Dünne Streicherklänge von allen vier Seiten - man sitzt in einem großen Gaze-Zelt, das im Riesenraum der Bochumer Jahrhunderthalle eingezogen wurde. Aus Nischen und von ringsum aufgestellten Tischchen aus entsenden die Mitglieder des Ensemble Recherche ihre Klangbotschaften, während acht Berater der besten aller Welt – am breiten Tisch an der Stirnseite des Zeltes – dazu gelegentlich singen, meist rezitieren. Sie reproduzieren, was man ihnen eingetrichtert hat, offenbaren die Leere im Kopf, belauern und beraten sich, planen Effizienzsteigerung und Entlassungen. Oder die Mitwirkung an der firmeninternen Freizeitgestaltung.
Alles an einem Tisch also: dem Tisch der Herrn, die allerdings unsichtbar und unhörbar bleiben – wie überhaupt die ganze von Falk Richter zum Einsatz gebrachte Sprache lediglich Sentenzen der Volkswirtschaftslehrbücher und Gerede ihrer allergetreuesten Anwender reproduziert. Mutmaßlich in der Hoffnung, diese würden sich dadurch gleichsam von selbst entlarven. Der Tisch, an dem das aufgetischt wird, hat Format und aussehen der in den 70er Jahren repräsentativ gestalteten Richtertische – also etwa das Outfit des Möbels vorm Sondergerichtshof in Stuttgart-Stammheim.
Den Platz des Vorsitzenden nimmt zunächst der Bariton Markus Brück ein, der – videogestützt – in intensiv gesungene Erinnerung an seine Kindheit, seine Mutter, ein vorverwirtschaftetes Leben ausgleitet. Zwei seiner Kollegen, Karl Sonnenschein und Aurelius Glasenapp – alle haben hier so beredte Namen –, sorgen für Supervision. Sie versuchen, ihn noch einmal zu motivieren und ihm etwas Gnadenbrot zu erhalten. Allein man ahnt: es wird nicht lange währen. Paul, knapp über 40, ist reif fürs Abwickeln. Er wird ins Nichts fallen. Und tatsächlich: Falk Richter enttäuscht nicht.
Genau so kommt es. Der monströse Tisch entfernt sich gleitend in die Tiefe des Raums und gibt ein großes Wasser-Bassin frei, in dem der negative Held Paul (ach, wie sinnbildlich!) baden geht, sich selbst als Kind begegnet und sich am Ende in den Teddybären seiner glücklicheren Tage verwandelt. Schnief.
Tiefergründig getragen wird dieser Versuch der Annäherung an die Eiseskälte des globalisierten Kapitalismus und seiner Knechte von der in unterschiedlichen Dichtegraden und Portionierungen verabreichten neuen Kammermusik, die von außen in die Zelt-Kammer dringt, vordergründig von nichts als Sprüchen aus dem dynamischen Wirtschaftsleben.
Theatrale Zeitkunst, dies ist Bauartbedingt, altert fast ebenso schnell wie eine Tageszeitung. Falk Richter hat ein vor vier Jahren geschriebenes Theaterstück zum Libretto recycelt (d. h. in erster Linie: eingekürzt). Frischer ist die Ware dadurch nicht geworden. Die Monologe wirken, wiewohl von André Szymanski und Thomas Wodianka brillant exekutiert, alle wie von gestern – wie aus der Zeit, als die neue Anfechtung der "Neuen Märkte" durch Turm- und Börsen-Crash noch nicht aufgetaucht war. Inzwischen haben die ausgeschlafen Betreiber der frei fluktuierenden Kapital-Akkumulation natürlich auch schon wieder dazugelernt, die Selbstrechtfertigungen für ihr Treiben verfeinert, die Schulungsprogramme upgedatet, die Kontrollmechanismen subtilisiert, die betriebsinterne Sprache modifiziert und die nach außen gerichteten Phrasen.
Ausgestattet wurden diese mit einer Musik von jener Art, wie sie landauf- und landab am Schreibtisch entwickelt wird, damit eines der zu viel gegründeten Ensembles für Neue Musik beschäftigt werden kann. Dabei hat Jörn Arnecke eine manierliche, mitunter illustrative Theatermusik kreiert und in ihr wohl versucht, mit "schneidenden" Geigentönen einen Sound zu finden, welcher der Annäherung an die intendierte sozialen Kälte des Textes korrespondiert. Allein, es macht sich unüberhörbar bemerkbar, daß das Fundament dieser neuen Kammermusik aus einer behüteten und begüterten Welt stammt, in der die schärferen sozialen Fragen allenfalls ein theoretisches Problem darstellen. Arnecke trägt, wie übrigens auch der unpolitische Falk Richter, zur Begütigung der angeschnittenen Fragen bei. Das hoch subventionierte Theater der beiden entwickelt weder sozialen Drive noch gar revoltierendes Agitato. Es hat sich, die zulässige Amplitude der Meinungsfreiheit vermessend, in der besten aller denkbaren Welten eingerichtet. Gut eingerichtet.
Alles an einem Tisch also: dem Tisch der Herrn, die allerdings unsichtbar und unhörbar bleiben – wie überhaupt die ganze von Falk Richter zum Einsatz gebrachte Sprache lediglich Sentenzen der Volkswirtschaftslehrbücher und Gerede ihrer allergetreuesten Anwender reproduziert. Mutmaßlich in der Hoffnung, diese würden sich dadurch gleichsam von selbst entlarven. Der Tisch, an dem das aufgetischt wird, hat Format und aussehen der in den 70er Jahren repräsentativ gestalteten Richtertische – also etwa das Outfit des Möbels vorm Sondergerichtshof in Stuttgart-Stammheim.
Den Platz des Vorsitzenden nimmt zunächst der Bariton Markus Brück ein, der – videogestützt – in intensiv gesungene Erinnerung an seine Kindheit, seine Mutter, ein vorverwirtschaftetes Leben ausgleitet. Zwei seiner Kollegen, Karl Sonnenschein und Aurelius Glasenapp – alle haben hier so beredte Namen –, sorgen für Supervision. Sie versuchen, ihn noch einmal zu motivieren und ihm etwas Gnadenbrot zu erhalten. Allein man ahnt: es wird nicht lange währen. Paul, knapp über 40, ist reif fürs Abwickeln. Er wird ins Nichts fallen. Und tatsächlich: Falk Richter enttäuscht nicht.
Genau so kommt es. Der monströse Tisch entfernt sich gleitend in die Tiefe des Raums und gibt ein großes Wasser-Bassin frei, in dem der negative Held Paul (ach, wie sinnbildlich!) baden geht, sich selbst als Kind begegnet und sich am Ende in den Teddybären seiner glücklicheren Tage verwandelt. Schnief.
Tiefergründig getragen wird dieser Versuch der Annäherung an die Eiseskälte des globalisierten Kapitalismus und seiner Knechte von der in unterschiedlichen Dichtegraden und Portionierungen verabreichten neuen Kammermusik, die von außen in die Zelt-Kammer dringt, vordergründig von nichts als Sprüchen aus dem dynamischen Wirtschaftsleben.
Theatrale Zeitkunst, dies ist Bauartbedingt, altert fast ebenso schnell wie eine Tageszeitung. Falk Richter hat ein vor vier Jahren geschriebenes Theaterstück zum Libretto recycelt (d. h. in erster Linie: eingekürzt). Frischer ist die Ware dadurch nicht geworden. Die Monologe wirken, wiewohl von André Szymanski und Thomas Wodianka brillant exekutiert, alle wie von gestern – wie aus der Zeit, als die neue Anfechtung der "Neuen Märkte" durch Turm- und Börsen-Crash noch nicht aufgetaucht war. Inzwischen haben die ausgeschlafen Betreiber der frei fluktuierenden Kapital-Akkumulation natürlich auch schon wieder dazugelernt, die Selbstrechtfertigungen für ihr Treiben verfeinert, die Schulungsprogramme upgedatet, die Kontrollmechanismen subtilisiert, die betriebsinterne Sprache modifiziert und die nach außen gerichteten Phrasen.
Ausgestattet wurden diese mit einer Musik von jener Art, wie sie landauf- und landab am Schreibtisch entwickelt wird, damit eines der zu viel gegründeten Ensembles für Neue Musik beschäftigt werden kann. Dabei hat Jörn Arnecke eine manierliche, mitunter illustrative Theatermusik kreiert und in ihr wohl versucht, mit "schneidenden" Geigentönen einen Sound zu finden, welcher der Annäherung an die intendierte sozialen Kälte des Textes korrespondiert. Allein, es macht sich unüberhörbar bemerkbar, daß das Fundament dieser neuen Kammermusik aus einer behüteten und begüterten Welt stammt, in der die schärferen sozialen Fragen allenfalls ein theoretisches Problem darstellen. Arnecke trägt, wie übrigens auch der unpolitische Falk Richter, zur Begütigung der angeschnittenen Fragen bei. Das hoch subventionierte Theater der beiden entwickelt weder sozialen Drive noch gar revoltierendes Agitato. Es hat sich, die zulässige Amplitude der Meinungsfreiheit vermessend, in der besten aller denkbaren Welten eingerichtet. Gut eingerichtet.