Archiv

Geschlechterunterschiede
Dank welchen Gens Schmetterlingsweibchen ihre Feinde abschrecken

Genetik. - Manche Weibchen des Mormonenfalters ahmen auf ihren Flügeln giftige Arten nach, obwohl sie selbst nicht giftig sind. Das hält ihnen mögliche Fressfeinde vom Leib. Wie die Evolution diese Täuschungen hinbekommen hat, war bislang ein Rätsel. Nun haben Forscher aus den USA die genetische Ursache entdeckt.

Von Michael Lange |
    Wenn sich mehrere Exemplare der Schmetterlingsart Papilio polytes treffen, sieht es aus wie bei der Oscar-Verleihung oder einer anderen Feierlichkeit: Die Männer fast alle gleich, in schwarz-weiß, die Frauen zeigen mehr modische Vielfalt. Auch bei den Schmetterlingen präsentieren die Männchen alle das gleiche Outfit, die Flügel der Weibchen hingegen unterscheiden sich in Farbe, Form und Muster. Der Biologe Marcus Kronforst von der Universität von Chicago hat die weibliche Vielfalt bei Papilio polytes molekulargenetisch untersucht. Umgangssprachlich heißen die Schmetterlinge Mormonenfalter und gehören zu der auch bei uns bekannten Gattung Schwalbenschwanz.
    "Nur die weiblichen Tiere haben diese Formen- und Farbvielfalt entwickelt. Eines der Muster sieht genau so aus, wie das der Männchen, drei andere ähneln verschiedenen giftigen Schmetterlingsarten."
    Die Täuschung funktioniert. Die Vögel kennen die Muster der giftigen Schmetterlinge und verschonen die Weibchen des Mormonenfalters. Die Männchen werden häufiger gefressen. Für die Arterhaltung macht das Sinn, denn Weibchen tragen die Eier, und Männchen gibt es genug. Wie diese Vielfalt innerhalb einer Art möglich ist, dafür hatten Biologen bislang keine Erklärung. Nun aber haben die Forscher aus Chicago das verantwortliche Gen aufgespürt.
    "Das Gen 'Doublesex' kontrolliert das Muster, die Farben, und sogar die Form der Flügel. Diese unterschiedlichen Wirkungen kann es nur deshalb entfalten, weil es andere Gene gezielt an- oder ausschaltet. 'Doublesex' ist ein Regulator- oder Super-Gen, das die Aktivität anderer Gene steuert."
    Das Rätsel, warum sich zwei Geschlechter einer Art oft sehr stark unterscheiden, ist damit noch nicht vollständig gelöst. Aber die neuen genetischen Erkenntnisse zum Gen "Doublesex" sind ein wichtiger Ansatzpunkt – und zwar weit über die Schmetterlingsforschung hinaus, erklärt der Evolutionsbiologe Sean B. Carroll von der Universität von Wisconsin in Madison.
    "Das Gen 'Doublesex' wurde zuvor bereits bei anderen Insekten entdeckt, wie bei Wespen oder Fruchtfliegen. Aber erst jetzt durch die neuen Ergebnisse bei Schmetterlingen, erkennen wir den Mechanismus. Wir verstehen jetzt besser, wie zwei Geschlechter einer Art durch biologische Evolution unterschiedliche Formen entwickeln."
    Der Mitentdecker der Evolutionstheorie Darwins Zeitgenosse Alfred Russel Wallace hatte bereits im 19. Jahrhundert Unterschiede zwischen Schmetterlingen einer Art entdeckt. Er vermutete dahinter einen Selektionsmechanismus, und behielt recht. Jetzt steht fest: Eine Mutation in einem Super-Gen beeinflusst ein ganzes Netzwerk von Genen. Das führt dazu, dass völlig neue Farben und Formen entstehen. Die Selektion sorgt anschließend dafür, dass aus einem vielfältigen Angebot genau solche Muster erhalten bleiben, die sich zur Täuschung der Feinde eignen.