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Gesellschaft für Verantwortungseigentum
Neue Rechtsform für Unternehmen gefordert

GmbH oder AG reichen ihnen nicht mehr aus: Unternehmer und Wirtschaftsexperten wollen mit ihrem Vorschlag einer "Gesellschaft für Verantwortungseigentum" unter anderem sicherstellen, dass sich Nachfolger an Firmenziele halten und Unternehmen im Sinne der Gründer weitergeführt werden.

Von Birgid Becker | 05.10.2020
Blick in ein Besprechungszimmer eines Unternehmens. Keiner der Stühle ist besetzt - der Raum ist leer.
Einige Unternehmer und Wirtschaftsexperten wollen mit einer neuen Rechtsform für Unternehmen sicherstellen, dass Firmen im Sinne der Gründer weitergeführt werden (imago images / Shotshop)
Mehr als 500 Unternehmer und 100 Wirtschaftsexperten fordern eine neue Rechtsform für Unternehmen. Die neue Rechtsform soll den Titel "Gesellschaft in Verantwortungseigentum" tragen.

Was ist mit "Gesellschaft für Verantwortungseigentum" gemeint?

Im Kern geht es darum, dass Unternehmer sicherstellen wollen, dass Firmen in ihrem Sinne, im Sinne der Gründer, weitergeführt werden, dass sich Nachfolger an Firmenziele halten. Und das ist schon einiges. Immerhin wird dann darauf verzichtet, ein Unternehmen im ganz klassischen Sinn als Eigentum zu haben. Ganz praktisch kann das zum Beispiel auch heißen, dass Gewinne an Eigentümer oder Gesellschafter nicht mehr ausgezahlt werden dürfen oder nicht mehr aus dem Unternehmen abfließen dürfen. Die müssen dann fest im Unternehmen bleiben.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist einer der Wissenschaftler, die diese "Gesellschaft in Verantwortungseigentum" - kurz VE-Gesellschaft - vorantreiben wollen. Wichtiger Punkt ist dabei auch die Firmennachfolge, die leichter als bisher auch außerhalb der Familie möglich sein soll, auch steuerlich einfacher. Der Gedanke: Es wird ja nicht Eigentum im herkömmlichen Sinn weitergegeben, sondern nur unternehmerische Verantwortung.
Warum sich nun gerade Start-ups für diese VE-Gesellschaft interessieren, erklärt Fratzscher so: "Unternehmen zu gründen, ist eigentlich für alle Menschen eine Herzensangelegenheit. Und da ist es völlig natürlich zu denken, ich möchte, dass das, was ich beruflich tue, einen gesellschaftlichen Wert hat. Ich mache das nicht nur des Geldes wegen. Und das Konzept des "Verantwortungeigentums" sagt: Als Eigentümer eines Unternehmens, ob ich das jetzt gegründet habe und übernommen habe, darf ich das an andere Menschen weitergeben unter der Vorgabe, dass diese Menschen das Unternehmen weiterführen und eben nicht Kapital daraus abziehen, also Vermögen daraus abziehen, um sich persönlich zu bereichern."
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Was ist der Unterschied zu einer Stiftung?

Die Idee ist nicht völlig neu: Auch bei Unternehmen, die als Stiftung geführt werden, geht es darum, die nachfolgende Generation an Ideen des Firmengründers zu binden oder auch zu verhindern, dass Geld aus dem Unternehmen abfließt. Stiftungsgeführte Unternehmen sind beispielsweise Automobilzulieferer wie Mahler oder ZF Friedrichshafen. Auch bei Bosch steht eine Stiftung an der Spitze, sogar eine komplizierte Doppelkonstruktion, in der zum Beispiel der Aufsichtsratsvorsitzende zwar Stimmrechte am Unternehmen hat, aber keinen Zugriff auf die Gewinne. DIW-Chef Fratzscher betont aber: "Das ist rechtlich wahnsinnig komplex und schwierig. Das können viele mittelständische Familienunternehmen gar nicht umsetzen."
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Wer äußert sich positiv und welche Kritik gibt es?

Das SPD-geführt Bundesjustizministerium ist der Idee nicht abgeneigt. Große Sympathien gibt es auch bei den Grünen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, er wolle sich nicht in den Weg stellen. Der Verband der Familienunternehmen hält die neue Unternehmensform für unnötig.
Was an dem Vorschlag besonders irritiere, sei die Tatsache, dass ein Vehikel geschaffen werden solle, das Kapital auf ewig einsperre, sagt Joachim Hennrichs, Inhaber des Lehrstuhls für bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht an der Universität Köln. Was nicht verhindert werden könne und nach dem Entwurf auch nicht verhindert werden solle, seien Ausschüttungen aus dem Fremdkapital. Das heißt: Über entsprechende Gestaltungen - seien es Gesellschafterdarlehen, Mietpachtverhältnisse oder Lizenzvereinbarungen, könne doch Kapital "ausgesaugt werden". Nur das Eigenkapital solle dem Lock-in unterliegen. Neben handwerklichen Schwächen habe das Ganze zudem Steuerlücken, die er nicht nachvollziehen könne, so Hennrichs. So sehe der Entwurf vor, dass die Unternehmen nur einen Steuersatz von 15 Prozent zahlen, weil das Eigenkapital im Unternehmen verbleibe. Das sei ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Firmen, die weit mehr Steuern entrichten müssten, so Hennrichs. Auch wenn er den Motiven der Befürworter der neuen Gesellschaftsform einiges abgewinnen könne, sollte man nach Meinung des Steuerrechtlers eher über Nachbesserungen an den bestehenden Gesellschaftsformen nachdenken.