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Gesprächskompetenz als berufliches Desiderat

Im Beruf wird verlangt, super kompetent zu sein, je weiter man nach oben kommt. Und die Realität sieht eben so aus, dass Sprachkompetenz niemand wirklich gelernt hat, weil das in der Schule ganz anders vermittelt wird...Die Defizite sind eindeutig: wie Sprache funktioniert. Jeder denkt irgendwie: sprechen kann er von alleine, so wie atmen, die Kompetenz fehlt, und häufig auch der Wortschatz. Die meisten Leute lesen nicht mehr viel und haben daher einen geringen Wortschatz und brauchen dann in kniffligen Situationen Wörter, auf die sie nicht kommen.

    Erst langsam erkennen Unternehmer und Unternehmen, wie wichtig sprachliche Kompetenz ist. Betriebliche Abläufe hängen nämlich nicht nur von technischen Einrichtungen ab, guten Computeranlagen zum Beispiel, sondern auch davon, wie die Mitarbeiter untereinander kommunizieren. Immer wieder sind Konferenzen ineffektiv, weil sie schlecht vorbereitet sind, zu lange dauern, Mitarbeiter nicht zum Thema sprechen und das Ziel der Konferenz nur unklar formuliert wurde. Die Folge ist, dass das Ergebnis der Konferenz fehlt und die Teilnehmer auseinandergehen, ohne zu wissen, was verändert werden soll. Linguistikprofessor Michael Becker-Mrotzek, Mitorganisator der Tagung über Sprachkompetenz:

    Für uns ist es die Fähigkeit, Situationen einzuschätzen; das ist etwas, das ganz häufig in diesen Trainingsratgebern übersehen wird, da wird gesagt: tun sie das und das, wenn dieser Fall gegeben ist. Die Schwierigkeit liegt nicht darin, dass man nicht weiß, was man tun soll, die eigentliche Schwierigkeit besteht darin, zu wissen, in welcher Situation befinde ich mich. Ein zweiter wichtiger Punkt von kommunikativer Kompetenz ist sicherlich dann auch die Fähigkeit, das sprachlich umzusetzen, so zu formulieren, wie man es möchte, und da muss man ja zum Teil, wenn man das im Erwachsenenalter lernt, Routinen, die man seit der Kindheit eingeschliffen hat, ablegen und das ist oft nicht einfach.

    Ein weiteres wichtiges Tagungsthema sind die Texte der neuen Medien, man nennt sie auch Hypertexte. Sie werden häufig als multilineare Texte beschrieben, da sie sich nicht einem Thema in einer ausführlichen Textdarstellung widmen, sondern im Internet meist sehr kurze Texte mit Bildern und Links verknüpft werden. Das führe dazu , so die Meinung auch mancher Linguisten, dass sich der Leser nicht mehr mit einem Thema gründlich auseinandersetze; und das sei das neue an Hypertexten.

    Dieser Auffassung wurde auf der Tagung widersprochen. Kurze Texte, viel Bilder und Hinweise auf andere Texte finde man schon längst in Zeitungen und Zeitschriften. Insofern übernehme das Internet lediglich bekannte Gestaltungsformen und entwickle erst seinen Stil. Dennoch zeichnen sich neue Herausforderungen an den Nutzer des Internets ab. Professor Ernst Hess-Lüttich aus Bern in der Schweiz:

    Es gibt eine unendliche Menge von Datenmüll. Umberto Eco hat gesagt, dass das eine der künftigen Aufgaben sei in der Netzrecherche, dass man eben die relevanten Daten von den irrelevanten Daten zu unterscheiden lerne. Das wird eine der wesentlichen Medienkompetenzen sein, die es zu vermitteln gilt. Und das andere ist die Seriosität im Umgang mit Quellen.

    Kritikfähigkeit im Umgang mit Quellen heißt der Schlüssel. Der Nutzer der neuen Medien muss sich einen Filter schaffen, der Betrug und Täuschung von Wirklichkeit und Wahrheit trennen kann. Kritische Sprachpragmatik, also die Anwendung und Rezeption von Sprache, ist eine Schlüsselqualifikation im Umgang mit den neuen Medien. Darüber hinaus bleiben grammatische Kenntnisse unerlässlich, wenn Sprachkompetenz verbessert werden soll. Professor Peter Eisenberg:

    Einmal ist es ja nötig, wenn Sie über die Sprache sprechen, dass Sie Begriffe haben. Und diese Begriffe sind in aller Regel grammatische Begriffe. Was aber an die Sache selbst geht, ist das Folgende: Wenn Sie das Sprachverhalten von Sprechern ändern wollen, oder das Schreibverhalten, also wenn Sie die Sprachkompetenz entwickeln wollen, müssen sie an die Sprachstrukturen ran. Und die Strukturen beschreibt die Grammatik.

    Schon in der Schule muss daher mehr Wert gelegt werden auf grammatische Bildung, die Grundlage ist für Sprachkompetenz.