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Gespaltene Universität

Die "Katholische Universität Löwen" in Belgien gibt es gleich doppelt. Die ursprüngliche Variante sitzt in der Stadt "Löwen", im nördlichen Teil Belgiens, wo flämisch gesprochen wird. Und dann gibt es noch den Ableger davon im südlichen Belgien, wo die Amtssprache Französisch ist.

Von Julia Tzschätsch |
    Die Geschichte der geteilten Universität Löwen beginnt in den 1960er-Jahren. Der Student Louis Vos studiert damals an der noch alten Uni Leuven im flämisch-sprachigen Norden. Seine flämischen Vorfahren waren jahrzehntelang von der französischsprachigen Elite des Landes unterdrückt worden. Und dafür will er sich jetzt rächen. Er macht alles, um seine französischsprachigen Kommilitonen aus der Universität zu vertreiben:

    "Wir, die flämischen Studenten, haben Vorlesungen gestürmt, in denen gerade ein französischsprachiger Professor unterrichtet hat. Wir haben richtig viel Krach gemacht und die haben sich natürlich verteidigt und im Vorlesungssaal eingeschlossen. Wir haben von außen die Tür gerammt und dann einfach den Feueralarm ausgelöst: Das heißt alle, die im Saal waren, wurden mit weißem Pulver bedeckt und mussten dann doch rauskommen."

    Kurze Zeit später kam sie dann, die Teilung der Universität: Alle Studierenden, die Französisch sprachen, mussten das flämische Leuven verlassen. Im Gegenzug bekamen sie in Wallonien, im Süden Belgiens, eine eigene, neue Uni, in einer neuen Stadt - mit Namen Louvain La Neuve.

    Innerhalb weniger Jahre war diese Retortenstadt für Studierende geschaffen. Das Studienangebot ist identisch mit dem der Ursprungsuni in Leuven: Von Theologie über Soziologie bis zu den Naturwissenschaften gibt es hier alles - allerdings nur auf Französisch.

    Heute wohnen in Louvain la Neuve 30.000 Menschen, 20.000 davon sind Studierende – und auf die ist hier auch alles ausgerichtet. Die Stadt ist im Grunde ein riesiger Campus im 70er-Jahre Stil – die Gebäude grau-braun und ziemlich hässlich. Die Wege sind nur für Fußgänger zugänglich, keine Fahrräder, keine Autos. Für Laura Buck, Psychologiestudentin im ersten Jahr war es nicht leicht, sich an das Stadtbild zu gewöhnen.

    "Ich finde hier sehr merkwürdig, dass alles so zusammengepresst ist, man wird echt faul. Außerdem ist alles so international, das hat mich sehr beeindruckt!"

    Jeder sechste Studierende kommt hier aus dem Ausland, die meisten davon kommen im Rahmen des europäischen Studienaustauschprogrammes Erasmus.

    Das Kuriose dabei: Theoretisch könnten auch Erasmusteilnehmer aus der alten Uni in Leuven darunter sein. Doch bei diesem Austausch innerhalb des eigenen Landes machen nur sehr wenige mit und wenn dann nur, weil sie den Studienortwechsel für ihr Fach unbedingt brauchen, berichtet Sophie Stoffel, die im Nebenfach Niederländisch studiert:

    "Ich habe Erasmus in den Niederlanden gemacht – aber es gibt schon Leute in meinem Studium, die für ein paar Monate nach Leuven gehen. Und abgesehen von Erasmus gibt es noch Kurse, die an beiden Unis gleichzeitig stattfinden – aber das macht im Grunde keiner, weil die Zugfahrt dahin länger als eine Stunde dauert."

    In den höheren Etagen von Louvain la Neuve zeigt man am Austausch zwischen den beiden Universitäten schon mehr Interesse. Francoise Hiraux leitet das Archiv hier und hat eine ganz eigene Methode entwickelt, um sich mit den Mitarbeitern in Leuven zu verständigen:

    "Wenn wir Meetings haben, dann spricht einfach jeder in seiner Sprache – denn den anderen zu verstehen ist einfach – seine Sprache zu sprechen dagegen nicht: Also die Flamen reden niederländisch, wir reden französisch. Das ist ein guter Weg!"

    Ein Weg, den beide Universitäten weiter beschreiten wollen. Denn auch wenn sie die Sprache trennt – die gemeinsamen katholischen Wurzeln halten sie zusammen.

    "Nehmen wir das Bild eines Baumes! Unsere gemeinsamen Wurzeln stammen aus dem Mittelalter, aus dem Jahr 1425. Viele Jahrhunderte lang sind wir zusammen gewachsen – aber dann haben sich unsere Wege einfach getrennt. Und dieses Bild hat man mittlerweile überall akzeptiert."