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Geschichtsfoschung für die Gegenwart

Kleingehäckselte Interviews, dramatische Musik und suggestive Kommentare - der Fernseh-Historiker Guido Knopp macht Quote mit Filmreihen über das Dritte Reich. Unter dem Motto "GeschichtsBilder" wurde auf dem 46. Historikertag in Konstanz über den öffentlichen Umgang mit Geschichtsdeutungen diskutiert.

Von Wolfgang Stenke |
    "Knopp zum Beispiel muss sein Material technisch aktualisieren - und das tut er mit Lust und Verve. Er beschleunigt die Bilder, er digitalisiert sie mit dem Ziel, sie gleichsam sehtüchtiger, wahrnehmungseffektiver zu machen, er modernisiert sie."

    Der Baseler Mediävist Achatz von Müller, selbst Autor etlicher TV-Dokumentationen, über das "Histotainment" aus der Werkstatt des Mainzer Fernsehserientäters Guido Knopp: schnelle Schnitte, kleingehäckselte Interviews mit sogenannten "Zeitzeugen", dazu dramatische Musik und suggestive Kommentare aus dem Off. Das Erfolgsrezept für Filmreihen über das Führungspersonal des Dritten Reiches, gerne auch angereichert durch Material von der historischen Hintertreppe - wie etwa die Amateurstreifen, die Eva Braun einst auf dem Obersalzberg drehte.

    So macht denn zur Stunde auf dem 46. Deutschen Historikertag in Konstanz, der dem Generalthema "GeschichtsBilder" gewidmet ist, das Schlagwort von der "Knoppisierung" der elektronischen Medien die Runde. Das Fernsehpublikum wird mit Bildern bedient, die seine Erwartungshaltung füttern - und die historische Fachwissenschaft ist hörbar angeekelt - Achatz von Müller:

    "Diese Verwandlung von Bildern im Kontext kollektiver Erwartung wird also zum Konstrukteur der Geschichtsbilder. Daher ist es für Historiker, die mit diesem Zeug umgehen, notwendig, eben auf Dekonstruktion zu setzen, auf Brechung, auf Unterbrechung. Das heißt es geht darum, das Bild in offene Muster zu verwandeln, die Widersprüche aufzuzeigen und zu gleicher Zeit an den Bildern unablässig so zu arbeiten, daß eben die Formulierung eines festen, fixierbaren, abrufbaren Geschichtsbildes nicht entsteht, sondern eines unablässig in Arbeit befindlichen."

    Guido Knopp, so der Befund dieses Historikertages, macht Quote, doch die Fachwissenschaft schlägt zurück - auf dem denkbar höchsten intellektuellen Niveau. Fragt sich nur, welche Dissidenten aus den Reihen der Historikerzunft dem ZDF-Geschichtsspezialisten zu universitären Lehraufträgen und dem entsprechenden Professorentitel verholfen haben. Aber das ist wohl eine andere Geschichte.

    Immerhin hat die mediale Dauerpräsenz von Knopp und Konsorten dem diesjährigen Historikertag - traditionell eine Mischung aus Leistungsschau vom Schlage der "grünen Woche" und Debütantenball für den Nachwuchs - zu einem Generalthema verholfen, das nicht allein den "iconic turn" in den Geisteswissenschaften spiegelt - die Hinwendung zu Bildern, ihrer Interpretation und Reflexion.

    "GeschichtsBilder" - geschrieben mit großem B in der Mitte - soll auch verweisen auf den öffentlichen Umgang mit Geschichtsdeutungen. Und da lieferte Bundestagspräsident Norbert Lammert, den der Historikerverband als Festredner nach Konstanz gebeten hatte, ein aktuelles Stichwort: die Irritationen im deutsch-polnischen Verhältnis angesichts der Berliner Ausstellung "Erzwungene Wege".

    In seiner überaus nachdenklichen Rede insistierte Lammert darauf, daß die die individuellen Leiden der Vertriebenen durchaus zu dem vielfach gebrochenen Erinnerungsbogen gehören, der die deutsche Geschichte mit ihrer Belastung durch den Nationalsozialismus umspannt. Zugleich demonstrierte der Bundestagspräsident aber Verständnis für die Sensibilität der polnischen Seite:

    "Dass sich im übrigen das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen anders, mühsamer entwickelt und viel labiler ist als das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ist offensichtlich und es hat nachvollziehbare Ursachen, die wieder in der gemeinsamen, schwierigen Geschichte begründet sind. Ich empfinde es als sehr ermutigend, daß ich vor drei Wochen mit meinem polnischen Amtskollegen, dem Sejm-Marschall Marek Jurek vereinbaren konnte, dass wir unter der Schirmherrschaft der beiden Parlamente in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres eine gemeinsame Konferenz ausrichten wollen, die sich mit den Geschichtsbildern in Deutschland und Polen auseinandersetzt."

    Es geht also voran mit der Arbeit an den "GeschichtsBildern" - nicht allein auf dem Historikertag, der noch bis zum Freitagabend andauert. Die Expertise der Historikerzunft, so scheint es, ist weiterhin gefragt. Selbst wenn die lauteste Musik woanders intoniert wird. Stattdessen steht in Konstanz unter anderem Verdis Gefangenenchor auf dem Kongreßprogramm - Geschichte als Oper interessiert eben auch die Jünger Clios.