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Geschlossene Türen als Erfolgsrezept

Als "hidden champions" werden relativ unbekannte kleine und mittelständische Firmen bezeichnet, die in ihrem Marktbereich jedoch Marktführer sind, oder mindestens Nummer Zwei. "Dorma" ist ein Paradebeispiel.

Von Klaus Deuse | 16.11.2012
    "Dies ist ein integrierter Türschließer, der ist so schmal, dass er ins Türblatt integriert werden kann und trotzdem eine echte Freilauffunktion aufweist,"

    … erläutert mit hörbarem Stolz Christof Zuschlag eine für Laien auf den ersten Blick unscheinbare längliche Vorrichtung. Diese besteht, wie Montagearbeiter José Martins anmerkt, aus nicht weniger als 300 Einzelteilen. In diesem Stadium der Feinabstimmung in den Werkshallen von Dorma ersetzt noch ein Hebel die Tür. Je nach eingestellter Druckbelastung, sagt Jose Martins, ist es …

    "… schwer, die aufzuschieben. Und wenn man die Freilauffunktion eingeschaltet hat, dann ist das wie Pappe. Ich zeig Ihnen das mal."

    Tatsächlich genügt ein butterweicher Druck, um den Hebel nach vorn zu bewegen. Sprich: Die Tür lässt sich leicht öffnen. Oder aber bei wesentlich höherem Druck nur mit größter Anstrengung. Bei diesem Türschließer, so Werksleiter Zuschlag, handelt es sich um eine Neuentwicklung unter anderem für Alten- und Pflegeheime. Tagsüber sollen auch schwächere, ältere Menschen die Tür problemlos öffnen können. Um zugleich die Feuerschutzbedingungen in diesen Heimen zu erfüllen, kann die Anlage dann nachts, wie es Christof Zuschlag formuliert, scharf geschlossen werden.

    Dorma besteht aus den Anfangsbuchstaben der Firmengründer Wilhelm Dörken und Rudolf Mankel, die 1908 in Ennepetal den Schritt in die Selbstständigkeit wagten. Sie produzierten die jener Zeit in den USA weit verbreiteten Pendeltürbänder sowie gefräste Schrauben und Schrankschiebetürrollen. In den nachfolgenden Jahrzehnten bewies das Familienunternehmen stets ein Gespür für Chancen auf dem Markt. So produzierte man nach dem Zweiten Weltkrieg sogar einen Metallbaukasten, bis man Anfang der 60er-Jahre Konkurrenten wie Lego diesen Spielplatz überließ.

    "Der große Schritt für Dorma war eigentlich die Entwicklung eines Türschließers, also dass sich die Tür automatisch zumacht. Es kamen dann natürlich ganz andere Türschließprodukte dazu. Ein großer Meilenstein war dann 1960 für das Unternehmen die Einführung von Automatiktüren, dann später Glasbeschläge und dann kamen später die Sicherheits- und Rettungswegetechnik dazu."

    Im abgelaufenen Geschäftsjahr sprang man beim Umsatz erstmals über die Ein-Milliarden-Euro-Grenze. Weltweit beschäftigt das Unternehmen über 6700 Mitarbeiter, rund 3000 davon in Deutschland. Stammsitz von Dorma ist und bleibt das kleinstädtische Ennepetal, bekräftigt Thomas Wagner.

    "Es ist für ein Familienunternehmen, glaube ich, ganz erheblich, wo das Herz ist, wo ist die Seele des Unternehmens. Und das ist bei uns in Ennepetal, so an der Grenze Ruhrgebiet/Sauerland. Wir haben das Herz hier, arbeiten aber international. Und das macht die Stärke aus. Die Kombination von beidem."

    Werksleiter Zuschlag beispielsweise ist schon seit 22 Jahren im Unternehmen tätig, Montagearbeiter Martens über 30 Jahre:

    "Hier sehen wir eine klassische One-piece-flow-Montagelinie, wo insgesamt acht Arbeitsplätze integriert sind und wo ein Mitarbeiter sein gerade gefertigtes Bauteil an den nächsten Mitarbeiter weitergibt. Das hat den Hintergrund, wir wollen hier ohne Zwischenbestände arbeiten, wir wollen das Material fließen lassen."

    In einem anderen Teil der großflächigen Halle stehen nahezu voll automatisierte Anlagen für die Produktion von Großserien.

    "Jeder Türschließer besteht insgesamt aus über 70 Bauteilen, die alle vorbestückt werden und dann von der Maschine zu Baugruppen zunächst verarbeitet werden, um anschließend zum Gesamtprodukt zusammen zu wachsen."

    Pro Schicht fabriziert diese Maschine über 1000 Stück. Werksleiter Zuschlag vergisst nicht hervorzuheben, dass man einige dieser Maschinen selbst entwickelt habe. Schließlich wolle man das Know-how bei der Fertigung im Haus belassen, fügt er an.
    Und gerade diese Qualität suchen Kunden für ganz unterschiedliche Projekte.

    "Nehmen wir zum Beispiel, wo unsere Bundeskanzlerin, die Frau Merkel sitzt, das Bundeskanzleramt. Ein sehr prominentes Objekt. Architektonisch sehr anspruchsvoll. Das war für uns natürlich ein sehr ganz wichtiges Projekt. Spektakuläre Projekte und die Spitze für unser Unternehmen war sicherlich die Ausstattung vom Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt."

    Bewiesene Kompetenz brachte Dorma ebenso einen Auftrag der Vereinten Nationen für deren Sitz in New York ein:

    "Sicherheit spielt eine große Rolle. Hier haben wir erst vor Kurzem eine explosionssichere Drehtür speziell entwickelt für die UN, und dort auch eingebaut."

    Eine der Stärken von Dorma ist das Design der Produkte, für die man mehrfach Auszeichnungen erhielt. Zum Beispiel den heiß begehrten red dot award. Thomas Wagner.

    "Auch wenn wir sehr reduziert wirken wollen, aber das Wenige, was man sieht, soll sehr anspruchsvoll rüber gebracht sein, und sich aber zurücknehmen im Gebäude, in der Architektur."

    In Riad entsteht auf einer Fläche von 1,6 Quadratkilometern der King Abdullah Financial District. Ein Projekt aus Büro-, Verwaltungsgebäuden und Hotels. Für Architekten in aller Welt ist Dorma bei großen Projekten einer der ersten Ansprechpartner. Sei es für die Fußballstadien der zurückliegenden Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine oder für das Museum der Künste des XXI. Jahrhunderts in Rom. Mittlerweile ist das Familienunternehmen in über 50 Ländern vertreten und erzielt rund 80 Prozent des Umsatzes im Ausland.