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Geschwisterregelung bringt Universitäten in Finanznöte

Seit dem Sommersemester dieses Jahres müssen Studierende in Baden-Württemberg, die zwei oder mehr Geschwister haben, keine Studiengebühren bezahlen. Den betroffenen Universitäten fehlen - völlig überraschend? - Millionen für geplante Projekte.

Von Uschi Götz |
    Betroffen sind fast alle Universitäten in Baden-Württemberg. Aufgrund der neuen Geschwisterregelung fehlen den Universitäten Tübingen, Heidelberg, Stuttgart und Hohenheim rund ein Drittel der eingeplanten Studiengebühren. Klaglos hinnehmen wollen die Studierenden die angekündigten Kürzungen nicht. Stefan Haffke, Asta Vorsitzender der Uni Hohenheim:

    " Es gibt auf jeden Fall Proteste. Also Hohenheim hat sich in der letzten Zeit dadurch ausgezeichnet, dass sie nicht alles schweigend hingenommen hat, auch, was das Haushaltsloch und ähnliche Sachen betrifft, dass man Studiengebühren stopfen wollte. Und wir werden dieser ganzen Sache sehr, sehr kritisch gegenüberstehen. Auch die, die aktiv im nächsten Jahr im Senat, auch im Asta sein werden, haben sich jetzt schon den Sommer über damit beschäftigt, welche Sachen kommen auf uns zu. Wir sind gerade dabei, man kann es diplomatisch formulieren, die Unterlagen zu sichten. Und werden dann die entsprechenden Schritte einleiten. Also ich denke, kampflos werden wir die Sache nicht aufgeben, davon kann man ausgehen."

    Als katastrophal bezeichnete jüngst Uni-Sprecher Florian Klebs die finanzielle Lage der Hohenheimer Universität. Erwartet wird, dass allein die Ausgaben für die Lehre um 1,2 Millionen Euro gekürzt werden. An der Lehre zu sparen, bedeute am falschen Ende zu sparen, kritisierte Sebastian Maisch, Sprecher der LandesASten-Konferenz Baden-Württemberg. Mit den 2007 eingeführten Studiengebühren von 500 Euro pro Semester sollten Studienbedingungen und Lehre verbessert werden.

    Immer wieder war von Studenten in der Vergangenheit zu hören, die Studiengebühren werden dazu benutzt, um Standardleistungen an den Universitäten zu bezahlen. Auch Baden-Württembergs CDU-Wissenschaftsminister Peter Frankenberg mahnte öffentlich eine korrekte Verwendung der Gebühren an. Doch manche Fakultät scheint sich schlichtweg verrechnet zu haben. Stefan Haffke von der Uni Hohenheim:

    " Am dramatischsten ist es an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften, die hat über ihre Verhältnisse gelebt, diese Geschwisterregelung nicht bedacht. Also bedacht hat sie eigentlich gar keiner. Also sie kam vielleicht einigermaßen überraschend, oder relativ schnell, und bis dann das Gesetz in Kraft verabschiedet wurde und dann auch in Kraft getreten ist. Das war das Problem, was nicht nur Hohenheim hat, sondern auch viele andere Universitäten, dass man einfach gedacht hat, die Studiengebühren werden langfristig einfach so bleiben, man muss sich keine Gedanken machen, und dann auch Projekte finanziert haben, die nicht nur über ein oder zwei Jahre gehen, sondern viel, viel länger. Und da sieht man derzeit das drastische Problem, dass man gesagt hat: Gut, wir können ja das Geld zum Fenster rausschmeißen. Und das auf lange Zeit ohne Sich zu überlegen, was passiert, wenn mal ein Teil davon wegfällt oder wenn auch weniger Studierende letztendlich zahlen oder wenn sie auch mal ganz abgeschafft werden."

    Umdenken muss auch die Universität Freiburg. Zunächst rechnete man in Freiburg damit , dass etwa 3000 Studenten unter die neue gesetzliche Regelung fallen, tatsächlich sind es nun in Freiburg 5000 Studierende, die von der sogenannten Geschwisterreglung profitieren.

    Die Folgen sind fatal. Prorektor Professor Heiner Schanz:

    "Wir werden einen Verlust von rund 30 Prozent unserer bisherigen
    Studiengebühreneinnahmen haben, die lagen bisher bei 15,5 Millionen Euro im Jahr, im Studienjahr, und wir werden jetzt wohl mit einer Einnahmensituation von ungefähr zehn Millionen Euro konfrontiert sein."

    Freiburg hat mittlerweile ein eigenes Sparpaket geschnürt.

    "Es geht vor allem zunächst mal um Sachmittel, nicht verausgabte Sachmittel, einmalige Kürzungen, zum Beispiel der Universitätsbibliothek und dort der Verstärkung der Lehrbuchsammlung, aber auch Fragen von Öffnungszeiten, die anstehen. Und dann – daneben auch – auslaufende Verträge."

    Die auslaufenden Verträge werden nicht verlängert, freiwerdende Stellen nicht besetzt. Die oppositionelle SPD im Landtag warf der Landesregierung angesichts der finanziellen Defizite erneut ein Versagen in der Hochschulpolitik vor. Aus Sicht der SPD müssen die Einnahmeausfälle der Hochschulen im Südwesten infolge der neuen Geschwisterregelung vom Land ersetzt werden.

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