Die Bösartigkeit der Horváthschen Volksstücke hat sehr viel mit Wien zu tun, mit der spezifischen Art von Verlogenheit und Hinterfotzigkeit, die, die Wiener mögen mir verzeihen, am Schnittpunkt zwischen Ost und West, in der Kapitale des gewesenen Österreich-Ungarn, besonders gut gedeiht. Im achten Bezirk gibt es heute noch das Haus, das Horváth als Vorbild für Oskars Fleischhauerei und die Puppenklinik des Zauberkönigs diente; heute ist eine Kneipe drin. Und an der Ecke zur Josefsgasse gibt es immer noch ein Tabak-Trafik; Horváth siedelte dort seine Valerie an, eine schon etwas ältere Dame auf Männerfang.
Dass Geld und Erotik einander – zutiefst, möchte man ironisch sagen – durchdringen, gehört zu den Grundeinsichten der Horváth-Stücke; und dass die Leute sich selbst nicht glauben, was sie sagen, dass sie politisch völlig bewusstlos und dabei doch heimtückische Egoisten sind, das ist für jeden Horváth-Regisseur die größte Herausforderung. Auch für Stefan Bachmann, der das Stück jetzt inszeniert hat – und sich in Wien mit spezifischen Erwartungen konfrontiert sieht.
Denn es gibt ja den Film mit Helmut Qualtinger als Oskar, das ist hier die Meßlatte, und ein "Wienerwald" in Wien hat, bittschön, besonders gut zu sein. Und er ist es auch – jedenfalls im ersten Teil. Gegen Ende hin fault die Dynamik ziemlich ab, was auch daran liegen mag, dass der Regisseur kurz vor der Premiere erkrankte, jedenfalls heißt das offiziell so, und Sven-Erik Bechtolf die Endproben leitete. Der Regisseur als das erste Opfer der Horváthschen Intrigenstruktur, wenn das kein Fingerzeig ist.
Denn Stefan Bachmann hat mit Birgit Minichmayr einen besonders widerstandsfähigen Typus des Marianderls zur Verfügung; die signalisiert von Anfang an, dass sie sich nicht einfach so verheiraten lässt. Eine Figur, die im Badeanzug ganz naiv mit ihrem Sex wuchert und trotzdem an die Liebe glaubt – und natürlich an einen Strizzi gerät.
Die Inszenierung führt nun vor, wie dieser Trotz gebrochen, wie eine FrauenBiografie begradigt wird; meiner Liebe wirst du nicht entkommen, sagt der Fleischhauer Oskar, der sich im Akademietheater mit dem Schlachtermesser die Fingernägel säubert und neben der Marianne die bedauernswerteste Figur ist: der Mann leidet tatsächlich daran, dass die Marianne ihn nicht mag, und der eher introvertierte Johannes Krisch zeigt (schon rein körperlich ein Gegenentwurf zum Qualtinger), dass auch im Fleischhauer eine traurige Seele schlummert.
Die Bühne von Hugo Gretler sieht aus wie ein Möbellager: eine ganze Stadt aus Möbeln, man wohnt möbliert in Wien und ist also unbehaust, und wenn die Schauspieler zwischen diesen Wohnzimmerschränken auftauchen und verschwinden, dann verschwinden sie in einer Modellstadt, in einer Modellinszenierung, die viel von Horváth begriffen hat: leise Musikeinspielungen, genau getimte Pausen, salbungsvoll vorgetragene Fiesheiten.
Manchmal wird beim Glaserl Wein die Komik etwas überdreht und die Depression kommt zu kurz, aber wenn man nach Marianne Verlobungsfeier an der blauen Donau liegt und Mariannes Vater, der bigotte Zauberkönig des etwas zu schmierigen Johann Adam Oest, der erotisch auch etwas zu sehr auftrumpfenden Valerie der krakeeligen Regina Fritsch an die Wäsche geht, dann ist die Gebrochenheit, die Falschheit, der Selbstbetrug dieser kleinbürgerlichen Welt sehr nah.
Das Großmutterl, das das uneheliche Kind der Marianne in die Kälte stellen und also unschuldigst um die Ecke bringen wird, ist bei Bibiana Zeller eine ganz zarte Hexe, eine filigrane Höllenhündin aus dem Seniorenheim. Die falsche Sentimentalität, die den hemmungslose Egoismus all dieser Figuren wie eine zweite Haut ummantelt, wird aber am besten ausgestellt beim schmerbäuchigen Weiberhelden Alfred des begnadeten Nicholas Ofczarek – ein Zuhälter im braunen Anzug, immer mit einem plumpen Kompliment zur Stelle und mit einer ebenso plumpen Entschuldigung auf dem Rückzug von der Frau, mit ein bisschen mehr Geld in der Tasche als vorher.
Diesen Typus Mensch gibt's zuhauf - in Finanzwelt und Politik, im Rotlicht und im Gebrauchtwagenhandel. Ofczarek mit seiner Wienerischen Fiesheit ist der heimliche Star dieser Welt – und dieser Inszenierung.
Dass Geld und Erotik einander – zutiefst, möchte man ironisch sagen – durchdringen, gehört zu den Grundeinsichten der Horváth-Stücke; und dass die Leute sich selbst nicht glauben, was sie sagen, dass sie politisch völlig bewusstlos und dabei doch heimtückische Egoisten sind, das ist für jeden Horváth-Regisseur die größte Herausforderung. Auch für Stefan Bachmann, der das Stück jetzt inszeniert hat – und sich in Wien mit spezifischen Erwartungen konfrontiert sieht.
Denn es gibt ja den Film mit Helmut Qualtinger als Oskar, das ist hier die Meßlatte, und ein "Wienerwald" in Wien hat, bittschön, besonders gut zu sein. Und er ist es auch – jedenfalls im ersten Teil. Gegen Ende hin fault die Dynamik ziemlich ab, was auch daran liegen mag, dass der Regisseur kurz vor der Premiere erkrankte, jedenfalls heißt das offiziell so, und Sven-Erik Bechtolf die Endproben leitete. Der Regisseur als das erste Opfer der Horváthschen Intrigenstruktur, wenn das kein Fingerzeig ist.
Denn Stefan Bachmann hat mit Birgit Minichmayr einen besonders widerstandsfähigen Typus des Marianderls zur Verfügung; die signalisiert von Anfang an, dass sie sich nicht einfach so verheiraten lässt. Eine Figur, die im Badeanzug ganz naiv mit ihrem Sex wuchert und trotzdem an die Liebe glaubt – und natürlich an einen Strizzi gerät.
Die Inszenierung führt nun vor, wie dieser Trotz gebrochen, wie eine FrauenBiografie begradigt wird; meiner Liebe wirst du nicht entkommen, sagt der Fleischhauer Oskar, der sich im Akademietheater mit dem Schlachtermesser die Fingernägel säubert und neben der Marianne die bedauernswerteste Figur ist: der Mann leidet tatsächlich daran, dass die Marianne ihn nicht mag, und der eher introvertierte Johannes Krisch zeigt (schon rein körperlich ein Gegenentwurf zum Qualtinger), dass auch im Fleischhauer eine traurige Seele schlummert.
Die Bühne von Hugo Gretler sieht aus wie ein Möbellager: eine ganze Stadt aus Möbeln, man wohnt möbliert in Wien und ist also unbehaust, und wenn die Schauspieler zwischen diesen Wohnzimmerschränken auftauchen und verschwinden, dann verschwinden sie in einer Modellstadt, in einer Modellinszenierung, die viel von Horváth begriffen hat: leise Musikeinspielungen, genau getimte Pausen, salbungsvoll vorgetragene Fiesheiten.
Manchmal wird beim Glaserl Wein die Komik etwas überdreht und die Depression kommt zu kurz, aber wenn man nach Marianne Verlobungsfeier an der blauen Donau liegt und Mariannes Vater, der bigotte Zauberkönig des etwas zu schmierigen Johann Adam Oest, der erotisch auch etwas zu sehr auftrumpfenden Valerie der krakeeligen Regina Fritsch an die Wäsche geht, dann ist die Gebrochenheit, die Falschheit, der Selbstbetrug dieser kleinbürgerlichen Welt sehr nah.
Das Großmutterl, das das uneheliche Kind der Marianne in die Kälte stellen und also unschuldigst um die Ecke bringen wird, ist bei Bibiana Zeller eine ganz zarte Hexe, eine filigrane Höllenhündin aus dem Seniorenheim. Die falsche Sentimentalität, die den hemmungslose Egoismus all dieser Figuren wie eine zweite Haut ummantelt, wird aber am besten ausgestellt beim schmerbäuchigen Weiberhelden Alfred des begnadeten Nicholas Ofczarek – ein Zuhälter im braunen Anzug, immer mit einem plumpen Kompliment zur Stelle und mit einer ebenso plumpen Entschuldigung auf dem Rückzug von der Frau, mit ein bisschen mehr Geld in der Tasche als vorher.
Diesen Typus Mensch gibt's zuhauf - in Finanzwelt und Politik, im Rotlicht und im Gebrauchtwagenhandel. Ofczarek mit seiner Wienerischen Fiesheit ist der heimliche Star dieser Welt – und dieser Inszenierung.