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Geschichte sehen und riechen

Die Zeugnisse der einstigen römischen Metropole Colonia Ulpia Traiana präsentiert der Archäologische Park Xanten am Niederrhein seit Jahrzehnten. Nach dreijähriger Bauzeit und einem Kostenaufwand von über 22 Millionen Euro wird am Samstag auf dem Gelände des archäologischen Parks ein großer Museumsneubau einschließlich Ausstellung über die Römerzeit eröffnet. Eine Stadt in ihrer vollen Urbanität ist zu sehen, das Leben wird sinnlich erfahrbar.

David Eisermann im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Einer römischen Thermenbasilika ist das Neue Römermuseum in Xanten nachempfunden worden, vom Kölner Architekturbüro Gatermann und Schossig. Der Bau erhebt sich über den ausgegrabenen Fundamenten der Eingangshalle des römischen Stadtbads und zeigt Funde von vor Ort rund 2500 Exponate. Heute durften Journalisten schon einmal das Ganze besichtigen. Für uns war David Eisermann im neuen Xantener Römermuseum. Herr Eisermann, beginnen wir mit der neuen Immobilie. Wie sieht die denn aus, wenn man vor sie tritt?

    David Eisermann: Stichwort Basilika. Sie haben es angesprochen, die Xantener hatten ja den Ehrgeiz, als sie angefangen haben damals, auf dem Gebiet der römischen Stadt die Gebäude teilweise so wieder erfahrbar zu machen, wieder aufzubauen, wie sie in der Römerzeit da gewesen sind. Und gleichzeitig hatten sie aber nie ein Museum, in dem sie auch ihre Grabungsfunde präsentieren konnten, die Geschichte eigentlich dieser Stadt, dieses Platzes erzählen konnten. Das haben sie getan in zwei Stufen, und zwar haben sie sich damit die größten öffentlichen Gebäude vorgeknöpft, die es in so einer römischen Stadt gegeben hat, wenn sie denn urban waren, das waren die öffentlichen Bäder, die Thermen. Und da ist schon vor einigen Jahren eben ein Teil dieses Thermengeländes überbaut worden in Originalhöhe, sodass Sie unten als Besucher, sehen Sie in die Bäder, in die Pools rein, in die Wellnessanlage. Und dann sehen Sie oben eine Stahlkonstruktion mit roten Dächern drauf, die die Ziegeldächer nachahmt der original Thermenanlage.

    Schmitz: Und Stahl und Beton, oder Stahl und Glas?

    Eisermann: Stahl und Beton und Stahl und Glas. Man schaut auch von außen rein in die Thermenanlage. Und dann gab es aber Teile dieser Anlage, die in der römischen Zeit wirklich sehr groß aufgebaut war, die hat man eben jetzt erst aufgebaut. Und zwar gehörte zu so einer Thermenanlage eine Basilika, eine Halle, und da gehen Sie rein, die steht da, die können Sie heute vom Bahnhof von weither sehen. Und die haben sie auf Originalhöhe so über 25 Meter hoch aufgebaut, sodass Sie dieses rote Dach sehen, wie in der Römerzeit und dann natürlich eine Stahlkonstruktion, da kommen Sie rein, die ist noch höher als der Thermenbau. Und da kommen Sie rein, und da stehen Sie dann wirklich in dieser römerzeitlichen Situation und da wird das Gebäude in seinen Dimensionen erfahrbar, das eben Urbanität gebracht hat, hier in den äußersten Winkel, an den äußersten Rand des Imperiums sind. Xanten war ja eine römische Stadt direkt an der Grenze zu den Barbaren.

    Schmitz: Wir kommen rein und sehen nun ausgestellt die Zeugnisse der Hochkultur, umgeben von einer barbarischen Kultur. Was sieht man in dieser großen Halle?

    Eisermann: Die Halle, eben groß wie ein Hangar, auch damals in der Römerzeit, eine Halle, in der ursprünglich Gymnastik gemacht wurde. Und hier werden Sie nun auf einen Parcours geschickt als Besucher, der Sie über mehrere Stockwerke nach oben führt. Und es ist eine Inszenierung, die Sie eben durch die Gegend führt, wie sie vor den Römern gewesen ist, diese eisenzeitliche Bevölkerung, die eben in ihren Wohnstallhäusern da gewohnt haben. Dann kommen die römischen Legionen. Und dann kommt die Stadt in ihrer ganzen prächtigen Urbanität, da sehen Sie Sachen, die Sie sprachlos machen, weil sie das gar nicht erwarten in so einem Museum.

    Schmitz: Ich muss mal nachfragen. Der optische Eindruck, man sieht nicht Raum für Raum, einzelne Stationen, sondern man hat von jedem Ort des Raumes den Blick auf alles?

    Eisermann: Weit geschwungen gehen Sie über Rampen und Pisten. Und Sie gehen dann eben in dieser Inszenierung wirklich zwischen den römischen Soldaten durch. Die erscheinen dann auf Bildschirmen neben ihm, sprechen auch Latein, sie Sie hören den Marschtritt. Dann treten Sie ein in Räume, die angedeutet sind, aber Originalräume aus den Häusern der Reichen mit den Bemalungen, die zum Teil die Qualität gehabt haben wie am Mittelmeer. Und Sie stehen vor dieser Bronzestatur, dem Nürtinger Knaben, eine fantastische Arbeit von einer Qualität, wie in Griechenland und Rom, auch das aus Xanten, die zeigt, dass eben die Oberschicht da in Xanten wirklich auf einem Niveau gewesen ist wie in den Metropolen des Imperiums. Und da werden einzelne Figuren dann herausgegriffen in dieser Inszenierung, die werden namhaft gemacht. Sie erleben die Karriere eines Legionskommandeurs, den es wirklich gegeben hat, von Xanten, wie der durch den gesamten Mittelmeerraum Italien dann schließlich seine Ruhe gefunden hat in Rom, der vom Kaiser ausgezeichnet worden ist oder einen der berühmtesten Sachbuchautoren der Antike, den berühmten Autor Frontinus, der über den Wasserbau der Aquädukte geschrieben hat. Auch der kann in Xanten verortet werden. Und dann, am Ende natürlich, das Ende, die Spätantike, die Stadt wird verkleinert und dann das Christentum.

    Schmitz: Wie sind die Exponate präsentiert? Chronologisch, gibt es verbindende Elemente außer diesem Erzählgestus der Inszenierung, den Sie gerade schon gedeutet haben?

    Eisermann: Sie müssen sich wirklich einlassen auf diese Inszenierung, weil sehr viel Text da ist. Es ist Musik da, es sind Gerüche da, es sind Sinneseindrücke da. Dann haben Sie wirklich hier einen fantastischen Eindruck von der urbanen Qualität, die Trajan selbst, das ist das Rätselhafte.

    Schmitz: Gerüche sagen Sie gerade. Was kann man da riechen?

    Eisermann: Sie können zum Beispiel die Speisen riechen, Ziegenkäse mit Oliven und Kräutern oder Eier mit Pinienkernhaube, frittierte Quarkbällchen, all diese fantastischen Dinge, von denen die Römer da gespeist haben. Und Sie sehen auch die Originalreste, Sie sehen aus den Gräbern, dass die Leute da Feigen und Datteln gehabt haben. Aber was eben vor allen Dingen faszinierend ist zu sehen, dass Trajan selbst, der Kaiser, hier seinen Namen gegeben hat. Sie haben ihn vorhin zitiert, Ulpia Traiana, das ist seine Familie. Er baut hier an den Niederrhein die erste Stadtgründung, einer ganzen Reihe von Städten, die er dann anlegen wird.

    Schmitz: David Eisermann, vielen Dank für den Bericht über das Neue Römermuseum im archäologischen Park Xanten, am Wochenende wird eröffnet.