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Geselliges Zocken im Web

Vorbei sind die Zeiten, da man entweder nächtens allein zuhause vor dem Monitor gegen den Prozessor spielte oder gar den Rechner zu Freunden zum digitalen Spieleabend schleppte. Denn immer mehr Spielewelten locken die Zocker ins Internet, um mit Gleichgesinnten ihr virtuelles "Alter Ego" auszuleben.

Von Wolfgang Nitschke |
    Verlässliche Zahlen gibt es nicht, denn die Branche schweigt sich aus. Geschätzt werden aber weltweit Millionen von Euro pro Monat mit Online-Games verdient und die Wachstumszahlen der Branche liegen – ebenfalls geschätzt – bei 7,5 Prozent monatlich. Ähnlich groß wird der Zuwachs an Mitspielern geschätzt, die in jedem Monat zur Onlinegemeinde hin zu stoßen – einige Onlinespiele können zehn Prozent mehr Mitspieler pro Monat verbuchen. Sicher: Jedes neue Spiel gewinnt Marktanteile von älteren so genannte MMOGs – Massively Multiplayer Online Games – doch der Trend deutet eindeutig nach oben. Spiele, die man im Internet mit Menschen aus Amerika, Korea oder China spielt, sind momentan der absolute Hit im World Wide Web. Erstaunlich dabei ist aber, dass der Unterschied zu den ersten Onlinespielen scheinbar ausschließlich darin besteht, dass der Benutzer mehr Rechenleistung hat. Ralph Koster von Sony online Entertainment.

    "Das erste, was wir erkennen können, ist, dass die Spielelemente nicht komplexer geworden sind. Ich meine – die Art zu spielen in den frühen Neunzigern und die Art heute zu spielen – wohl auch in den kommenden zehn Jahren – sind vergleichsweise ähnlich. Wenn Sie auf die meist verkauften Spielegenres gucken: Nehmen Sie ein Spiel, welches zehn Jahre alt ist, setzten Sie jemanden davor und er wird kein Handbuch brauchen. Der Spielablauf ist identisch. Und umgekehrt – nehmen Sie eines der meist verkauften Spiele von heute. Die Spieler von damals werden ohne Probleme verstehen, was zu tun ist. Natürlich können die alten Computer das Spiel nicht mehr öffnen."

    Wenig neue Inhalte also – aber trotzdem höhere Kosten für die Hersteller. Bessere Grafikauflösung, mehr Farben – die Entwicklung eines neuen Onlinegames verschlingt heute fast genauso viel Geld wie ein abendfüllender Spielfilm. Ein Dilemma für die Firmen, denn mehr als die zwölf bis 15 US-Dollar pro Monat wird den Onlinezockern auch zukünftig nicht zu entlocken sein. Es ist schon irgendwie komisch – der Markt boomt, die Kunden werden immer mehr, der Umsatz steigt und trotzdem geht die Onlinespielebranche scheinbar am Stock. Neue Marketingstrategien sollen da helfen. Ende April stellte NCSoft das neue Spiel "Guild Wars" als so genannten Beta-Test noch vor dem Ladenverkauf online. Chris Chung

    "Das Resultat war, dass mehr als 500.000 Menschen an dem Wochenende gespielt haben. Das hat eine Guild Wars-Gemeinde geschaffen, nicht nur in Amerika und Europa – auch in Asien. Wir hatten Mitspieler aus der ganzen Welt."

    Trotzdem – der Markt ist lange nicht ausgereizt. Amerikaner, Deutsche und Franzosen oder Koreaner sind online und spielen. Japaner und Chinesen gucken bislang eher zu und verdienen mit Nebenprodukten. Wer zum Beispiel "WarCraft" spielt, muss eigentlich 24 Stunden online sein und sich um seine virtuelle Identität kümmern. Geht natürlich nicht, weshalb man in China oder Taiwan für wenig Geld einen Online-Pflegedienst buchen kann. Der kümmert sich auch während der Nacht oder während des Urlaubs ums Onlinegame. Das ist für echte Zocker nämlich nötig, denn im Internet geht es nicht nur um die Ehre. Zunehmend wird um Bares gespielt – von Amerika, über Europa bis Asien. Grenzenlos und ohne eine Institution, die diesen Markt überhaupt kontrollieren könnte.