsumgenossenschaften "ein Mittel zur Erhöhung der Lebenshaltung” - die SPD brauchte noch 5 Jahre länger, um ihre Vorbehalte gegenüber den Konsumvereinen endgültig abzulegen.
Damit hatte die Sozialdemokratie lediglich die politische Realität anerkannt, schließlich waren ihre Mitglieder schon in Scharen in die Konsumgenossenschaften eingetreten. Und auch deren Führungspersonal hatte meist das Parteibuch in der Tasche. Obwohl der Hamburger Zentralverband sich als parteipolitisch unabhängig darstellte, ließ sich das enge Band zur sozialdemokratischen Arbeiterbewegung nicht leugnen. Seinen Gegnern galt er als "roter Verband”. Daneben gab es ab 1913 noch den "Reichsverband deutscher Konsumvereine”. Er war deutlich kleiner als der Hamburger Verband und hatte seinen Sitz in Köln. Hier organisierten sich Konsumgenossenschaften mit überwiegend katholischen Mitgliedern.
1933 vereinigten die Nationalsozialisten beide Verbände unter Zwang. Zuvor hatten sie noch angekündigt, die Konsumvereine zu zerschlagen. Doch war man sich in der Partei nicht einig. Erst 1935 wurden die größten und wirtschaftlich starken Konsumgenossenschaften aufgelöst. Der Rest folgte 1941. Ihr Vermögen riß sich Robert Leys "Deutsche Arbeitsfront” unter den Nagel, die sich bereits das Geld und Erbe der von Hitler verbotenen Gewerkschaften angeeignet hatte.
Bereits kurz nach Kriegsende gelang durch das persönliche Engagement "alter Genossenschaftler” die Wiedergründung von Konsumvereinen. Besonders in der britischen und in der sowjetischen Zone ging es schnell voran. Aber mit der Gründung der beiden deutschen Staaten trennten sich auch die Wege der Konsumgenossenschaften für lange Zeit, und in den 40 Jahren deutscher Teilung haben sich die Konsumvereine unterschiedlich entwickelt. Im Osten waren die KONSUM-Läden bis zur Wende unverzichtbar zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, während im Westen der co op-Skandal den Niedergang markiert.
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte sich die Mehrzahl der westdeutschen Konsumgenossenschaften in Aktiengesellschaften unter dem Dach der späteren co op AG umgewandelt. Durch Bilanzfälschungen und den Aufbau eines unübersichtlichen Unternehmensgeflechts bereicherten sich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des Konzerns jahrelang persönlich. Zehn Jahre später flog alles auf.
Die westdeutschen Konsumvereine, die damals die genossenschaftliche Rechtsform nicht ablegten, blieben ihrerseits Mitglieder in einem Dachverband. Seit 1998 führt dieser den Namen "Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften”. In der Mehrzahl handelt es sich bei den Konsumgenossenschaften, die in den alten Bundesländern noch im Lebensmitteleinzelhandel tätig sind, um kleine Einheiten. Oft betreiben sie nur noch einen Laden. Burchhard Bösche, geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Zentralverband, über die Veränderungen:
Der ZdK ist nach wie vor ein Verband von Genossenschaften, wir haben nach wie vor auch etliche Konsumgenossenschaften als Mitglieder, allerdings spielen Konsumgenossenschaften in Deutschland heute beileibe nicht mehr die Rolle, die sie zum Zeitpunkt der Gründung gespielt haben. In der Mitgliedschaft des ZdK hat sich das dahingehend ausgewirkt, dass wir viele Genossenschaften aufgenommen haben, die wir zwar auch als Konsumgenossenschaften, aber in einer modernen Definition verstehen.
Diese Genossenschaften betreiben keine Lebensmittelläden, sondern erbringen Dienstleistungen. "Greenpeace Energy” etwa handelt mit Strom, und das wohl bekannteste Mitglied, die Berliner "taz-Genossenschaft” gibt die gleichnamige "tageszeitung” heraus.
Von etwa 200 Konsumgenossenschaften in der DDR hat ein Zehntel den Weg in die Marktwirtschaft überlebt. Aus dem "Verband der Konsumgenossenschaften der DDR” ist 1999 der "Konsumverband” hervorgegangen. Vorstandssprecher Martin Bergner über die Lage der ostdeutschen Konsumgenossenschaften:
Wir haben heute 19 Konsumgenossenschaften als Mitglieder, dazu noch 2 GmbHs, diese haben zusammen 700.000 Einzelmitglieder, ungefähr 4.400 Mitarbeiter, 500 outlets, 500 Läden also und realisieren einen Einzelhandelsumsatz von 500 Millionen Euro.
Die Kunden kommen aus ganz verschiedenen Gründen, aus Tradition und auf der Suche nach günstigen Angeboten.
Weil' s alles gibt hier drin. Also, man kann rundgehen und man kann alles kaufen, was man will. Man muss nicht in mehrere Geschäfte gehen, und weil ich auch Mitglied vom KONSUM bin , und da bin ich auch immer noch beteiligt mit am KONSUM.
Ich suche nur nach bestimmten Artikeln, dann interessier' ich mich auch nur nach den Preisen. Ich versuche dort zu sparen, wo’s geht.
Eigentlich suchen wir in jedem Geschäft, wo wir’s Günstigste erhalten.
Weil man hier Vieles auf einem Fleck findet, das ist ganz praktisch, ja, und da kaufen wir ganz gern ein.
Erst im Sommer 2000, also fast zehn Jahre nach der deutschen Einheit, haben die beiden Verbände aus Ost und West einen gemeinsamen Dachverband ins Leben gerufen, den "Gesamtverband deutscher Konsumgenossenschaften”. Hier wird vor allem "Lobbyarbeit” betrieben und für den Genossenschaftsgedanken geworben. Einer seiner beiden Präsidenten ist Wilhelm Kaltenborn. Er nennt die Gründe für das lange Nebeneinander:
Die spezifischen Probleme der Konsumgenossenschaften im Osten bedurften über die Jahre hin noch eines eigenen Verbandes, der mit den Problemen so vertraut war, dass er die richtigen Maßnahmen ergreifen konnte. Dazu gehörte vor allem die Regelung von Eigentumsfragen. Die Konsumgenossenschaften waren nämlich im Einigungsrecht vergessen worden. Das traf vor allem sie besonders hart hinsichtlich ihres Immobilieneigentums, es gab dann auch dementsprechend in den Nachfolgeregelungen, in den gesetzlichen, in Deutschland dann, über Jahre hinweg keine Regelung. Das erforderte also viel Phantasie, viel Tatkraft, viel Geduld, viel Nerven, um dieses und einige andere Probleme zu lösen. Das war mit dem Ende der 90er Jahre dann im Großen und Ganzen erreicht.
Die ungeklärten Eigentumsfragen waren ein Problem. Ein zweites die mit dem Fall der Mauer eintretenden Veränderungen. Hannelore Winter, Vorstandsmitglied in der "Konsumgenossenschaft Berlin und Umgebung”:
Wir hatten hier im Ostteil der Stadt als Berliner Genossenschaft einen Marktanteil von 30 Prozent, aber mit dem Mauerfall änderte sich 'ne ganze Menge. Wir mussten feststellen im Laufe der Zeit, dass uns 2/3 unseres Umsatzes verloren gingen, dass zunehmend viele Kunden in den Westteil der Stadt einkaufen gegangen sind. Das lag auch nahe, dort gab es ein besseres Angebot und wir hatten noch viele Lücken zu verzeichnen und unsere Filialstrukturen waren einfach nicht stimmig, nicht wettbewerbsfähig. Wir hatten noch viele Filialen mit 50 oder 100 Quadratmetern und damit konnte man einfach auch die Zukunft nicht mit aufbauen. Und es fehlten auch Einkaufs- und Logistikvoraussetzungen, um wettbewerbsfähig zu sein, so dass wir vor der Aufgabe standen, das Unternehmen umzukrempeln.
Der Berliner KONSUM schloss zuerst die kleinen Läden, schließlich zog man sich 1992 völlig aus dem Lebensmitteleinzelhandel zurück und orientierte sich um: auf das Immobiliengeschäft, den Betrieb eines Hotels und den Aufbau einer Reisebürokette. Es war ein Neuanfang. Zu Wendezeiten zählte die Berliner Konsumgenossenschaft 13.000 Beschäftigte. Heute sind es noch knapp 200, aber keine Ladengeschäfte mehr. Das hatte unmittelbar Folgen für 285.000 Mitglieder.
Ein Drittel ungefähr der Mitglieder sind zwar ausgetreten, weil sie Sorge hatten und weil sie sagten, "ja wir waren es gewohnt, beim KONSUM einzukaufen, und wenn ich diesen Vorteil nicht mehr habe, dann möchte ich auch nicht mehr Mitglied sein”, aber der Großteil, der ist uns treu geblieben.
Abgesehen von der besonderen Situation in Berlin nach dem Fall der Mauer, als die Bevölkerung nur wenige Straßenzüge weiter im Westteil der Stadt einkaufen konnte, abgesehen hiervon, standen auch die Konsumgenossenschaften in Dresden und Leipzig vor vergleichbaren Problemen wie der Berliner KONSUM. Doch anders als dort, entschied man sich in Sachsen für die Fortführung des Lebensmitteleinzelhandels.
Der KONSUM Dresden zum Beispiel entstand 1990 durch die Fusion der Genossenschaften Dresden Stadt und Land. Von damals 500 kleinflächigen Läden betreibt das Unternehmen heute mit gut 1.000 Beschäftigten noch knapp 50. Vorstandssprecherin Gabriele Grismayer:
Mit der Schließung von den 450 Filialen waren 4.000 Mitarbeiter betroffen. Das sind einmal menschliche Schicksale gewesen, aber auf der anderen Seite, dadurch, dass sehr, sehr lange Betriebszugehörigkeiten eigentlich 'ne Besonderheit sind unserer Genossenschaft - denn wer einmal im KONSUM anfängt, bleibt eigentlich im KONSUM - war das auch vom wirtschaftlichen Aspekt her sehr, sehr schwierig zu bewältigen, denn die Abfindungen waren sehr, sehr hoch."
Die Konkurrenz der westdeutschen Handelsketten und die besonderen Eigentumsverhältnisse der Konsumgenossenschaften stellten weitere Herausforderungen.
Und gleichzeitig, während diese Sanierung lief, mussten wir ja sehr, sehr intensiv in die Immobilien, in den Immobilienbestand investieren, um überhaupt eine Chance am Markt zu haben. Denn aus den alten Bundesländern, die Ketten, die stürmten hier die Region, haben neue, moderne Märkte errichtet, hatten viel bessere Voraussetzungen als wir, denn man muss wissen: Bei unseren Märkten gehörte uns zwar überall der Baukörper, aber der Grund und Boden gehörte nicht der Genossenschaft. Und den mussten wir, und da sind wir heut noch nicht zu Ende, Stück für Stück dazukaufen. Auch das ist eine sehr, sehr große finanzielle Belastung gewesen.
Bis Ende 2001 gab es in Dresden noch die Konsummarken. Zu DDR-Zeiten, aber auch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik hatte es Tradition, Konsummarken zu kleben. Dafür wurde die ganze Familie engagiert, von Oma und Opa bis zum Enkelkind. Am Jahresende sprang so meist der Weihnachtsbraten heraus. Diese traditionelle Form der Rückvergütung hat man eingestellt. Jetzt gibt es eine "KONSUM-Mitgliedercard”, mit der die Einkäufe elektronisch erfasst werden. Die Rückvergütung erhalten die Mitglieder in Dresden automatisch. Beim Berliner KONSUM gibt es eine Vergütung für den Einkauf bei Vertragspartnern. Über den Weg dieser "modernen Rückvergütung” hofft man, jüngere Mitglieder zu gewinnen.
Auch im KONSUM Leipzig gibt es keine Marken mehr. Doch anstelle der in Berlin und Dresden gezahlten Rückvergütung erhalten die Mitglieder hier eine Dividende auf ihren Geschäftsanteil. Wie in Dresden gelang der Konsumgenossenschaft in Leipzig mit großen Einschnitten in den Altbestand die Konsolidierung. Stephan Abend ist seit 1991 im KONSUM Leipzig. Damals hatte das Unternehmen 580 Geschäfte:
Heute haben wir 79 Filialen, schwerpunktmäßig in Leipzig und im engeren Umland. Wir haben aber auch eine Filiale in Sachsen-Anhalt, wir haben zwei Filialen in Thüringen, aber der Schwerpunkt liegt in Leipzig und im engeren Umland. Wir sind Nahversorger, haben also wenig verkehrsorientierte Standorte. Da, wo die Menschen wohnen, versorgen wir sie.
Ortswechsel: Von der Pleiße an die Kieler Förde. In der Landeshauptstadt an der Ostsee hat die co op Schleswig- Holstein ihren Sitz. Mit mehr als 1,3 Milliarden Euro Umsatz und fast 10.000 Beschäftigten ist sie die größte deutsche Konsumgenossenschaft. Ganz bewußt hat man vor 30 Jahren entschieden, sich nicht der Frankfurter co op AG anzuschließen. Der heutige Vorstandsvorsitzende Winrich Wolke über die damaligen Motive:
Vorstand und Aufsichtsrat haben von Anfang an diesen Weg sehr skeptisch verfolgt und hatten, aus heutiger Sicht berechtigt, Zweifel daran, ob ein Zusammenschluss von überwiegend finanz- und wirtschaftlich schwachen Unternehmen gelingen kann. Ich finde es aus heutiger Sicht bewundernswert, wie diese Gremien dem Druck, der aus Frankfurt kam, standhalten konnten, und wie mutig sie den Weg aufgezeichnet haben, den die co op Schleswig-Holstein gehen sollte, bis heute im Übrigen mit Erfolg.
In den achtziger Jahren dehnten die Kieler ihre Tätigkeit auf das nordöstliche Niedersachsen aus. Nach der Grenzöffnung nahm man die neuen Bundesländer in den Blick und engagierte sich in Mecklenburg-Vorpommern. Seit Ende der neunziger Jahre findet sich darüber hinaus die co op Ulm unter dem Dach der Genossenschaft in Kiel.
Ganz neue Pläne verfolgt die co op Schleswig-Holstein im internationalen Geschäft. Nach dem Ende des "Kalten Krieges” hat sich die politische Lage im Ostseeraum stark verändert. Die ehemaligen Planwirtschaften orientierten sich gen Westen, und man selbst hat, wie Winrich Wolke berichtet, die Fühler in die Gegenrichtung ausgestreckt.
Eine große Herausforderung kann auf uns zukommen, wenn wir unsere Vision realisieren können, nämlich eine Zusammenarbeit mit den Konsumgenossenschaften der GUS-Staaten, wir sind seit langer Zeit in sehr intensiven Kontakten, sind gerade dabei, ein Konzept zu entwickeln für kleinere Läden in der Größenordnung von 300 bis 500 qm, von denen noch im Sommer diesen Jahres zwei in St. Petersburg eröffnet werden sollen.
So wie in Kiel, verfolgen auch die Konsumgenossenschaften in Berlin, Dresden, Leipzig und anderswo ehrgeizige Ziele. Der Wiederaufbau einer mächtigen Konsumgenossenschaftsbewegung, so wie vor einhundert Jahren, steht bisher jedoch nicht auf der Tagesordnung der Unternehmen. Der neugegründete Dachverband hat allerdings Kurs auf eine gemeinsame Interessenvertretung genommen – zum Wohle seiner Mitglieder.