Ab kommender Woche sind wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland Schulen und Kitas wochenlang geschlossen. Dann wird in Haushalten, in denen kleine und schulpflichtige Kinder leben, erst mal nichts mehr normal sein. Denn auch dort, wo größere Kinder vielleicht kein Betreuungsproblem mehr machen, werden die kommenden Wochen wahrscheinlich zum sozialen Experimentierfeld. Denn anders als in den Sommerferien gibt es ja keine Reise, kein Shopping, kein Treffen mit Freunden.
Der Umgang mit Angst und Furcht sind die Spezialthemen von Risikoforscher Ortwin Renn. Er ist wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. Er sieht die nächsten Wochen für viele als Chance zur Entschleunigung und darauf, dass man sich auf sich selber besinnt. Natürlich bleibe die Bedrohung bestehen. "Dennoch, insgesamt gesehen: Etwas mehr Ruhe, etwas mehr Muße, etwas mehr Zurückhaltung tut uns allen gut."
Die drei Angsttypen der Forschung
Was macht Angst vor dem Unbekannten mit den Menschen? In der Risikoforschung werde zwischen drei Verhaltensvarianten unterschieden, erklärt Renn. Es gebe den Typen des Todstellens, Einfrierens. "Dann ignoriert man einfach die Gefahr und tut so, als ob sie gar nicht bestehen würde." Zweitens gebe es den Fluchttypen, also Menschen, die sich einigeln, die jeden Kontakt mit anderen vermeiden. Und drittens die Kampftypen, die versuchen, sich gegen diese Bedrohung aktiv zu wenden. "Beispielsweise, indem sie Hamsterkäufe machen oder sogar das Extreme, was wir gerade in Brandenburg erleben, dass man Atemmasken aus dem Krankenhaus stiehlt."
Ob man eher Kampf- oder Fluchttyp ist, sei zum einen angeboren, also genetisch bedingt, aber auch durch Erziehung und Erfahrung mitbestimmt. Vieles sei ist aber auch situationsbestimmt: Als Autofahrer sei man eher Kampftypen, als Fußgänger ein Fluchttyp.
Schnelle Hilfe der Politik führt zur Beruhigung
Die schnellem Maßnahmen der Politik, um die Situation zu steuern - wie erweitertes Kurzarbeitergeld, Paket an wirtschaftlichen Hilfen - seien richtig und kämen bei der Bevölkerung gut an und tragen damit zur Besonnenheit bei, findet Renn. "Laut Umfragen sind 80 Prozent der Menschen besonnen und neigen nicht zur Panik. Insgesamt gesehen halte ich die Reaktion gerade aus Deutschland für relativ besonnen." Die panischen Reaktionen seien weniger ausgeprägt, als man es vermuten könnte. Allerdings, so warnt Renne: "Nicht nur der Virus ist ansteckend, sondern auch die Furcht. Also Panik ist auch ansteckend."
Der offizielle Rat, sich sozial zu vereinzeln, bewirke eine gewisse Solidarität, so Renn: Man hilft den Menschen, die älter oder in Quarantäne sind. "Aber man erlebt auch das Gegenteil. Etwa bei Hygienemitteln, als die schwer zu bekommen waren. Beide Verhaltensweisen sind zu beobachten." Zum Ende einer lange andauernden Pandemie könnten sich allerdings alte Routinen des egoistischen Verhaltens durch neue Routinen ersetzen lassen. "Man merkt: damit kann man eigentlich besser leben, auch freundlicher und auch insgesamt sorgsam miteinander leben. Dann kann es durchaus sein, dass sich das auch durchsetzt."