Weitere Höhepunkte der Jordanien-Schau: Das früheste bekannte Fresko der Welt aus der Steinzeitsiedlung Ba'ja; eine über 6000 Jahre alte Kupferschmiede samt vollständig erhaltener Produktionskette; oder zwei Prunkstücke aus dem so genannten Großen Tempel in Petra aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, ein Elefantenkapitell und eine gerade erst restaurierte Stuckdecke. Sie belegen deutlich, was die Ausstellung im Ganzen zeigen will: Dass die Region als "Drehscheibe der Kulturen" gesehen werden muss, als Durchgangsstation, Transitland oder Kontaktzone. Beispiel Petra: Die Nabatäer, die im 4. Jahrhundert vor Christus noch nomadisierende Araber und durch Weihrauchhandel und die Kenntnis der unzugänglichen Wasserstellen an den Karawanenstraßen zu Geld gekommen waren, machten im 2. Jahrhundert vor Christus die berühmte Wüstenstadt zu ihrem Stammsitz. Hellenistische Importe entsprachen dem neuen Repräsentations-Bedürfnis der nabatäischen Oberklasse. Man übernahm aber nur eine Bildsprache, nicht die ganze Kultur. Tempelfriese zeigen Zeus, Helios oder Dionysos, auch wenn die alten semitischen Götter gemeint waren. Zwei monumentale Kamelreliefs belegen demgegenüber "östliche" Einflüsse.
Doch die Vielfalt und Eigenständigkeit des Landes am Kreuzungspunkt von ägyptischer und mesopotamischer Kultur zeigt sich am genauesten in den "Gesichtern des Orients". Sie blicken eulenaugig auf Steinen oder mondgesichtig auf einem Keramik-Sarkophag, der Handelsbeziehungen zwischen Ammon und Phönikien schon in der Eisenzeit belegt. Sie tragen, als doppelgesichtiger Frauenkopf aus dem siebten vorchristlichen Jahrhundert, den Kopfschmuck einer Ägypterin oder geben sich hellenisch als Terrakottafigur mit gelocktem Rauschebart. Sie dokumentieren frühe Fernbeziehungen zu anderen Völkern und traditionelle Kulte, oder, in Form von Ritzzeichnungen auf Stein, sogar den Alltag in der Wüste:
Das sind die Graffiti, Inschriften, die in der Wüste gefunden wurden. Das Interessante daran ist, dass da das Leben der Beduinen dargestellt ist, das war auch eine Art der Verständigung in der Wüste. Ein besonders schönes Exemplar ist das Graffiti einer Flötenspielerin, vor der ein tanzender Mann sich bewegt.
Die Konzentration auf das menschliche Antlitz ist ein glücklicher Schachzug, auch, weil sie den Besucher nicht wie in einer gewöhnlich überladenen Ton-Steine-Scherben-Schau überfordert. Daneben wird unaufdringlich auf die Ausgrabungsgeschichte verwiesen, der in Jordanien nicht der Ruch der Grabräuberei anhaftet. Mit einem vielleicht sogar historisch begründeten Sinn für das Machbare setzte das haschemitische Königreich auch in den letzten Jahrzehnten auf die Hilfe von ausländischen Experten. Denn im Land selbst hat man tatsächlich andere Probleme. Die Bevölkerung wuchs seit den 60er Jahren um das Zehnfache, vor allem auch durch die Aufnahme der aus Israel vertriebenen palästinensischen Araber. Wassermanagement, von den Vorfahren in Petra durch in den Fels gehauene Ablaufrinnen klug gelöst, ist heute noch eine der wichtigsten Aufgaben im Land. Kuratorin Beate Salje:
Es gibt interessante Parallelen, zum Beispiel, dass die frühen Großsiedlungen zugrunde gingen, lag daran, dass es eine Überbevölkerung gab, die nicht mehr ernährt werden konnte. Und gerade auch die Problematik der Wasserknappheit zieht sich durch alle Zeiten. Was heute als Problem dazu kommt, ist die Tatsache, dass das vorhandene Wasser schon weit im Vorfeld reguliert wird.
Für den Erhalt der Anlagen in Petra wurden auch Beduinen zu Restaurierungs-Technikern ausgebildet. Denn der Blick in die Geschichte soll nicht nur den Touristen zugute kommen. Das Großprojekt eines neuen Nationalmuseums in Amman, das noch in diesem Jahr begonnen und 2007 eröffnet werden soll, dient deshalb nur vordergründig als Ersatz für einzelne weit verstreute archäologische Stätten und ein winziges Museum in der Hauptstadt. Es soll die historischen Grundlagen einer künftigen nationalen Identität zur Schau stellen. "Nationbuilding durch Kultur", ein hoffnungsvolles Projekt in einer lange politisch zerrissenen Region. Die weißen Aliens aus Ain Ghazal werden auch dorthin in friedlicher Absicht reisen; vorher sollte man sie aber in Berlin gesehen haben.