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"Gesetze können auch wieder rückgängig gemacht werden"

Die Mehrheit der Deutschen will den Atomausstieg und eine Energiewende - manche haben aber auch gemischte Gefühle – mit Blick auf die Chancen, die Risiken und die Kosten des Ganzen.

Interview mit Günter Hetzke, DLF-Wirtschaftsredaktion | 30.06.2011
    Im Studio Günter Hetzke aus der Wirtschaftsredaktion. Sicher ist: der Strompreis wird steigen durch Atomausstieg und Energiewende hin zu den Erneuerbaren. Wie teuer wird's für den Verbraucher? Was kostet die Kilowattstunde jetzt im Schnitt, was kostet sie in Zukunft?

    Was die Kosten für die Verbraucher betrifft, dazu lässt sich gar keine seriöse Aussage treffen. Es gibt viele Gutachten und Berechnungen, die ganz unterschiedlich ausfallen. Die Spanne reicht von höchstens einem halben Cent pro Kilowattstunde bis mehr als vier Cent. Die Differenz ist also sehr groß. Und selbst die Bundesregierung räumt ja ein, dass eine genaue Bezifferung der Kosten nicht möglich ist.

    Was wir derzeit wissen, weil die Zahlen dazu öffentlich einsehbar sind, ist die Entwicklung des Strompreises an der Strombörse, nachdem die sieben ältesten Atomkraftwerke stillgelegt worden sind. Die Strombörse ist der Ort, an dem Strom gehandelt wird, also sich der Strompreis bildet und dann zu diesem Preis von den Energieversorgungsunternehmen eingekauft wird. Hier können wir sehen, dass die Kilowattstunde Strom für die Energieversorger zurzeit zwischen 7 und 8 Cent kostet und das ist ein Anstieg von unter 0,5 Prozent – seit der Stilllegung.

    Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden: Die großen Energiekonzerne erzielen ja stetig Einnahmen von den Verbrauchern durch die Stromrechnung. Und dieses Geld ist ja eben nicht nur dafür da, den Aktionären eine Dividende zu zahlen, sondern auch für Investitionen, also für den Bau neuer Kraftwerke zum Beispiel. Geld für Investitionen ist da.

    Und das sei noch hinzugefügt, Herr Geers. Die reinen Stromkosten für die Verbraucher sind das eine. Die Kosten für den Steuerzahler aber, und das sind ja letztendlich auch wieder wir Verbraucher, die könnten ganz anders ausfallen und erheblich steigen.

    Was droht denn da?

    Nun ja, man muss abwarten, wie wasserdicht das Gesetz ist – und auch da gehen die Meinungen sehr stark auseinander, also wie stichhaltig ist die Begründung für den Atomausstieg. Da folgen Klagen der Energiekonzerne. Denn: Es handelt sich im Grunde um eine Enteignung von Vermögen der Energieversorger. Es wird einer Technik der Hahn abgedreht, die – das muss man ganz klar sagen - weltweit etabliert ist und angewandt wird. Und wenn die Bundesregierung sagt, wir wollen das nicht mehr, dann müssen die Gründe vor Gericht standhalten. Ansonsten werden sich die Konzerne den entstandenen Schaden vom Staat zurückholen. Und das wird teuer.

    Viel Dinge sind zu ändern – picken wir uns zwei Aspekte raus – Stichwort Netzausbau – es heißt: 4500 km neue Überlandleitungen müssen gebaut werden – könnte man auch mit weniger auskommen, wenn zum Beispiel in Süddeutschland mehr Windkraftturbinen installiert würden?

    Ein paar Kilometer weniger Installationen – ja mag sein. Tatsache ist: Es bleibt dabei, dass das Stromnetz ausgebaut werden muss, denn die Leitungen sind oft alt. Sie sind nicht geeignet, die Leistung aus Windkraftwerken zu transportieren. Sie werden warm, sie biegen sich und man muss die Leistung drosseln. Deshalb stehen ja oft Windräder still, obwohl ein starker Wind weht. Und Drosselung wollen wir ja nun gerade nicht. Deshalb werden neue Hochleistungsleitungen gebraucht und das auf breiter Fläche, also, um bei ihrem Beispiel zu bleiben dann eben vom Süden in die Mitte der Republik und nicht nur vom Norden. Die Einsparung an neuen Trassen ist da, aber gering.

    Die Bundesregierung sagt: Erneuerbare Energien werden massiv ausgebaut, der Anteil soll verdoppelt werden von jetzt 17 auf 35 Prozent in 2020 – aber die Ökostromerzeuger kritisieren die Gesetze dennoch – warum und zu Recht?

    Die Ökostromerzeuger haben unter anderem Angst, weil sie befürchten, dass sie nicht so recht zum Zuge kommen. Die Investitionen, die jetzt fällig werden, sind arg teuer, dafür braucht man viel Kapital und entsprechende Sicherheiten für die Geldgeber. Und die Errichtung eines Windparks auf dem offenen Meer ist kostspielig. Diese Investitionen können am ehesten natürlich wieder die großen Energiekonzerne stemmen, denn die haben Geld und bekommen auch Kredite von den Banken. Hier liegt also die Sorge in der Luft, dass wieder die Großen das Geschäft machen, dass die Monopolstruktur erhalten bleibt, in dem nur ein Baustein – Atom - gegen einen anderen -Erneuerbare Energien - ausgetauscht wird. Und die Befürchtung teile ich.

    Der Atomausstieg ist das Symbol für die Energiewende – wie ist Ihre Prognose: Bleibt es diesmal dabei?

    Ich bin und bleibe skeptisch. Es ist ein Gesetz. Und Gesetze können auch wieder rückgängig gemacht werden. Sollte die Stimmung in der Bevölkerung in drei, vier Jahren kippen, sei es, weil wir plötzlich mit Stromausfällen in heißen Sommern oder kalten Wintern konfrontiert werden, sei es, weil die Preise explodieren, um nur mal ganz einfache Beispiele zu nennen - ich kann mir gut vorstellen, dass über die Restlaufzeit der verbleibenden Atomkraftwerke dann noch einmal neu verhandelt werden könnte, also dem Schritt nach vorne durchaus auch noch mal ein Schritt nach hinten folgt.

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