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Geschnürt und ausgeliefert?

50 Milliarden Euro umfasst das Konjunkturpaket II. Damit vor allem die Kommunen davon profitieren, sollen die Länder mindestens 70 Prozent des Geldes direkt an sie weiterleiten. Wie die Länder das machen, schreibt ihnen das Gesetz aber nicht vor. Und so gehen sie unterschiedliche Wege.

Von Susanne Arlt, Almuth Knigge, Uschi Götz |
    K2 - dieser Ausdruck steht seit Beginn dieses Jahres nicht mehr nur für den zweithöchsten Berg der Erde. K2 steht auch für das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. 50 Milliarden Euro umfasst das Paket, das die Bundesregierung Ende Januar beschlossen hat. Damals sagte Kanzlerin Angela Merkel vor der Presse:

    "Dieses Programm kann sich - und das sage ich in aller Bescheidenheit - im europäischen Maßstab und im Maßstab weltweit sehen lassen. Das Maßnahmepaket folgt dem Gedanken, Unternehmen und Beschäftigten eine Brücke zu bauen. Es folgt dem Gedanken, dass wir so viele wie möglich Arbeitsplätze in unserem Land erhalten wollen. Und es sorgt dafür, dass wir die Krise nicht nur durchstehen, sondern, dass wir stärker aus ihr herauskommen - als Bundesrepublik Deutschland - als wir hineingegangen sind."

    Herzstück dieses zweiten kreditfinanzierten Konjunkturpakets ist ein kommunales Infrastrukturprogramm mit dem verheißungsvollen Namen Zukunftsinvestitionsgesetz. Mehr als 13 Milliarden Euro kommen in diesem Paket von Bund, Ländern und Kommunen zusammen.

    Das Geld soll schnell bei der mittelständischen Wirtschaft ankommen, sprich verbaut werden, um so die Folgen der Wirtschaftskrise abzumildern. Darum schreibt das Zukunftsinvestitionsgesetz vor, dass 65 Prozent der Gelder für die energiesparende Sanierung von Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten ausgegeben werden sollen. Der Rest kann in den Ausbau von Verkehrswegen oder in die Breitbandversorgung gesteckt werden. Damit in allererster Linie die 12.000 Kommunen von dem K2-Paket profitieren, sollen die Länder mindestens 70 Prozent der Gelder direkt an sie weiterleiten. Wie sie das machen, schreibt ihnen das Zukunftsinvestitionsgesetz aber nicht vor. Und so gehen die Länder ganz unterschiedliche Wege - mit bislang auch ganz unterschiedlichen Effekten.

    Beispiel: Sachsen-Anhalt. Insgesamt stehen dem ostdeutschen Bundesland rund 475 Millionen Euro zur Verfügung. Die Landesregierung reiche aber statt der 70 Prozent nur ein Drittel der Gelder pauschal an die Kommunen weiter, kritisiert der Oppositionsführer im Magdeburger Landtag Wulf Gallert von der Linkspartei. Über den Rest bestimmen einzelne Ministerien. Die Gemeinden müssen sich bei ihnen dann direkt mit ihrem jeweiligen Projekt bewerben. Daher würden die Kommunen in Sachsen-Anhalt schlichtweg bevormundet, ärgert sich Wulf Gallert.

    "Wir wissen besser, was für euch gut ist. Es sind zwar kommunale Projekte, die realisiert werden, aber welche realisiert werden, das entscheiden wir hier in Magdeburg als die Minister. Das ist sozusagen so eine obrigkeitsstaatliche Tradition, die sich bei unserer Landesregierung hier durchsetzt."

    Zudem sei das gesamte Verfahren zur Beantragung der Gelder unkoordiniert, kritisiert Gallert. Der Leitfaden, in dem alle Vorschriften für die Vergabe der Mittel zusammengetragen wurden, sei inzwischen zu einem bürokratischen Monstrum aufgebläht.

    Immer wieder wurde das 217 seitenstarke Regelwerk modifiziert. Und: Für die projektbezogenen Mittel haben Kultus- und Sozialministerium eigene K2-Förderprogramme entwickelt - mit eigenen Antragsformularen versteht sich. Der
    Effekt: In den ersten fünf Monaten ist in Sachsen-Anhalt kaum etwas in Gang gekommen. Wulf Gallert glaubt daher nicht, dass die Hälfte der Projekte noch in diesem Jahr umgesetzt werden können.

    "Und dann machen wir uns mal alle nichts vor. Wir haben 2011 Landtagswahlen. Die Projekte werden im Jahr 2009 und 2010 umgesetzt. Das wird sozusagen eine Art Wahlkampfveranstaltung für die jetzt existierenden Minister, die sich überall noch einmal Liebkind machen wollen, weil: Sie sind ja diejenigen, die Dinge vorangebracht haben. Und das sind die wesentlichen Motive für dieses Verfahren."

    Finanzminister Jens Bullerjahn, SPD, winkt ab. Von Anfang an seien mit dem K2-Paket falsche Hoffnungen bei den Menschen geweckt worden. Der Druck, der gemacht wurde, sei irrational gewesen und habe, so vermutet der Landespolitiker, mit der anstehenden Bundestagswahl im September zu tun.

    "Das war eine irrige Annahme: Da kommt der Onkel aus Berlin, auch wenn er Steinbrück heißt, schmeißt das Geld auf den Domplatz in Magdeburg ab - und einen Tag später stehen die Handwerker vor der Tür."

    Lieber länger nachdenken, um nachhaltig einen Nutzen zu erzielen, statt das große Geld nur pauschal rauszuhauen, lautet deswegen Bullerjahns Devise. Alle Projekte, die die Ministerien oder die Gemeinden realisieren wollen, müssen langfristig Bestand haben, betont der Finanzminister. Darum gebe es auch einen "Demografiecheck" für jeden Kindergarten und jede Schule. K2-Mittel sollen nur dort investiert werden, wo sie auf längere Sicht den Menschen etwas nützen. Und dass Sachsen-Anhalt einen großen Teil der kommunalen Gelder nur über Projekte ausgibt, habe nicht mit der Großmannsucht einzelner Ministerien zu tun. Im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen sei die Gemeindestruktur in Sachsen-Anhalt einfach zu kleinteilig.

    "Wenn wir in Sachsen-Anhalt so kleinteilige Gemeinden haben, die bestimmte Vorgaben des Bundes nicht umsetzen können, hilft eine Pauschalierung gar nichts. Und wenn wir sagen, wir haben 65 Prozent für Bildung, dann ist das meistens für Projekte; zum Beispiel auch, was andere Länder nicht machen, in Sachsen-Anhalt komplett alle Volkshochschulen und Musikschulen zu sanieren. Ja bloß die gibt es nur in bestimmten Kreisstädten. Da haben die Dörfer auch nichts von. Natürlich folgen diese Finanzierungen auch einem gewissen zentralörtlichen System."

    Und Anfang dieser Woche, betont der Finanzpolitiker, seien die ersten Förderbescheide für die Schulsanierungen rausgegangen. Bernhard Sterz, Oberbürgermeister der Stadt Burg, ist sicherlich einer der ersten Kommunalpolitiker in Sachsen-Anhalt, der solch eine Bewilligung in den Händen halten wird. Denn als noch nichts geregelt war, warb Sterz trotzdem schon im März formlos und per Telefon für seine Kitamittel.

    "Man muss Mut zur Lücke haben. Auch mit dem kommunalpolitischen Risiko leben. Dass habe ich aber auch unseren Stadträten gesagt, wir planen erst einmal für unsere Projekte. Und wenn es halt nicht klappt, müssen wir die günstige Zinslage ausnutzen - und dann uns auch noch mehr verschulden, weil: Jetzt müssen wir investieren, um auch den örtlichen Handwerksbetrieben eine Sicherheit zu geben, dass sie die Konjunkturdelle sozusagen gut durchschreiten."

    Zwei Schulen und einen Kindergarten kann die Stadt Burg nun mithilfe der K2-Mittel sanieren. Aber der Prozess sei schwierig gewesen, gibt der Kommunalpolitiker zu. Der Leitfaden, in dem die Vorschriften für die Vergabe der Mittel stehen, sei erst sehr spät herausgekommen. Und dennoch: Wohl schon im August werden die Sanierungsarbeiten in Burg beginnen können.

    Ein anderer Ort, eine andere Herangehensweise: Über den Nordosten von Deutschland gibt es ein Vorurteil, das auf den alten Kanzler Bismarck zurückgeht. Der soll einmal gesagt haben: Wenn die Welt untergeht, dann wolle er nach Mecklenburg, weil da alles 50 Jahre später passiere. In einigen Bereichen des Lebens trifft dies vielleicht zu. Seit die Welt in der Krise steckt, versucht das Land Mecklenburg-Vorpommern aber, dieses Vorurteil zu entkräften.

    "Wir sind schneller. Wir sind der Zeit voraus. Ich glaube, einige Länder, die die Mittel nicht den Kommunen zur Verfügung gestellt haben, also Einzelprojektgenehmigungen machen, werden da eher Probleme bekommen als wir, die wir die Mittel im Wesentlichen den Kommunen zur Verfügung gestellt haben und die Kommunen selber entschieden haben, welche Projekte sie machen. Und das ist, glaube ich, der erfolgversprechendere Weg."

    80 Prozent aller Fördermaßnahmen, so Staatssekretär Thomas Lenz aus dem Schweriner Innenministerium, seien derzeit mit, wie es offiziell heißt, Planungen untersetzt. Mehr als die Hälfte aller Gelder, so die Berechnung, werde Ende des Jahres, so wie vom Bund gefordert, abgeflossen sein.

    Mecklenburg-Vorpommern will allen zeigen, dass das Konjunkturpaket an der Ostseeküste nicht verpufft: Spatenstiche landauf, landab. Politiker schneiden Bänder durch und übergeben medienwirksam Förderbescheide. Aus dem K2-Topf "sonstige Infrastruktur" beispielsweise werden jetzt im Auftrag des Landes mit 48 Millionen Euro zwei Krankenhäuser saniert - das heißt, eigentlich werden die geplanten Baumaßnahmen mit zusätzlichen Mitteln beschleunigt. Deshalb buddeln auch schon die Bagger. Aber wie sieht es mit den Geldern in den Kommunen aus?

    "Diese Veranstaltung, meine Damen und Herren, haben das Wirtschaftsministerium, das Innenministerium, die Kammern und die Verbände für sie organisiert, um sie möglichst umfassend mit den Chancen dieser Konjunkturpakete vertraut zu machen, und das Ziel besteht darin, direkt und unmittelbar mit den Vergabebeamten, nenne ich Sie mal ganz liebevoll, aus Mecklenburg-Vorpommern ins Gespräch zu kommen und die Unternehmer und Sie zusammenzuführen."

    Regionalkonferenz zur Beschleunigung der Umsetzung der Konjunkturpakete: sperriger Titel, sperriger Inhalt. Die Geschäftsführerin der IHK Neubrandenburg, Petra Hintze, ist eine kleine, energische Frau und scheut auch nicht das direkte Wort. K2 - schön und gut - für sie aber steckt der Teufel wie so oft im Detail. Muss immer das günstigste Angebot genommen werden? Wie hoch ist bei der sogenannten freihändigen Vergabe das Risiko der Korruption? Wie kann ich rechtlich sicher gewährleisten, dass der Auftrag in der Region bleibt?

    "Unser Hinweis ist, dass manchmal vor Ort Theorie und Praxis nicht miteinander übereinstimmen und manchmal sogar auseinanderklaffen, denn, so unsere Feststellung, wer die Möglichkeit hat, freihändige Vergaben bis zu einem Auftragsvolumen von 30.000 Euro vorzunehmen und dieses nicht tut, wird Aufträge im Wert von 100.000 Euro erst recht nicht vergeben."

    Heißt: In den Kommunen fließt das Geld noch nicht so, wie es sollte, weil in den Ämtern die vereinfachten Vergabeverfahren nicht angewendet werden. Und das nicht nur deswegen, weil einige Beamte mit dem Regelwerk überfordert sind.

    "Überwiegend ja. Sie müssen bloß die Sicherheit haben, dass das, was sie jetzt machen, und dass das, was in den Richtlinien steht, dass sie das auch benutzen. Das ist ja eine Chance für sie, leichter zu arbeiten. Was ich mir wünschen würde, dass man das weniger bürokratisch umsetzt. Das Regelwerk zu verstehen, ist für einen normalen Menschen schon ein Kunststück."

    Blick in den Westen von Mecklenburg-Vorpommern, Landkreis Ludwigslust, Stralendorf: ein idyllisches kleines Dorf, mit intakter Infrastruktur, nicht selbstverständlich für die Gegend.

    Felix Stillfried war nicht wirklich eine große Nummer unter den niederdeutschen Heimatdichtern. Eines seiner Hauptwerke ist bekannt unter dem Titel "Die große Erbschaft" - ein unerhoffter Geldsegen sozusagen - einer, der nun die Gemeinden trifft - und Felix Stillfried irgendwie auch. Die nach ihm benannte Schule gehört zu den Nutznießern des Konjunkturpakets II.
    Noch Ende letzten Jahres wusste die Gemeinde nicht, wie sie die 3,6 Millionen Euro für die Erweiterung und Sanierung der Schule aufbringen sollte. Das Gymnasium aus dem benachbarten Pampow muss zukünftig mit untergebracht werden, weil für zwei Schulen zu wenig Schüler da sind. Geld dafür konnte aber nicht in den Haushalt eingestellt werden. Es hätte Jahre gedauert, die Finanzierung zu stemmen. Amtsleiter Peter Litschenko:

    "Und dann kam das Konjunkturpaket II und dann drängte es sich auf, aus diesem Paket auch Mittel für diese Schule abzuziehen. Dann haben wir uns zusammengetan und haben gesagt, wir machen das so, dass wir eine kooperative Gesamtschule daraus machen. Dann haben wir Bestand dafür, weil dann genug Schüler da sind. Da ist dann aber auch schon viel Sanierung des alten Gebäudes mit dabei und Verbesserung der Infrastruktur innerhalb der Schule: wie die EDV-Netze, wie entsprechende Klassenausrüstung."

    Von den 316 Millionen Euro, die der Bund - ergänzt durch Landes- und kommunale Mittel - aus seinem Zehn-Milliarden-Programm zur Verfügung stellt, werden in Mecklenburg-Vorpommern rund 130 Millionen Euro direkt an die Kreise und kreisfreien Städte weitergeleitet. 65 Prozent davon müssen in die Bildung, 35 Prozent in die Infrastruktur investiert werden. Das Land hat bereits eine Verwaltungsvereinbarung mit den kreisfreien Städten und Landkreisen abgeschlossen, die deren Finanztopf von 130 Millionen Euro absichert. Das sei bundesweit Spitze, erklärt der Vize-Landrat von Ludwigslust, Wolfgang Schmülling.

    "Das ist echtes zusätzliches Geld, weil: Das sind Dinge, die wir im Haushalt bisher so nicht veranschlagt haben, beziehungsweise, wenn wir sie in der mittelfristigen Finanzplanung hatten, dann können wir jetzt andere Dingen machen, weil: Das Geld kommt tatsächlich zusätzlich in die Region - und wenn das in der Region bleibt, dann ist das spürbar. Das merkt der Handwerker."

    Auf neue Aufträge hoffen nicht nur die Handwerker im Nordosten Deutschlands. Auch im Südwesten setzen größere wie kleinere Betriebe auf das Konjunkturprogramm. Baden-Württemberg reagierte früh auf die drohenden Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise. Bereits im Dezember vorigen Jahres brachte das Land ein eigenes Infrastrukturprogramm auf den Weg.

    "Es muss schnell wirken. Wir werden Maßnahmen auf den Weg bringen, die unmittelbar beschäftigungssichernd und auftragsstärkend für die Wirtschaft in Baden-Württemberg im nächsten Jahr und in der ersten Hälfte 2010 sind","

    … so der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger damals.

    Heute - ein halbes Jahr später - stehen im Südwesten - zusammen mit den Mitteln aus dem Bundesprogramm - rund 2,1 Milliarden Euro für Investitionen von Land und Kommunen zur Verfügung.

    Schnelles Handeln stellte die Stadt Tübingen unter Beweis. Im März dieses Jahres vergingen nur wenige Tage zwischen Bekanntgabe der Rahmenbedingungen für das Konjunkturpaket II aus Berlin und dem Gemeinderatsbeschluss für eine außerplanmäßige Ausgabe von mehreren Millionen Euro. Boris Palmer, Grünen Oberbürgermeister der Stadt Tübingen:

    ""Wir bekommen ziemlich unbürokratisch vier Millionen von Bund und Land und setzen nochmals sechs Millionen kommunale Eigenmittel obendrauf. Damit haben wir zehn Millionen zur Verfügung, die nicht geplant waren. Diese zehn Millionen entsprechen einer Verdoppelung der normalen Investitionstätigkeit im Bereich von Schulen und Kindergärten. Da fließt das Geld hin. Wir machen energetische Sanierung, Modernisierungen. Das nützt also den Kindern, nützt der Bildung, nützt dem Klima und nützt dem Haushalt, weil wir dann in den kommenden Jahren weniger für Sanierungen ausgeben müssen und weniger für Energiekosten. Das halte ich für eine sehr sinnvolle Reaktion auf die Krise."

    Im Südwesten fließen nach Angaben des baden-württembergischen Finanzministeriums rund zwei Drittel der Gelder in den Bereich Bildung und rund ein Drittel in die Infrastruktur. Insgesamt 866 Millionen Euro stehen den Kommunen zur Verfügung. In den Gemeinderäten und Stadtparlamenten musste in kürzester Zeit darüber entschieden werden, wofür diese Mittel konkret ausgegeben werden sollen. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer setzte auf ein breit angelegtes Bündnis:
    "Wir haben einen Prozess dazwischen geschaltet, in dem wir Vertreter aus der Wirtschaft, der verschiedenen Gewerbe, der Handwerkskammer gebeten haben, uns zu beraten, wo wir investieren sollen, damit auch die richtigen Betriebe, die die Aufträge brauchen können, davon profitieren. Und wir haben dort auch die verschiedenen Projekte besprochen, in einem Arbeitskreis mit den verschiedenen Fraktionsvorsitzenden. Da sind einzelne Vorschläge der Verwaltung verändert worden. Aber am Ende waren sich dann alle Fraktionen einig. Und das heißt auch, die Auswahl der einzelnen Projekte konnte im Konsens durchgeführt werden."

    In Tübingen wurde bereits vor einigen Wochen mit der Sanierung verschiedener Einrichtungen begonnen. Fast keine Stadt und Gemeinde in Baden-Württemberg hat auf das Geld verzichtet, das vor allem dem heimischen Handwerk zugutekommen soll. Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg:

    "Nach meiner Kenntnis ist es so, dass in Baden-Württemberg sicherlich der Versuch unternommen wird, die gesamte vom Bund zur Verfügung gestellte Summe abzurufen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass das gelingt."

    Der baden-württembergische Handwerkstag sprach in seiner kürzlich abgehaltenen Jahrespressekonferenz von einer stabilen Situation im Bereich Handwerk, dank des Investitionsprogramms. Vor allem das Bauhaupt- und das Baunebengewerbe profitiere von dem Programm; von den rund 866 Millionen Euro würde das meiste Geld in den Kommunen in die energetische Sanierung von Gebäuden fließen. Dennoch bremst Hartmut Richter, Hauptgeschäftsführer des Baden-Württembergischen Handwerktages, die bisweilen anklingende Euphorie:

    "Das Programm ist bei den Kommunen angekommen, aber erst zu Teilen am Markt. Ich hoffe, dass nach den Sommerferien die Marktauswirkungen voll zu spüren sein werden. Das setzt allerdings voraus, dass die Steuerschätzungen bei den Kommunen nicht weiter in dem katastrophalen Ausmaß zunehmen, wie es in den letzten Wochen berichtet worden ist."

    Schon heute zeichnet sich ab, dass beinahe keine Stadt in Baden-Württemberg von enormen Gewerbesteuereinbrüchen verschont bleiben wird: ein Zustand, den viele Kommunen im viele Jahre erfolgsverwöhnten Südwesten schlichtweg nicht kennen. Einst reiche Städte, wie beispielweise das schwäbische Sindelfingen, sind mit ihrem größten Gewerbesteuerzahler Daimler mit in die Krise gerissen worden.

    Dennoch machen viele Städte und Gemeinden Schulden, um ihren Teil am Investitionsprogramm mitzufinanzieren. Rund ein Viertel der Kosten der Projekte müssen die Städte selbst tragen. Bleibt die wirtschaftliche Lage - und davon ist vor allem im Südwesten auszugehen - weiterhin angespannt, oder verschlimmert sie sich sogar noch, dann hat das Investitionsprogramm genau den gegenteiligen Effekt: Statt davon zu profitieren, treibt es einige Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg in den finanziellen Ruin.