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Geschichte eines Gangsterkönigs

In Frankreich wurde ein Mörder fast zum Superstar, in den jeder seinen Hass auf Staat und Polizei projizieren konnte: Jacques Mesrine hieß dieser Mann. Jean Francois Richet hat dessen Geschichte nun verfilmt.

Von Josef Schnelle |
    Der deutsche Titel dieses Films ist gar nicht deutsch. Er lautet englisch "Public Enemy No 1". Das ist ein schrecklicher Verfall der Sitten. Einen französischen Titel dieses französischen Films von Jean-Francois Richet hätte man sich ja noch gefallen lassen. Sicher dachte man sich beim Verleih aber: An den Gewaltverbrecher Jacques Mesrine, der 1979 von der Polizei auf offener Straße mit 19 Schüssen durch die Windschutzscheibe seines BMW 528 getötet wurde, erinnert sich sicher kein Mensch mehr. Im Gefängnis, das den Ausbrecherkönig nie lange zu halten vermochte, schrieb er seine Autobiografie, in der er sich zu so vielen Verbrechen bekannte, dass er nie mehr das Licht der Freiheit hätte erblicken dürfen. "Der Todestrieb" wurde ein Kultbuch der europäischen Linken, weil Mesrine Verbindungen zum politischen Untergrund nachgesagt wurden und weil das Werk allerlei krause anarchistische Gedankensplitter aufwies. Mesrine stilisierte sich zu einem modernen Robin Hood, der gegen einen skrupellosen autoritären Polizeiapparat aufbegehrte. In Wahrheit unterschieden sich seine Bankraube, Entführungen, Ausbrüche und Auftragsmorde aber nur durch ihre schiere Anzahl von gewöhnlichen Verbrechen. Früher einmal hätte Alain Delon diese Rolle spielen können. Heute triumphiert Vincent Cassel als dunkler Held des Verbrecherlebens. Er gewann einen César als bester Hauptdarsteller dafür. Auch sonst ist der Film mit Gerard Depardieu als Förderer und Pate Mesrines und Cecile der France als seine Freundin und Komplizin hochkarätig besetzt. Ein erster gemeinsamer Bankraub klingt so:

    Mesrine: "Schnauze halten keiner rührt sich von der Stelle. Bleibt da wo ihr seid."
    Jeanne: "Schnauze"
    Mesrine: "Und Hände auf die Tische. Und Du holst die Kohle. Los beeil dich. Komm. Komm. Komm. Los. Schnell."

    Des Verbrecherlebens erster Teil kommt noch ohne jede Selbststilisierung aus und es ist ihm eine Szene vorangestellt, die seine Skrupellosigkeit ein wenig erklären soll. Als junger Soldat wird Mesrine im Algerienkrieg gezwungen zu Zwecken der Folter die Freundin eines vermeintlichen Bombenlegers zu töten. Erst dann beginnt sein Leben als Bankräuber und Schwerverbrecher. Der Film ist schiere Aktion. "Außer Atem" ist der Film eine Hetzjagd durch die Zeit, in der sich Mesrine immer mehr zu einem gesetzlosen Übermenschen entwickelt. Er beschreibt sich selbst einmal als einen, der sich ständig im Zustand einer entsicherten Pistole befindet. Als ihm 1968 der Boden in Frankreich zu heiß wird, setzt er sich mit seiner Freundin nach Quebec ab und beginnt nun in Canada eine neue Verbrechensserie zu der auch der spektakuläre Ausbruch aus einem Hochsicherheitsgefängnis gehört.

    Mesrine: "Auf jeden Fall weiß ich jetzt, wie wir hier raus kommen. Wir werden einfach durch den Zaun gehen."
    Komplize: "Das ist Selbstmord."
    Mesrine: "Weißt du was Besseres."
    Komplize: "Okay. Jacques. Okay."
    Mesrine: ""Noch vor dem Herbst sind wir draußen."
    Komplize: "Draußen oder tot."

    Der verwegen-verrückte Versuch einige Monate später ein paar Kumpels aus demselben Gefängnis mit einem bewaffneten Überfall zu befreien, scheitert allerdings. Spätestens nun ist klar, dass Mesrine keine Staatsmacht anerkennt. Mit der Rückkehr nach Frankreich 1973 endet der erste Teil. Richet ist ein Film gelungen, der fesselt und verführt. Daran ist vor allem Vincent Cassel beteiligt, der den Zuschauer schnell die Amoral dieser Geschichte, die nur mit dem Tod des Protagonisten enden kann, vergessen lässt. Leider wird man nun einen ganzen Monat lang auf den zweiten Teil "Todestrieb" warten müssen, in dem Mesrine nach dem schmucklosen elenden Verbrecherleben zum Medienereignis und Zeitgeistphänomen des nachgaullistischen Frankreich wird. Nur beide Teile zusammengenommen, ergeben aber die Geschichte des Jacques Mesrine, des gefürchteten Staatsfeinds Nummer 1.