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Gesichtskontrolle

Desmond Llewelyn, als "Q" der fiktive Waffenmeister des englischen Geheimdienstes, kannte die Methode schon: Gesichtserkennung oder Fotofahndung, bei der ein Rechner fotografierte oder gefilmte Gesichter mit den abgespeicherten Gesichtern einer Datenbank vergleicht, um so die Identität des Bösen zu ermitteln. Ganz so perfekt funktioniert die Technik in der täglichen Polizeiarbeit zwar noch nicht, das Niveau ist mittlerweile aber erstaunlich gut.

Von Mirko Smiljanic | 28.01.2007
    Mainz Hauptbahnhof, Mitte Januar 2007, 11 Uhr 30. Ein geschäftiger Vormittag.

    78 Fernzüge fahren Mainz täglich an, 440 Züge im Nahverkehr, 55.000 Reisende kommen oder gehen. Kein großer Bahnhof, aber auch kein kleiner. Und doch gibt es eine Besonderheit, die Mainz bundesweit hervorhebt: Die Stadt hat seit vier Monaten der best überwachten Bahnhof Deutschlands.

    Das Bundeskriminalamt testet im Rahmen des Feldversuchs "Foto-Fahndung" mit 200 Freiwilligen ein neues Überwachungssystem. Mehr Männer als Frauen nehmen an dem Versuch teil, eher Jüngere als Ältere, fast alle sind Pendler, die möglichst täglich die Rolltreppe vom Bahnsteig Richtung Ausgang nehmen – und dabei von sieben gut sichtbaren Videokameras gefilmt werden.

    "Das ist für die Gesichtserkennung ein vollautomatisches Videoüberwachungssystem, um quasi jeden per Gesichtserkennung zu erkennen, um quasi zu kontrollieren.

    "Wir befinden uns jetzt im Grunde genommen am Beginn des überwachten Bereiches der Rolltreppe, und direkt am Beginn der Rolltreppe ist auch entsprechend ein Empfänger installiert, die Versuchspersonen sind mit Transpondern ausgestattet, die sehen so aus,…"

    Andrew Pretzel, Leiter des Projektes "Foto-Fahndung” im Bundeskriminalamt, hält einen in blauem Kunststoff eingeschweißten Funkchip in die Höhe.

    "… dieses Transpondersignal wird hier von der Antenne aufgefangen, es ist eine Nummer, die übertragen wird, Datum, Uhrzeit, mehr nicht. Dann sind die Leute auf der Rolltreppe, unten hängt dann ein weiterer Empfänger, so wie er auch hierzu sehen ist. Die Zeit auf der Rolltreppe ist normalerweise so 20 Sekunden, dann habe ich unten wieder die gleiche Nummer, die übertragen wird, und dann kann ich sehen, in dieser Zeit hätte eine bestimmte Person 007 auf der Rolltreppe sein müssen und hätte müssen vom Gesichtserkennungssystem erkannt werden, und so habe ich einfach ein sicheres Referenzsystem, um die Güte der Gesichtserkennung im Nachhinein beurteilen zu können."

    Im Kern geht es um die Frage, ob sich mit der biometrischen Gesichtserkennung Personen aus Menschenströmen herausfiltern lassen, ohne dass es zu Verwechslungen mit Unbeteiligten kommt. Desmond Wilkinson Llewelyn alias Q – der Waffenmeister des britischen Geheimdienstes und Bond-Ausrüster – hatte solche Systeme sicher schon im Arsenal, leider funktionierten sie nur im Film. Rechner und Software waren bis vor kurzem für den realen Polizeieinsatz einfach zu schwach. Dabei benötigen die Kriminalisten genau genommen nur Dreierlei: Ein abgespeichertes Bild des Gesuchten; eine Software für die Mustererkennung – nichts anderes ist die Foto-Fahndung; und eine leistungsstarke Kamera.

    "Es handelt sich jeweils um hochauflösenden Digitalkameras, pro Hersteller zwei Kameras, eine Kamera pro Hersteller ist jeweils auf die Rolltreppe gerichtet und eine Kamera ist jeweils auf die Treppe gerichtet, so dass ich einfach Bilder bekommen mit entsprechend hoher Auflösung, damit man in den Gesichtern dort tatsächlich auch noch Merkmale erkennen kann,..."

    …was Menschen übrigens in Bruchteilen einer Sekunde schaffen: Ein Blick genügt und Kinder wissen, dass der Weihnachtsmann in diesem Jahr wieder Onkel Paul ist – weder Bart noch Kutte schützen ihn vor Enttarnung. Gang und Größe, Stimme und Haltung, Hände und Schuhe – vieles verrät seine Identität. Computer sind von solchen Leistungen noch weit entfernt. Allerdings holen sie immer rascher auf.

    Das Versuchslabor der L-1 Identity Solutions in Bochum. Ein langer und breiter Flur, links Konsolen mit Computern, rechts Büros hinter Glaswänden – kein Empfang. Dafür begrüßt ein digitaler Pförtner jeden Besucher. In zehn Metern Entfernung hängt ein Flachbildschirm von der Decke, darüber starrt eine Videokamera Richtung Tür. Langsam geht Hartmuth von Maltzahn auf die Kamera zu. Die Ingenieure bei L-1 Identity Solutions haben ihr den Namen Face-Finder gegeben.

    "Sie wurden durch die Kamera, ähnlich wie beim BKA-Projekt am Mainzer Bahnhof, zunächst einmal aufgenommen, und das System sieht dann ein Gesicht in dem Videostrom und filtert das Gesicht zunächst einmal heraus, das passiert in sehr, sehr kurzer Zeit mehrfach, so dass auch viele Gesichter parallel, die sich auf einer Rolltreppe befinden, detektiert werden können."

    Auf dem Bildschirm erscheinen kontinuierlich 25 Fotos, die sich aber je nach Bewegung des Gastes ruckartig ändern. Mal schaut der Besucher auf den Boden, mal nach rechts, manchmal in die Kamera, viele schneiden Grimassen – wer gefilmt wird, schneidet übrigens häufig Grimassen, warum eigentlich? – andere lachen. Von der Eingangstür bis zum Monitor produziert der Face-Finder so einige hundert Bilder.

    "Das System interessiert sich nicht für unsere dicken Bäuche oder unserer Hände und Arme, sondern das interessiert sich ausschließlich für unser Gesicht, und die Software ist in der Lage, das, was man sonst noch in einem Videobild sieht, zu unterscheiden. Das Gesicht wird gefunden, das Gesicht wird dann weiterverarbeitet, um es biometrisch nutzen zu können, das heißt ich mache ein so genanntes Template aus dem Gesicht und werde dieses in eine Datenbank hineinschicken, wo andere Templates vorhanden sind und dieses neu generierte Template wird dann mit dem Datenbank verglichen."

    Templates sind Formeln oder binäre Codes, generiert aus den wichtigsten Elementen des Gesichts: Der Augenabstand spielt eine Rolle, der Abstand zwischen Nasenspitze und den Augen, man schaut sich die Wangen- und Stirnknochen an, die Augenringe und so weiter. Grundsätzlich gilt: Je mehr Knochen im Spiel sind, desto unveränderlicher sind die Gesichtsmerkmale, desto genauer fällt die Analyse aus. L-1 Identity Solutions hat dieses Verfahren weit entwickelt.

    "Unser Verfahren nennt sich hierarchisches Graphmatching, das ist ein Verfahren, wo ein elastischer Graph, im Prinzip ein Gitternetz, auf das Gesicht gelegt wird. Man kann sich das so vorstellen von Unterseite Kinn bis Anfang Haarschopf. Es werden nicht die Abstände zwischen Augen, Nase und Mund usw. berechnet, sondern es werden letztlich so etwa zweieinhalb Tausend einzelne Punkte berechnet und in dem gerade angesprochenen Bereich analysiert. Und aus diesen analysierten Proben gibt es den mathematischen Wert, dieses Template, und das wird in der Datenbank abgelegt."

    Hartmuth von Maltzahn sucht in den Tiefen der Festplatte sein Template: Ein unscheinbares, schwarz-graues Schema des Kopfes, über den sich kreuz und quer rote Linien ziehen. Ein paar Klicks und dann erscheint es vergrößert auf dem Bildschirm. Hausverbot steht groß unter seinem Template – das junge Unternehmen L-1 Identity Solutions ist eine Ausgründung der Ruhr-Universität und residiert immer noch auf dem Campus.

    " Was ich Ihnen hier zeigen wollte, ist der so genannte elastischer Graph und die Bereiche, in denen diese Gesichtserkennungsanalyse greift. Sie sehen oben vom Haaransatz bis letztlich Unterkante Kinn, es wird also ausschließlich das Gesicht erfasst, hat man also eine Kopfbedeckung, interessiert uns das nicht, hat er kurze oder lange Haare, interessiert uns das auch nicht, es geht nur um das Gesicht. Wenn wir sagen, dass wir hier 3000 einzelne Merkmale analysieren, dann sehen Sie, dass, wenn er hier eine Bart hat, hier jetzt ungefähr 1/3 bis 1/4 des gesamten Feldes sich verändert. Und in einem Gesichtserkennungsvergleich hat das selbstverständliche Auswirkung, ich werde nicht mehr so schnell auf Platz eins der gematched oder verglichen und platziert."

    Die Software berechnet die wahrscheinliche Übereinstimmung zwischen abgespeicherten und neu berechneten Templates. Weil hundertprozentige Übereinstimmungen nur bei identischen Fotos möglich sind – was in der Praxis aber kaum vorkommt – arbeitet das System mit variabel einstellbaren Schwellwerten und bietet Trefferlisten: Das Template mit der höchsten Übereinstimmung kommt auf Platz eins, gefolgt von den weniger wahrscheinlichen. Das System funktioniert mittlerweile so gut, dass erste Anwendungen in der Praxis laufen.

    Das Spielcasino in Bad Homburg – Eine Spielbank wie aus dem Bilderbuch: Helle, hohe Räume, goldglitzernde Wände, elegante Teppichböden, Bars, auf Hochglanz gewienerte Spiegel.

    Black Jack, Spielautomaten, Poker, Roulette – die Zocker drängeln sich um die besten Plätze an den Tischen und Automaten. Einige stapeln Jetons vor sich, andere schauen betreten vor sich auf den leeren Platz. Es ist 17 Uhr nachmittags an einem grauen regnerischen Montag.

    "Ich habe mal gesagt, ich glaube nicht, dass meine Großmutter gespielt hat, ich würde aber nicht die Hand dafür ins Feuer legen. Was Sie hier sehen, ist der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. Und es ist faszinierend, was für eine Klientel hier nebeneinander steht und Spaß hat und Freude miteinander hat."

    Vor allem aber verliert sie Geld, denn eines – sagt Armin Weldner vom Spielcasino Bad Homburg – ist sicher: Die Bank gewinnt immer!

    Jeder, der sein Geld unbedingt verlieren will, ist willkommen! Oder sagen wir besser: Fast jeder. Spielsüchtige sollen möglichst draußen bleiben. Aus diesem Grund können sich Zocker sperren lassen. Weil beim klassischen Roulette Casinobesucher Ausweise vorzeigen müssen, lässt sich dort die Sperre leicht kontrollieren. Beim Automatenspiel ist das gesetzlich aber nicht erforderlich. Diese Lücke schließen Spielbanken zunehmend mit Gesichtserkennungssystemen.

    "Wir stehen hier am Ticketautomaten, an diesem Ticketautomat muss sich jeder Gast, der in das Automatenspiel will, ein Ticket ziehen."

    Casinochef Achim Weldner zieht ein Ticket und geht zur nur wenige Meter entfernten Sperre.

    " Wir gehen jetzt zur Eingangsschleuse, hier wird das Ticket in die dafür vorgesehene Vorrichtung eingeführt und in diesem Augenblicke fangen die Kameras an, das Gesicht aufzunehmen. Die Schranke öffnet sich und man kann reingehen."

    Und zwar auch dann, wenn der Face-Finder den Gast mittlerweile als gesperrten Spielsüchtigen identifiziert hat. Das passiert nicht am Eingang, sondern in einem gesonderten Raum.

    " Wenn von dem Gast eins oder mehrere Fotos gemacht werden, wird dies in einer Datenbank verglichen und das Bild wird auf unserem Terminal sichtbar gemacht. Hier zeigt er den Vergleich mit den Personen, die in dem System drinne sind mit einer Mindestgenauigkeit von 80 Prozent die Personen, die in unserem System verglichen werden, ist jemand gesperrt, wird dies mit einem akustischen Signal gezeigt."

    Rien ne va plus - Nichts geht mehr, diskret begleiten livrierte Herren den Gast durch einen Seitenausgang nach draußen. Zum Wohle der Spielbank, vor allem aber zum Wohle des abhängigen Zockers, den erfahrene Casinomitarbeiter auf den ersten Blick erkennen.

    "Das ist Nervosität, das ist Aggressivität, das stellen wir schon schnell fest."

    Zurecht: Mit 50 Euro ist dieser Automat gefüttert worden,…

    …20 Euro spuckt er wieder aus: Die Bank gewinnt immer!

    Die Programmierer von L-1 Identity Solutions sind zufrieden mit ihrem System, es funktioniert – auch wenn es mitunter skurrile Resultate produziert.

    " Wir unterscheiden nicht zwischen Männern und Frauen, unsere Gesichtserkennungstechnologie funktioniert unabhängig vom Geschlecht und von der Hautfarbe, auch von der ethnischen Gruppe letztlich, weil es sich immer auf die 4.000 oder 3.000 oder wie immer sie auch diese Systeme nutzen, Informationen einstellt. Und es führt immer wieder zu erstaunlichen Ergebnissen, wenn man sich selber mal mit einer solchen Datei vergleicht und in einer solchen kriminellen Datenbank mal sucht, dass man auf Platz drei eine Frau haben kann und auf Platz vier einen Menschen einer anderen ethnischen Gruppe. Aber die Gesichtsmerkmale sind das einzige, was den Computer interessiert, nicht aber die Hautfarbe oder das Geschlecht."

    Kappen und Brillen, aufgeblasene Backen und Bärte, Schleier oder einfach nur der Zahn der Zeit, der ein schmales, glattes Gesicht in ein fülliges und faltiges wandelt, verschlechtern die Suchresultate. In letzter Konsequenz müssen Menschen deshalb immer noch die Entscheidung treffen, ob der Berechnete auch der Gesuchte ist. Schneller funktioniert dieses Verfahren aber auf jeden Fall!

    "Deswegen ist bei Polizeianwendungen, wenn es um große kriminelle Datenbanken geht, wenn ein Polizist früher mit dem Fingerabdruck heute mehr und mehr mit der Gesichtserkennung nachschauen möchte, ob jemand in der Datenbank als bekannter Krimineller vorhanden ist, ist die Gesichtserkennung in diesem Fall ein Data-Mining-Tool. Ich mache aus einer Datenbank von 500.000 Kriminellen, indem ich dieses Bild jetzt hineinschieße und sage, bitte sortiert die Datenbank nach Ähnlichkeit, eine ganz kleine Gruppe von vielleicht 100 Bildern. Selbst mit und ohne Bart, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sich der Gesuchte unter den ersten 100 befindet. Ich habe jetzt nicht mehr den Anspruch auf Platz eins zu gehen, wie bei dem Face-Finder-System. Ich habe beim Face-Finder-System allerdings auch nicht 500.000 Fotos, sondern ich habe da ein paar Hundert Gesuchte oder ein paar Tausend Gesuchte. Die Polizei ist also in einem großen, großen Geschwindigkeitsvorteil: Früher musste sie einige Tausend Bilder manuell durchsuchen, heute kann sie sich auf einige Hundert konzentrieren, das ist der Vorteil dieses hierarchischen Graphmatchings, dieses dynamischen Verfahrens."

    Hohe Geschwindigkeit, Entlastung von Routinearbeit, wahrscheinlich auch Personalabbau – die Gesichtserkennung bietet viele Möglichkeiten. Wobei die Analyse in Datenbanken mit 500.000 Fotos übrigens nur der Anfang ist.

    "Wir sind hier im Bundesverwaltungsamt in Köln-Riehl und sind gerade auf dem Weg in unser Rechenzentrum, wo wir vielfältige Angebote hosten verschiedener Kunden (Tür wird geöffnet) unter anderem die hier interessierenden Bereiche "Ausländerzentralregister" und "Visa", die ja zum Themenbereich "Lichtbilderkennung" einen wesentlichen Beitrag leisten."

    Ulrich Maßolle ist Abteilungsleiter im Bundesverwaltungsamt Köln und zuständig für die Bereiche Innere Sicherheit, Ausländer, Spätaussiedler und Staatszugehörigkeit. Er hat uns mitgenommen ins Allerheiligste: In den Maschinenraum mit mehreren Großrechnern. Jeder Bafög-Antrag läuft hier durch, rechts steht der Kabinetts-Informations-Server, weiter hinten der Computer für alles, was Visa-Anträge betrifft.

    "Wir sind hier in Köln mit 186 deutschen Auslandsvertretungen weltweit verbunden, und jede Person, die aus einem visapflichtigen Land kommt, muss zunächst in eine deutsche Vertretung gehen und ein Visum beantragen. Dafür ist auch ein Lichtbild erforderlich und dieses Lichtbild wird uns auf elektronischem Wege zugesandt und in diesen zentralen Systemen entsprechend verarbeitet. Nach dem sie eingegangen sind, werden sie einem ersten Qualitätscheck unterzogen, das so genannte Enrolement, es geht um die Frage, ob man das Bild überhaupt verarbeiten kann, wenn nicht, wird es zurückgeschickt, ansonsten wird es verarbeitet und kommt dann in den Prozess der Visumantragsstellung. "

    Das Problem ist seit langem bekannt, hat sich aber nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 dramatisch verschärft: Wie lässt sich verhindern, dass ein und dieselbe Person mit mehreren Identitäten mehrere Einreisevisa bekommt? Zweierlei ist notwendig: Eine zentral geführte Datei aller Anträge und die Möglichkeit, Antragsteller unabhängig von Namen, Geburtsdatum und so weiter zu identifizieren. Das Mittel der Wahl heißt Gesichtserkennung. Biografische Daten lassen sich fast beliebig manipulieren, standardisierte Passfotos kaum. Liegen sie vor, sagt Stephan Göbel vom Bundesverwaltungsamt Köln, werden sie wie bei allen Verfahren der Gesichtserkennung in Tempates verwandelt.

    "Wir setzen ausschließlich auf das JPEG-Format, das ist das Format, das Sie von Ihrer Digitalkamera kennen, die Dateigröße bewegt sich zwischen 20 und 50 kB, das sind also kleine Dateien, allerdings bei der großen Datenmenge, die wir hier verarbeiten, sind es und einige Gigabyte an Daten."

    Täglich speisen Botschaften, Konsulate und Ausländerbehörden 10.000 neue Fotos in die Rechner des Bundesverwaltungsamtes ein, acht Millionen sind es zurzeit, in der Endstufe rechnet Jürgen Pampus von der Firma Cognitec in Dresden – sie hat das System installiert – mit 20 Millionen Bildern. Eine gewaltige Menge, in der Heerscharen von Beamten versinken würden, wollten sie auch nur ein Foto manuell abgleichen. Der Computer erledigt das binnen weniger Sekunden. Voraussetzung sind aber Bilder guter Qualität.

    " Wenn die Bildqualität gut ist, sprich, wenn Sie nur mit Bildern arbeiten, die dem vorgegebenen Qualitätsstandards entsprechen, kommen Sie sehr nah an die 100 Prozent heran. Das ist aber nur in sehr wenigen Fällen auch der Fall, so dass Sie bei sehr großen Datenbank mit Trefferquoten von 90 bis 95 Prozent leben müssen, was aber immer noch ein riesen Gewinn für den Anwender darstellt. "

    Die Bildqualität ist der Flaschenhals aller Gesichtserkennungssysteme! Das gilt für die Foto-Fahndung auf dem Mainzer Hauptbahnhof ebenso wie für Passfotos aus deutschen Botschaften. Ideal wären standardisierte Bilder, die in den Vertretungen selbst aufgenommen würden. Was aber aus atmosphärischen Gründen undenkbar ist: Wer besucht schon gerne ein Land, das seine Gäste wie Kriminelle auf Stühle setzt und Fahndungsfotos schießt? Die Belange der inneren Sicherheit und die der Gastfreundschaft klaffen weit auseinander! Schon aus diesem Grund hat die Gesichtserkennung immer auch eine politische Dimension. Zum Beispiel darf das Bundesverwaltungsamt die Gesichtserkennung zurzeit nur nachrangig nutzen, sinnvoll – sagt Ulrich Maßolle – wäre aber ein gleichberechtigter Einsatz.

    "Wir sind eigentlich ganz froh, dass wir zurzeit auf der gesetzlichen Basis die gesichtsbiometrische Filterfunktion als sekundäres Suchkriterien haben, aber die Technologie entwickelt sich weiter, die Erfahrungen entwickeln sich weiter, so dass es nicht vermessen ist zu sagen, wie Perspektive liegt in einem hybriden Suchverfahren, das heißt wo man phonetische, alphanumerische mit Gesicht biometrische und/oder fingerbiometrischen Verfahren kombiniert. Die Kombination verschiedener Verfahren wird sicherlich auch die Treffergenauigkeit erhöhen."

    Dramatisch erhöhen lässt sich die Treffergenauigkeit mit einem anderen Verfahren. Gleichgültig ob Videosysteme wie im Mainzer Hauptbahnhof oder Fotos benutzt werden, die Gesichtserkennung funktioniert immer nur als 2D-Verfahren. Die Zukunft aber gehört der 3D-Gesichtserkennung.

    " Wir stehen nun vor dem 3D-Gesichtserkennungsystem, das wir entwickelt haben,... "

    …sagt Alexander Nouak, Abteilungsleiter im Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung,…

    " …zunächst haben wir hier einen so genannten 3D-Scanner, der kommt aus der Vermessungstechnik und funktioniert nach dem Prinzip der Streifenprojektion, die hier am Institut entwickelt wurde, wir können es auch mal gerne ausprobieren: Sie sehen hier, wie ein Streifenmuster auf mein Gesicht projiziert wird und eine herkömmliche Kamera nimmt das Muster, das dabei entsteht, auf, und errechnet daraus ein dreidimensionales Modell meines Kopfes. "

    Ein paar Klicks mit der Maus und das dreidimensionale Bild ist gespeichert. Natürlich reicht es noch nicht für eine funktionierende Gesichtserkennung, aber es ist der Einstieg in eine Technologie, die ein grundsätzliches Problem von 2D-Systemen nicht hat.

    " Wir können anhand einer Fotografie einfach nicht sagen, hat derjenige einen großen Kopf oder ist er einfach nur nah an der Kamera? Umgekehrt, ist der Kopf einfach nur klein oder ist die aufgenommene Person einfach nur weit weg? Wir können keine wirklichen Maße heranziehen, wir können versuchen, Relationen abzubilden und die in die Wahrscheinlichkeitsrechnung mit einzubeziehen. "

    Ganz anders funktioniert die 3D-Projektion: Alle Maße des Gesichts sind bis auf den Bruchteil eines Millimeters bekannt.

    "Sie kennen sicherlich diese kleinen Souvenire, die an Flughäfen vertrieben werden, wo man in einem Plexiglaskubus das Gesicht seiner Liebsten abgebildet bekommt in 3D. Genauso funktioniert auch die Gesichtserkennung: Es wird eine Punktwolke gebildet, die die Möglichkeit bietet das Volumen zu ermitteln. Jetzt haben aber ein ganz großes Problem, dass wir auch aus dem Sandkasten kennen: Wenn wir zwei Formen vergleichen, versuchen wir sie ineinander zu stecken. Das ist eigentlich kein Problem, wir drehen sie solange bis es passt und gucken dann, war das wirklich gut oder gibt es Lücken? Wenn es Lücken gibt, wissen wir, es ist nicht die gleiche Form. Für ein Daten verarbeitendes System ist das natürlich eine wahnsinnige Herausforderung, die beiden Volumina so ineinander zu legen, dass sie passen. Das heißt, wir müssen eine Normalisierung vornehmen, und das ist die eigentliche Schwierigkeit, das Voodoo unseres Systems, diese Normalisierung vorzunehmen."

    Normalisierung heißt: Die Software benötigt einen festen Punkt. Fehlt er, erkennt das System gar nichts! Dieser eine feste Punkt ist zurzeit die Nasenspitze.

    "Was wir immer brauchen, ist die Nasenspitze, in dem Moment, dem die Nasenspitze nicht mit der höchste Teil ist, bekommen wir zumindest mit unserem System Schwierigkeiten."

    Noch ist die 3D-Gesichtserkennung weit entfernt vom praktischen Einsatz. Funktioniert sie, käme das einer Revolution gleich: Die Trefferquoten lägen durchgängig bei fast 100 Prozent. Außerdem, auch darauf ist Alexander Nouak stolz, lassen sich 3D-Systeme kaum überlisten. Bei 2D-Systemen reicht eigentlich schon ein in die Kamera gehaltenes Schwarz-Weiß-Foto.

    "Natürlich kennen wir das aus Mission Impossible, wie kennen diese Masken, die da aufgesetzt werden, nur Tatsache ist, dass meinen Augenabstand ein anderer sein wird als der ihrige, Maske in, Maske her, den Augenabstand werden wir nicht ändern können! Wenn ich eine Maske ihres Gesichts trage, wird das System sagen, ne, das ist ein anderer. Um ein 3D-Gesichtserkennungsystem zu überwinden, werde ich schon eine Büste brauchen, um die herzustellen, ist weitaus schwieriger als der Ausdruck eines Schwarz-Weiß-Fotos."

    Mainz Hauptbahnhof, in wenigen Tagen endet der Feldtest des Bundeskriminalamtes. Welches System eignet sich für die Foto-Fahndung? Welches produziert zu viele falsche Treffer? 200 Freiwillige haben sich fast täglich zu Forschungszwecken filmen lassen. Gefilmt wurden aber auch täglich 20.000 Unbeteiligte. Kein Problem, sagt das BKA, die Bilder werden sofort gelöscht, außerdem gibt es ja ohnehin an vielen Orten eine Videoüberwachung – die übrigens mit der Gesichtserkennung rein gar nichts zu tun hat! Trotzdem gibt es viele Kritiker, die den Datenschutz nachhaltig gefährdet sehen. Hartmuth von Malzahn von der L-1 Identity Solutions in Bochum schätzt das Risiko gering ein. Aber auch er weiß, dass jede Technologie missbraucht werden kann,…

    "…dann kann ich ein Gesicht speichern, länger speichern, ich kann es ablegen und sagen, heute war ich um 12 am Bahnhof und wenn dann die nächste Kamera mich um 14 Uhr am Flughafen aufnimmt, dann kann ich sicherlich daraus eine Kette machen. Da kann man nur hoffen, dass es so nicht benutzt wird. Bei Google Earth, da sehen Sie heute meine Büsche im Garten stehen und ob die blühen oder nicht, das ist die öffentlich zugängliche Version eines Satellitenbildes, jetzt können Sie Ihrer Phantasie freien Lauf lassen, was die Systeme können, für die wir keinen Zutritt und keinen Zugriff haben."

    Alexander Nouak vom Fraunhofer-Institut für graphische Datenverarbeitung.

    " Herr Schily hat noch während seiner Amtszeit versprochen, es wird keine bundesweiten Datenbanken geben. Da muss sich dann aber die Gesellschaft die Frage stellen, bundesweit gut und schön, wie sieht es aber mit lokalen Datenbanken oder regionalen Datenbanken aus? Dürfen die erstellt werden, wenn ja, welches rechtliche Rahmenwerk wird dafür gefunden? Herr Schily hat also versprochen, es wird keine bundesweiten Datenbanken geben, jetzt wird aber doch eine solche Datenbank aufgebaut, die heißt dann Anti-Terror-Datenbank. Auch das ist eine bundesweite Datenbank. Wieweit sind also die Versprechen der Regierung gültig? Können wir die Versprechen, die eine Regierung gibt, sind sie auch verbindlich für andere Regierungen? Dafür zu sorgen, das da eine einheitliche Linie gefahren wird, da ist die gesamte Gesellschaft aufgefordert, vorzugehen, wie damals bei der Volkszählung in den achtziger Jahren, deren Auswirkungen sicherlich nicht so gravierend waren, wie die, die jetzt schon möglich sind."

    Kritische Stimmen beherrschen die Diskussion. Und was sagt ein Passant auf dem Mainzer Hauptbahnhof?

    "Einerseits ist es ja so, dass wir ohnehin Videokameras in der Stadt haben. Zweitens, wenn man bedenkt, dass dies aus Sicherheitsgründen notwendig ist, um Terroristen zu erkennen, würde ich auf diesen kleinen Teil der Persönlichkeitsrechte schon etwas verzichten wollen.