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Geschrei um die Oper

Die italienischen Musiker gehen auf die Straße, aber nicht, um sich ein Zubrot zu erspielen, sondern aus Protest gegen die Sparpläne der Regierung. Betroffen sind die Musiktheater des Landes - sie sollen mit weniger Geld auskommen.

Von Thomas Migge |
    Er klagt an. Er protestiert. Pappano kritisiert die immer schlimmer werdende Sparpolitik der Regierung von Silvio Berlusconi. Die Finanzierung der italienischen Musiktheater sei skandalös.

    Antonio Pappano ist Dirigent und künstlicher Direktor der römische Accademia di Santa Cecilia. Vor wenigen Tagen wandte er sich vor einem Konzert an sein Publikum. Er bat seine Zuhörer um Verständnis für die zahlreichen Streiks, die auch bei Roms wichtigstem Symphonieorchester immer wieder für Konzertausfälle sorgen. Das Publikum zeigte Verständnis und applaudierte nach Pappanos Ansprache minutenlang.

    Ähnliche Szenen lassen sich derzeit in ganz Italien beobachten. Musiker zwischen Palermo und Mailand gehen auf die Straßen, streiken, demonstrieren und wettern in den Medien gegen das neue Reformdekret der Regierung, mit dem die staatlichen Ausgaben für Opernhäuser neu geregelt werden sollen. Kurios ist, dass in die Kategorie "Opernhäuser" auch die Accademia di Santa Cecilia und das Florentiner Festival Maggio Fiorentino fallen. Sie alle sollen zukünftig mit weniger Geld auskommen, klagt Michele Emiliano, Präsident des Teatro Petruzelli in Bari:

    "Unsere Theaterstiftung macht keine Schulden, wir erwirtschaften sogar Geld und gehören somit nicht zu jenen Häusern, die Kulturminister Bondi dazu gebracht haben, mit einem Dekret die seiner Meinung nach ausufernden Ausgaben der zum Teil hoch verschuldeten Opernhäuser in den Griff zu bekommen. Ohne irgendwelche Unterscheidungskriterien wird hier gekürzt. Das Dekret wird dazu führen, dass unsere Bilanzen durcheinandergeraten."
    Italiens Kulturminister Sandro Bondi weiß, dass die 240 Millionen Euro, die der Staat jedes Jahr den Musiktheatern zukommen lässt, oftmals für Kosten ausgegeben werden, die, schaut man genau hin, wirklich eingespart werden können. Vor allem im Bereich der Personalkosten. Bondis Dekret sieht vor, dass finanzielle Zusatzgehälter, die vor Jahrzehnten, als Orchestermusiker und Bühnenarbeiter nur wenig verdienten, von den Gewerkschaften zu Recht erstritten wurden, nun gestrichen werden. So erhalten Musiker zum Beispiel eine Weg-Pauschale, wenn sie, wie im Fall von Roms Staatsoper, einige Hundert Meter vom großen zum kleinen Haus zurücklegen müssen. Ausgaben dieser Arbeit, entschied der Kulturminister, können eingespart werden. Diese Zusatz-Pauschalen zu den Grundgehältern sind für die Betroffenen der Stein des Anstoßes. Dagegen protestieren sie und legen deshalb den Opern- und Musikbetrieb lahm. Am 18. Mai ist es in Italien wieder so weit. Das ist der nationale Musik-Streiktag gegen das Regierungsdekret. Kulturminister Sandro Bondi:
    "Seit Langem versuchen Kulturminister, rechte wie linke, die Kosten für die Musiktheater auf eine vernünftige Basis zu heben. Also mehr Geld für die Veranstaltungen und weniger für die zu einem riesigen Geld verschlingenden Monster gewordene Bürokratie. Wir haben nun entschieden, diese Finanzierung ein für alle Mal zu regeln. Die Rolle der Kultur wurde zu lange als Nebensache behandelt."
    Zu den Protestierenden zählen so berühmte Dirigenten wie Zubin Metha, künstlerischer Direktor des Maggio Fiorentino, Intendanten wie Stephane Lissner von der Scala und viele andere. Sie sehen das ganz anders. Ihrer Meinung nach provoziert die radikale Streichung finanzieller Vorteile für Musiker und Bühnenarbeiter einen sozialen Unfrieden, der sich nur schwer bändigen lassen wird.

    Kritisiert wird auch, dass, dem Dekret zufolge, zukünftig alle Theater mit weniger Geld auskommen sollen. Mit noch weniger, denn in den letzten Jahren wurden die Gesamtausgaben für Musiktheater bereits um rund 30 Prozent gekürzt. Noch weniger Geld, so die Kritiker, werde zu Saisonkürzungen und vielleicht auch zu Schließungen führen, denn nur im günstigsten Fall, wie bei der Accademia di Santa Cecilia, machen die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten, CD-Einspielungen etc. 50 Prozent des Gesamtbudgets aus. Kulturminister Bondi erklärt die finanziellen Kürzungen mit dem Hinweis auf den allgemeinen Sparkurs aller Ministerien. Die Regierung müsse sparen und da müssen alle Opfer bringen, auch die Kultur. Bruno Cagli, Musikhistoriker und Präsident der Accademia di Santa Cecilia:
    ""Keine musikalische Institution kann ohne staatliche Gelder auskommen! Wir können doch nicht nur von Sponsorengeldern überleben. Unsere politischen Institutionen verfügen nicht über die nötige Sensibilität angesichts unserer Kultur."

    Genau hier liegt der springende Punkt: Sollen Opernhäuser staatlich finanziert werden oder nicht und wenn wie? Der Regierung zufolge, und einige Minister sagen es klipp und klar, soll diese Finanzierung von staatlicher Seite ein Minimum ausmachen, während das Gros, wie in den USA, von privater Seite kommt. Dabei wird allerdings übersehen, dass, solange private Unternehmen ihr Kultursponsoring nicht von der Steuer absetzen können, die private Finanzierung im großen Stil ein frommer Wunsch bleibt. Doch das will die Regierung nicht einsehen. Die Folge: Krieg der Opernhäuser gegen das Dekret. Krieg mit Streiks, die, so verkündete die Vereinigung der Musiktheater, so lange andauern werden, bis Kulturminister Bondi das neue Gesetz revidiert.