Seit der Konflikt zwischen der russischen Regierung und Tschetschenien eskalierte, wächst der Druck auf die Kaukasier. Der Höhepunkt waren die Anschläge auf Wohnhäuser in Moskau und anderen Städten im Sommer 99, für die - bisher unbewiesen - Tschetschenen verantwortlich gemacht wurden. Seitdem haben Kaukasier, egal welcher Herkunft, noch größere Schwierigkeiten, in Russland Wohnungen zu finden. Bis heute hält sich hartnäckig der Verdacht, dass vielleicht sogar der russische Geheimdienst selbst hinter den Attentaten steckt.
Die Tschetschenen sind heute die größte Flüchtlingsgruppe aus der Kaukasusregion. Etwa 300.000 haben nach Angaben des Diakonischen Werks ihre Heimat verlassen. Zwei Drittel von ihnen warten in Flüchtlingslagern in der Nachbarrepublik Inguschetien, teils unter erbärmlichen Verhältnissen, ohne Strom und ohne Wasser. Zahlen, wie viele Flüchtlinge aus dem Kaukasus oder aus Tschetschenien im Rest der Russischen Föderation unterwegs sind gibt es nicht, zumal sogar Russen, die im Kaukasus gelebt haben, von der russischen Armee bedroht worden sein sollen und deshalb aus der Krisenregion fliehen. Verlässliche Zahlen, die Auskunft geben könnten, wie viele Tschetschenen Russland, in dem sie diskriminiert werden, inzwischen verlassen haben, liegen nicht vor. Tschetschenen werden nämlich stets und überall - auch in Westeuropa - nach ihrer Staatsangehörigkeit erfasst. Und hier gilt: Tschetschenien ist Teil der Russischen Föderation, und nach dieser Logik sind Tschetschenen eben Russen.
Russland weigert sich, diese Menschen als Flüchtlinge anzuerkennen. Würde die Anerkennung eines Flüchtlingsproblems doch bedeuten, dass es sich beim bewaffneten Konflikt in Tschetschenien um einen Krieg handelt, nicht nur um den Kampf gegen Terroristen oder Banditen, wie es sonst offiziell in Moskau heißt. Tschetschenische Flüchtlinge gelten von Amts wegen als "Vrémenno peremeschonnyje lítza", als Menschen, die zeitweilig keinen festen Wohnsitz haben.
Diese Erfahrungen hat auch ein 50jähriger Tschetschene gemacht, der es im vergangenen Jahr geschafft hat, mit einem Touristenvisum nach Deutschland zu kommen. Zur Zeit sitzt er ohne einen geregelten Aufenthaltsstatus in einem Berliner Flüchtlingsheim. Der Mann nennt zwar seinen Namen, möchte jedoch nicht, dass der bekannt wird; er hat Angst, dass seiner Familie etwas zustößt. Denn die lebt noch in einer russischen Großstadt und wartet auf die Möglichkeit nachzukommen.
"In Russland gibt es bisher keine Perspektiven für Tschetschenen. Zu Hause sitzen, das geht vielleicht noch, aber eine Arbeit zu finden, das ist unmöglich. Frauen haben da noch eine winzige Chance, aber tschetschenische Männer keinesfalls. In Moskau und den anderen größeren russischen Städten gehen Tschetschenen nur noch mit zugenähten Jackentaschen auf die Straße. Sie haben Angst, dass ihnen sonst Patronen oder Drogen in die Taschen gesteckt werden. Solche und ähnliche Dinge passieren häufig."
Mitarbeiter von "Grazhdánskoje Sadjéjstvije", zu deutsch "Bürgerhilfe", der größten unabhängigen Flüchtlingsberatung in Moskau, berichten, fast jeder Kaukasus-Flüchtling frage sie, wie man Russland am besten verlassen kann.
Die Deutsch-Kaukasische Gesellschaft schätzt, dass in Berlin 130 Tschetschenen leben. Man kann davon ausgehen, dass das die größte tschetschenische Gruppe in der Bundesrepublik ist. Dazu kämen noch ungefähr 250 Russen, Armenier, Aserbaidschaner und vor allem Georgier, die sich als Tschetschenen ausgeben. Der Vorsitzende der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, Ekkehardt Maaß, berichtet von einem Tschetschenen, der allen ihm drohenden Gefahren zum Trotz dennoch zurück nach Russland geschickt werden soll:
"Ich habe jetzt einen Fall, wo plötzlich die Russische Botschaft gesagt hat, also wir haben jetzt die Papiere fertiggemacht, jetzt kann er wieder zurück. Der hat sich jetzt versteckt, und ist in ganz großer Angst, dass er abgeschoben wird, weil er weiß, in Russland hat er nichts Gutes zu erwarten."
Es gibt vor allem zwei Gründe dafür, dass sehr wenig Tschetschenen bis nach Westeuropa oder in die Bundesrepublik kommen. Der erste Grund ist, dass Tschetschenen einen Auslandspaß benötigen, wenn sie Russland verlassen wollen - ein Relikt aus sowjetischen Zeiten. Auslandspässe sind schwierig zu bekommen, weil es lange Wartezeiten gibt und Tschetschenen offensichtlich auch dabei benachteiligt werden. Erst wer so einen Auslandspaß hat, kann sich um ein Visum bemühen und dann als Tourist oder Geschäftsreisender Russland verlassen.
Der zweite Grund dafür, dass so wenig Tschetschenen nach Deutschland oder Westeuropa kommen, ist die restriktive Flüchtlingspolitik der EU und dabei besonders die sogenannte Drittstaatenregelung einiger EU-Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland. Die Drittstaatenregelung verpflichtet Flüchtlinge, im ersten sicheren Staat, den sie betreten, um Aufnahme zu bitten. Jemand, der auf der Flucht einen sogenannten sicheren Staat durchquert hat, wird von den Behörden dorthin zurückgeschickt. Die Bundesrepublik Deutschland ist umgeben von solchen Drittstaaten. Und das ist ein wesentlicher Grund für die sinkenden Flüchtlingszahlen hierzulande.
Die meisten Flüchtlinge bleiben, wenn sie den Landweg nehmen, in der Tschechischen Republik oder in Polen. In Polen beispielsweise hat sich die Zahl der Asylbewerber gleich nach der Einführung der Drittstaatenregelung 1995 vervierfacht. Ein Flüchtlingsheim im polnischen Lublin, knapp 100 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Die Fußböden glänzen, es riecht nach Putzmittel. Chamsád Zhamursájev zeigt sein Zimmer. Vier Betten, ein Tisch, Stühle, zwei Schränke. Den Fernseher hat er selbst gekauft: Auf jeder Etage gibt es zwei Gemeinschaftstoiletten. Auch die sind sauber, es gibt Seife und Handtücher. In der Küche kochen drei dunkelhaarige Frauen Pilmeni. Fein säuberlich aufgereiht liegen die ravioli-ähnlichen, russischen Teigtaschen auf einem weißen Plastikbrett.
Im südostpolnischen Lublin gibt es zwei Flüchtlingsheime. Dort leben zur Zeit gut 200 Menschen, die meisten sind Tschetschenen. Familien, Frauen mit Kindern, deren Väter irgendwo in Tschetschenien zurückgeblieben sind, alleinstehende Männer. In Polen werden die Flüchtlinge zentral von der Hauptstadt Warschau aus auf verschiedene Städte verteilt. Sie habe noch Kapazitäten frei, berichtet Violetta Kendshjerska, die Leiterin der beiden Wohnheime von Lublin. Und: In ihrer Stadt habe es noch keine fremdenfeindlichen Übergriffe gegeben:
"Jeder ist ein Patriot, ich mag Polen sehr gern, ich liebe Polen, und ich glaube, es gibt kein schöneres und besseres Land in der Welt. Die Flüchtlinge sollten das auch so fühlen, aber wenn eine Person aus Tschetschenien ist, dann träumt sie natürlich von Tschetschenien und sehnt sich nach Tschetschenien, und wenn eine Person aus Somalia ist, dann liebt sie Somalia und sehnt sich dort hin. Aber wir sind alle Patrioten und lieben Polen und glauben, dass es uns allen in Polen sehr gut geht. Gut ist ein Land, in dem man leben kann, in dem man sicher ist, in dem man eine Zuflucht finden kann, und das ist das, wonach die Flüchtlinge suchen."
Den Flüchtlingen geht es im ärmeren Nachbarland Polen vielleicht sogar besser als in Deutschland: Denn erst kürzlich wurde der Bundesrepublik durch ein Urteil des höchsten Britischen Gerichts attestiert, kein sicherer Drittstaat zu sein. Es ging um eine Somalierin und einen Algerier, die Großbritannien über die Bundesrepublik Deutschland erreicht hatten. Die Lordrichter urteilten, dass Großbritannien die beiden Flüchtlinge nicht nach Deutschland ausweisen darf - weil ihnen dort die Abschiebung drohe.
Trotzdem wollen die meisten der Tschetschenen aus Lublin nach Deutschland. - Zwei Frauen ergreifen das Wort. Sazíta Nikájeva hat lange braune Haare und trägt eine geblümte Bluse. Sie ist allein mit zwei Kindern nach Polen gekommen. Ihre Nachbarin, Dagmán Usmánova, zählt zu den wenigen, die mit der ganzen Familie fliehen konnten: Sie, ihr Ehemann und die drei kleinen Kinder:
"Es heißt, dass es in Deutschland besser ist. Einige der Flüchtlinge hier im Heim haben schon versucht, illegal einzureisen, sind dann aber zurückgekommen. Wer kein Geld hat, sich illegal über die Grenze bringen zu lassen, bleibt ohnehin hier. Wir sind dankbar, dass wir hier in Sicherheit sind. Es war aber Zufall, dass wir in Polen gelandet sind."
Die anderen Flüchtlinge nicken.
Viele der Tschetschenen sind nur deshalb noch nicht nach Deutschland aufgebrochen, weil sie Angst vor einem illegalen Grenzübertritt haben. Imran Gajsúmov, ein schmächtiger Mann in Schlappen und Jogginghosen, mischt sich ein:
"Wir hatten die Information, dass Bundeskanzler Schröder versprochen hat, dass Deutschland 10.000 Flüchtlinge aus Tschetschenien aufnimmt. Das war allerdings inoffiziell."
Gajsúmov hat sich deshalb vor gut einem Jahr von Lublin aus auf den Weg gemacht nach Deutschland. Die Schlepper traf er in Gubin, auf der polnischen Seite der Neiße. Dort, so erzählt er, müsse man nur an der richtigen Stelle warten und werde angesprochen.
"Das passiert gewöhnlich nachts. Du steigst ins Boot, fährst rüber, die drehen um und fahren zurück. Mir haben sie noch erklärt: Du gehst einfach hier rüber über das Flüsschen, wendest dich an die nächste Polizeistelle und bittest um Asyl, da nehmen sie dich auf. Stattdessen war ich drei Tage bei der Polizei, dann haben sie mich zurückgeschickt. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Land ja verpflichtet, dich aufzunehmen, wenn du innerhalb von 24 Stunden um Asyl bittest. Aber Deutschland hat das Gesetz wohl geändert."
Von der Regelung mit sicheren Drittstaaten habe er nicht gewusst, erzählt Gajsúmov. Seine Frau lebe in Belgien. Er habe gehofft, über die Bundesrepublik zu ihr reisen zu können:
"In Europa, und auch in Deutschland, leben Millionen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Wir sind vielleicht 10- bis 20.000. Aber ganz Europa setzt uns mit all denen gleich, die des Wohlstands wegen einreisen, um Geld zu verdienen, um frei zu sein. Wir aber sind vor Krieg geflohen. Doch die behandeln alle gleich; das ist unbegreiflich."
Ein Kontingent für Flüchtlinge aus dem Kaukasus hat es nie gegeben, wurde auch nie diskutiert. Warum eigentlich nicht? Marie Luise Beck, Ausländerbeauftragte der Bundesregierung:
"Wir haben das ja erlebt, dass die Kontingentaufnahme ein sehr vernünftiges Mittel war, als wir die Krise hatten im Kosovo und in Mazedonien, allerdings werden solche Kontingentaufnahmen immer in Absprache vor allem mit dem UNHCR getroffen, der ja in der Regel vor Ort tätig ist in solchen Krisenregionen, und es muss auch eine Abstimmung mit den anderen europäischen Ländern und den Bundesländern geben, insofern fehlt eigentlich der Impuls, jetzt über Kontingentaufnahmen in Deutschland zu sprechen."
Das liege vor allem an der unübersichtlichen Situation in der Kaukasusregion. Natürlich, so Beck weiter, habe es dramatische Übergriffe durch das russische Militär gegeben, aber es gäbe eben auch Berichte über Gräueltaten von Rebellen.
Wenn es um die Flüchtlinge aus dem Kaukasus und vor allem aus Tschetschenien geht, weicht die Bundesregierung zurück. Das Bundesinnenministerium verweist zunächst auf das Auswärtige Amt. Der Kaukasus falle in dessen Kompetenz. Das ist richtig, Flüchtlinge jedoch sind Innenpolitik. Dann seien die Länderinnenminister zuständig, erwidert eine Sprecherin. Im Auswärtigen Amt und beim derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz sorgt das für Verblüffung. Beide Stellen verweisen zurück an das für Flüchtlingsfragen übergreifend zuständige Bundesinnenministerium. Das aber war trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu einer Stellungnahme bereit.
Ekkehardt Maaß, Vorsitzender der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, meint, dass politische Rücksichtnahme hinter der Gleichgültigkeit gegenüber tschetschenischen Flüchtlingen steckt. Die Bundesregierung wolle Russland nicht brüskieren. Dennoch: Maaß spricht sich für ein Kontingent aus:
"Ich würde es begrüßen, wenn man doch stärker von Russland fordert, die unterschriebenen Verträge einzuhalten, auch das, was sie mit Eintritt in den Europarat bekräftigt haben. Die Tschetschenen haben hier keine Lobby, es gibt kaum jemand, der sich für sie einsetzt, und dadurch hat auch dann die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf."
Dass das Bundesinnenministerium sich nicht zur Frage der Tschetschenen und der Drittstaatenregelung äußern möchte, hat möglicherweise noch einen anderen Grund. Im September letzten Jahres veröffentlichte der EU-Kommissar für Justiz und Inneres, Antonio Vitorino, gemeinsam mit seiner für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zuständigen Amtskollegin Anna Diamantopoulou, eine EU-Richtlinie zur Flüchtlingspolitik. Darin geht es darum, einheitliche Mindestnormen für die Vergabe des Flüchtlingsstatus in allen EU-Mitgliedstaaten festzusetzen. Hintergrund ist der Vertrag von Amsterdam, in dem sich die EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben, bis zum Jahr 2004 zu einer gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik zu kommen.
Zur Drittstaatenregelung betont der Entwurf von Vitorino, dass es sich bei dem Drittland, in das ein Flüchtling zurückgeschickt wird, tatsächlich um einen "sicheren Drittstaat" für den jeweiligen Asylbewerber handeln muss - ungeachtet einer eventuell vorhandenen Liste solcher Staaten. Weiter heißt es wörtlich:
"Zwischen dem Asylbewerber und dem Drittland muss eine Verbindung bestehen. Ein Asylantrag sollte nicht ausschließlich mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Betreffende in einem anderen Staat um Asyl nachsuchen kann."
Mit anderen Worten: Flüchtlinge, die die Bundesrepublik über Polen erreichen, dürften nur noch dann dorthin zurückgeschickt werden, wenn sie eine - Zitat - "besondere Beziehung" zu Polen haben. Was unter dieser vagen Bezeichnung zu verstehen ist, erläutert Thomas Kaufmann von der Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland:
"Besondere Beziehungen können zum einen persönliche Beziehungen sein, zum Beispiel in diesem anderen Land sind Familienangehörige des Flüchtlings, oder er hat sich dort bereits legal vorher aufgehalten und konnte den Schutz der dortigen Behörden schon in Anspruch nehmen, oder er hat dort ein Visum bekommen."
Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Bundesinnenminister Schily, gilt auf Europäischer Ebene mittlerweile als Hardliner. Schily lehnt den Entwurf Vitorinos ab. Damit - so die Linie seiner Behörde - werde der einst mühsam gefundene sogenannte Asylkompromiss, besonders die Drittstaatenregelung, ausgehebelt. Dazu aber die Ausländerbeauftragte Marie Luise Beck:
"Ich sehe das nicht, weil so ein Richtlinienentwurf, der ja Gültigkeit haben muss für 16 europäische Länder, natürlich nicht jede nationalstaatliche Sonderheit gleich mit einbeziehen kann in der Entwurfsphase, insofern man aus Brüssel nicht erwarten konnte, dass gleich eine mit dem deutschen Gesetz wortgleiche Fassung vorgelegt werden könnte, insofern gehe ich davon aus, dass ein Kompatibelmachen dieses Entwurfs mit dem Asylkompromiss noch ansteht und im Laufe der Verhandlungen möglich ist und auch durchaus gewollt ist."
Die Gegenwehr kommt für die EU-Kommission nicht überraschend. Flüchtlingspolitik und Einwanderung seien sensible Bereiche, betont Kaufmann von der Europäischen Kommission:
"Es wird nur dann 'nen Fortschritt geben, wenn die Mitgliedstaaten aufeinander zugehen, wenn der eine oder andere Mitgliedstaat auch mal eine Position aufgibt. Es war ja bei dem letzten Gipfel in Nizza davon die Rede, dass wir von der Einstimmigkeit schon vor diesem Fünfjahrestermin, der im Vertrag von Amsterdam genannt ist, wegkommen zur qualifizierten Mehrheit, das hat sich leider nicht verwirklichen lassen, unter anderem auch, weil die deutsche Bundesregierung gesagt hat, wir wollen hier nicht von unserem Vetorecht abgehen, solange es keine einheitliche Asyl- und Einwanderungsregelung schon gibt."
Allein die Vermischung von Flüchtlingspolitik auf der einen Seite und Menschen, die in die Bundesrepublik einwandern wollen, auf der anderen, geht zu Lasten der Flüchtlinge.
Das Problem wird bis zu einer europäischen Lösung in die sicheren Drittstaaten im Osten verschoben. Über die Asylanträge der tschetschenischen Flüchtlinge, die, auf welchem Weg auch immer, dennoch in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sind, wird derzeit nicht entschieden. Die Flüchtlinge leben dadurch im rechtlichen Schwebezustand, wobei Marie Luise Beck einräumt...:
"... dass sich so ein Entscheidungsstop nicht unendlich lange rechtfertigen lässt, irgendwann muss dann die Politik auch mal Farbe bekennen und da spielen eine zentrale Rolle die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, das schwierige ist bei der Frage von tschetschenischen Schutzsuchenden die Frage, ob es innerstaatliche Alternativen gibt, wo die Menschen sich hinflüchten können, diese Frage stellt sich natürlich auch für Tschetschenien, weil es ja politisch doch mit zu Russland gehört, insofern wird die Frage, Asylgewährung ja oder nein, sicherlich schwierig sein."
Und den Flüchtlingen, die zur Zeit in Polen oder anderen Drittstaaten sitzen, bleibt nichts anderes übrig, als sich vorerst mit diesem Zustand abzufinden. Die Leiterin des Lubliner Flüchtlingsheims, Violetta Kendzhjerska, sieht darin vorerst noch kein Problem:
"Wir haben bisher noch nicht untersucht, wie viele Personen zum Beispiel Lublin aufnehmen kann. Bisher gibt es nicht so viele anerkannte Flüchtlinge in Polen, als dass wir uns Sorgen machen müssten."
Die Tschetschenen sind heute die größte Flüchtlingsgruppe aus der Kaukasusregion. Etwa 300.000 haben nach Angaben des Diakonischen Werks ihre Heimat verlassen. Zwei Drittel von ihnen warten in Flüchtlingslagern in der Nachbarrepublik Inguschetien, teils unter erbärmlichen Verhältnissen, ohne Strom und ohne Wasser. Zahlen, wie viele Flüchtlinge aus dem Kaukasus oder aus Tschetschenien im Rest der Russischen Föderation unterwegs sind gibt es nicht, zumal sogar Russen, die im Kaukasus gelebt haben, von der russischen Armee bedroht worden sein sollen und deshalb aus der Krisenregion fliehen. Verlässliche Zahlen, die Auskunft geben könnten, wie viele Tschetschenen Russland, in dem sie diskriminiert werden, inzwischen verlassen haben, liegen nicht vor. Tschetschenen werden nämlich stets und überall - auch in Westeuropa - nach ihrer Staatsangehörigkeit erfasst. Und hier gilt: Tschetschenien ist Teil der Russischen Föderation, und nach dieser Logik sind Tschetschenen eben Russen.
Russland weigert sich, diese Menschen als Flüchtlinge anzuerkennen. Würde die Anerkennung eines Flüchtlingsproblems doch bedeuten, dass es sich beim bewaffneten Konflikt in Tschetschenien um einen Krieg handelt, nicht nur um den Kampf gegen Terroristen oder Banditen, wie es sonst offiziell in Moskau heißt. Tschetschenische Flüchtlinge gelten von Amts wegen als "Vrémenno peremeschonnyje lítza", als Menschen, die zeitweilig keinen festen Wohnsitz haben.
Diese Erfahrungen hat auch ein 50jähriger Tschetschene gemacht, der es im vergangenen Jahr geschafft hat, mit einem Touristenvisum nach Deutschland zu kommen. Zur Zeit sitzt er ohne einen geregelten Aufenthaltsstatus in einem Berliner Flüchtlingsheim. Der Mann nennt zwar seinen Namen, möchte jedoch nicht, dass der bekannt wird; er hat Angst, dass seiner Familie etwas zustößt. Denn die lebt noch in einer russischen Großstadt und wartet auf die Möglichkeit nachzukommen.
"In Russland gibt es bisher keine Perspektiven für Tschetschenen. Zu Hause sitzen, das geht vielleicht noch, aber eine Arbeit zu finden, das ist unmöglich. Frauen haben da noch eine winzige Chance, aber tschetschenische Männer keinesfalls. In Moskau und den anderen größeren russischen Städten gehen Tschetschenen nur noch mit zugenähten Jackentaschen auf die Straße. Sie haben Angst, dass ihnen sonst Patronen oder Drogen in die Taschen gesteckt werden. Solche und ähnliche Dinge passieren häufig."
Mitarbeiter von "Grazhdánskoje Sadjéjstvije", zu deutsch "Bürgerhilfe", der größten unabhängigen Flüchtlingsberatung in Moskau, berichten, fast jeder Kaukasus-Flüchtling frage sie, wie man Russland am besten verlassen kann.
Die Deutsch-Kaukasische Gesellschaft schätzt, dass in Berlin 130 Tschetschenen leben. Man kann davon ausgehen, dass das die größte tschetschenische Gruppe in der Bundesrepublik ist. Dazu kämen noch ungefähr 250 Russen, Armenier, Aserbaidschaner und vor allem Georgier, die sich als Tschetschenen ausgeben. Der Vorsitzende der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, Ekkehardt Maaß, berichtet von einem Tschetschenen, der allen ihm drohenden Gefahren zum Trotz dennoch zurück nach Russland geschickt werden soll:
"Ich habe jetzt einen Fall, wo plötzlich die Russische Botschaft gesagt hat, also wir haben jetzt die Papiere fertiggemacht, jetzt kann er wieder zurück. Der hat sich jetzt versteckt, und ist in ganz großer Angst, dass er abgeschoben wird, weil er weiß, in Russland hat er nichts Gutes zu erwarten."
Es gibt vor allem zwei Gründe dafür, dass sehr wenig Tschetschenen bis nach Westeuropa oder in die Bundesrepublik kommen. Der erste Grund ist, dass Tschetschenen einen Auslandspaß benötigen, wenn sie Russland verlassen wollen - ein Relikt aus sowjetischen Zeiten. Auslandspässe sind schwierig zu bekommen, weil es lange Wartezeiten gibt und Tschetschenen offensichtlich auch dabei benachteiligt werden. Erst wer so einen Auslandspaß hat, kann sich um ein Visum bemühen und dann als Tourist oder Geschäftsreisender Russland verlassen.
Der zweite Grund dafür, dass so wenig Tschetschenen nach Deutschland oder Westeuropa kommen, ist die restriktive Flüchtlingspolitik der EU und dabei besonders die sogenannte Drittstaatenregelung einiger EU-Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland. Die Drittstaatenregelung verpflichtet Flüchtlinge, im ersten sicheren Staat, den sie betreten, um Aufnahme zu bitten. Jemand, der auf der Flucht einen sogenannten sicheren Staat durchquert hat, wird von den Behörden dorthin zurückgeschickt. Die Bundesrepublik Deutschland ist umgeben von solchen Drittstaaten. Und das ist ein wesentlicher Grund für die sinkenden Flüchtlingszahlen hierzulande.
Die meisten Flüchtlinge bleiben, wenn sie den Landweg nehmen, in der Tschechischen Republik oder in Polen. In Polen beispielsweise hat sich die Zahl der Asylbewerber gleich nach der Einführung der Drittstaatenregelung 1995 vervierfacht. Ein Flüchtlingsheim im polnischen Lublin, knapp 100 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Die Fußböden glänzen, es riecht nach Putzmittel. Chamsád Zhamursájev zeigt sein Zimmer. Vier Betten, ein Tisch, Stühle, zwei Schränke. Den Fernseher hat er selbst gekauft: Auf jeder Etage gibt es zwei Gemeinschaftstoiletten. Auch die sind sauber, es gibt Seife und Handtücher. In der Küche kochen drei dunkelhaarige Frauen Pilmeni. Fein säuberlich aufgereiht liegen die ravioli-ähnlichen, russischen Teigtaschen auf einem weißen Plastikbrett.
Im südostpolnischen Lublin gibt es zwei Flüchtlingsheime. Dort leben zur Zeit gut 200 Menschen, die meisten sind Tschetschenen. Familien, Frauen mit Kindern, deren Väter irgendwo in Tschetschenien zurückgeblieben sind, alleinstehende Männer. In Polen werden die Flüchtlinge zentral von der Hauptstadt Warschau aus auf verschiedene Städte verteilt. Sie habe noch Kapazitäten frei, berichtet Violetta Kendshjerska, die Leiterin der beiden Wohnheime von Lublin. Und: In ihrer Stadt habe es noch keine fremdenfeindlichen Übergriffe gegeben:
"Jeder ist ein Patriot, ich mag Polen sehr gern, ich liebe Polen, und ich glaube, es gibt kein schöneres und besseres Land in der Welt. Die Flüchtlinge sollten das auch so fühlen, aber wenn eine Person aus Tschetschenien ist, dann träumt sie natürlich von Tschetschenien und sehnt sich nach Tschetschenien, und wenn eine Person aus Somalia ist, dann liebt sie Somalia und sehnt sich dort hin. Aber wir sind alle Patrioten und lieben Polen und glauben, dass es uns allen in Polen sehr gut geht. Gut ist ein Land, in dem man leben kann, in dem man sicher ist, in dem man eine Zuflucht finden kann, und das ist das, wonach die Flüchtlinge suchen."
Den Flüchtlingen geht es im ärmeren Nachbarland Polen vielleicht sogar besser als in Deutschland: Denn erst kürzlich wurde der Bundesrepublik durch ein Urteil des höchsten Britischen Gerichts attestiert, kein sicherer Drittstaat zu sein. Es ging um eine Somalierin und einen Algerier, die Großbritannien über die Bundesrepublik Deutschland erreicht hatten. Die Lordrichter urteilten, dass Großbritannien die beiden Flüchtlinge nicht nach Deutschland ausweisen darf - weil ihnen dort die Abschiebung drohe.
Trotzdem wollen die meisten der Tschetschenen aus Lublin nach Deutschland. - Zwei Frauen ergreifen das Wort. Sazíta Nikájeva hat lange braune Haare und trägt eine geblümte Bluse. Sie ist allein mit zwei Kindern nach Polen gekommen. Ihre Nachbarin, Dagmán Usmánova, zählt zu den wenigen, die mit der ganzen Familie fliehen konnten: Sie, ihr Ehemann und die drei kleinen Kinder:
"Es heißt, dass es in Deutschland besser ist. Einige der Flüchtlinge hier im Heim haben schon versucht, illegal einzureisen, sind dann aber zurückgekommen. Wer kein Geld hat, sich illegal über die Grenze bringen zu lassen, bleibt ohnehin hier. Wir sind dankbar, dass wir hier in Sicherheit sind. Es war aber Zufall, dass wir in Polen gelandet sind."
Die anderen Flüchtlinge nicken.
Viele der Tschetschenen sind nur deshalb noch nicht nach Deutschland aufgebrochen, weil sie Angst vor einem illegalen Grenzübertritt haben. Imran Gajsúmov, ein schmächtiger Mann in Schlappen und Jogginghosen, mischt sich ein:
"Wir hatten die Information, dass Bundeskanzler Schröder versprochen hat, dass Deutschland 10.000 Flüchtlinge aus Tschetschenien aufnimmt. Das war allerdings inoffiziell."
Gajsúmov hat sich deshalb vor gut einem Jahr von Lublin aus auf den Weg gemacht nach Deutschland. Die Schlepper traf er in Gubin, auf der polnischen Seite der Neiße. Dort, so erzählt er, müsse man nur an der richtigen Stelle warten und werde angesprochen.
"Das passiert gewöhnlich nachts. Du steigst ins Boot, fährst rüber, die drehen um und fahren zurück. Mir haben sie noch erklärt: Du gehst einfach hier rüber über das Flüsschen, wendest dich an die nächste Polizeistelle und bittest um Asyl, da nehmen sie dich auf. Stattdessen war ich drei Tage bei der Polizei, dann haben sie mich zurückgeschickt. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Land ja verpflichtet, dich aufzunehmen, wenn du innerhalb von 24 Stunden um Asyl bittest. Aber Deutschland hat das Gesetz wohl geändert."
Von der Regelung mit sicheren Drittstaaten habe er nicht gewusst, erzählt Gajsúmov. Seine Frau lebe in Belgien. Er habe gehofft, über die Bundesrepublik zu ihr reisen zu können:
"In Europa, und auch in Deutschland, leben Millionen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Wir sind vielleicht 10- bis 20.000. Aber ganz Europa setzt uns mit all denen gleich, die des Wohlstands wegen einreisen, um Geld zu verdienen, um frei zu sein. Wir aber sind vor Krieg geflohen. Doch die behandeln alle gleich; das ist unbegreiflich."
Ein Kontingent für Flüchtlinge aus dem Kaukasus hat es nie gegeben, wurde auch nie diskutiert. Warum eigentlich nicht? Marie Luise Beck, Ausländerbeauftragte der Bundesregierung:
"Wir haben das ja erlebt, dass die Kontingentaufnahme ein sehr vernünftiges Mittel war, als wir die Krise hatten im Kosovo und in Mazedonien, allerdings werden solche Kontingentaufnahmen immer in Absprache vor allem mit dem UNHCR getroffen, der ja in der Regel vor Ort tätig ist in solchen Krisenregionen, und es muss auch eine Abstimmung mit den anderen europäischen Ländern und den Bundesländern geben, insofern fehlt eigentlich der Impuls, jetzt über Kontingentaufnahmen in Deutschland zu sprechen."
Das liege vor allem an der unübersichtlichen Situation in der Kaukasusregion. Natürlich, so Beck weiter, habe es dramatische Übergriffe durch das russische Militär gegeben, aber es gäbe eben auch Berichte über Gräueltaten von Rebellen.
Wenn es um die Flüchtlinge aus dem Kaukasus und vor allem aus Tschetschenien geht, weicht die Bundesregierung zurück. Das Bundesinnenministerium verweist zunächst auf das Auswärtige Amt. Der Kaukasus falle in dessen Kompetenz. Das ist richtig, Flüchtlinge jedoch sind Innenpolitik. Dann seien die Länderinnenminister zuständig, erwidert eine Sprecherin. Im Auswärtigen Amt und beim derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz sorgt das für Verblüffung. Beide Stellen verweisen zurück an das für Flüchtlingsfragen übergreifend zuständige Bundesinnenministerium. Das aber war trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu einer Stellungnahme bereit.
Ekkehardt Maaß, Vorsitzender der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, meint, dass politische Rücksichtnahme hinter der Gleichgültigkeit gegenüber tschetschenischen Flüchtlingen steckt. Die Bundesregierung wolle Russland nicht brüskieren. Dennoch: Maaß spricht sich für ein Kontingent aus:
"Ich würde es begrüßen, wenn man doch stärker von Russland fordert, die unterschriebenen Verträge einzuhalten, auch das, was sie mit Eintritt in den Europarat bekräftigt haben. Die Tschetschenen haben hier keine Lobby, es gibt kaum jemand, der sich für sie einsetzt, und dadurch hat auch dann die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf."
Dass das Bundesinnenministerium sich nicht zur Frage der Tschetschenen und der Drittstaatenregelung äußern möchte, hat möglicherweise noch einen anderen Grund. Im September letzten Jahres veröffentlichte der EU-Kommissar für Justiz und Inneres, Antonio Vitorino, gemeinsam mit seiner für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten zuständigen Amtskollegin Anna Diamantopoulou, eine EU-Richtlinie zur Flüchtlingspolitik. Darin geht es darum, einheitliche Mindestnormen für die Vergabe des Flüchtlingsstatus in allen EU-Mitgliedstaaten festzusetzen. Hintergrund ist der Vertrag von Amsterdam, in dem sich die EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben, bis zum Jahr 2004 zu einer gemeinsamen Asyl- und Einwanderungspolitik zu kommen.
Zur Drittstaatenregelung betont der Entwurf von Vitorino, dass es sich bei dem Drittland, in das ein Flüchtling zurückgeschickt wird, tatsächlich um einen "sicheren Drittstaat" für den jeweiligen Asylbewerber handeln muss - ungeachtet einer eventuell vorhandenen Liste solcher Staaten. Weiter heißt es wörtlich:
"Zwischen dem Asylbewerber und dem Drittland muss eine Verbindung bestehen. Ein Asylantrag sollte nicht ausschließlich mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Betreffende in einem anderen Staat um Asyl nachsuchen kann."
Mit anderen Worten: Flüchtlinge, die die Bundesrepublik über Polen erreichen, dürften nur noch dann dorthin zurückgeschickt werden, wenn sie eine - Zitat - "besondere Beziehung" zu Polen haben. Was unter dieser vagen Bezeichnung zu verstehen ist, erläutert Thomas Kaufmann von der Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland:
"Besondere Beziehungen können zum einen persönliche Beziehungen sein, zum Beispiel in diesem anderen Land sind Familienangehörige des Flüchtlings, oder er hat sich dort bereits legal vorher aufgehalten und konnte den Schutz der dortigen Behörden schon in Anspruch nehmen, oder er hat dort ein Visum bekommen."
Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Bundesinnenminister Schily, gilt auf Europäischer Ebene mittlerweile als Hardliner. Schily lehnt den Entwurf Vitorinos ab. Damit - so die Linie seiner Behörde - werde der einst mühsam gefundene sogenannte Asylkompromiss, besonders die Drittstaatenregelung, ausgehebelt. Dazu aber die Ausländerbeauftragte Marie Luise Beck:
"Ich sehe das nicht, weil so ein Richtlinienentwurf, der ja Gültigkeit haben muss für 16 europäische Länder, natürlich nicht jede nationalstaatliche Sonderheit gleich mit einbeziehen kann in der Entwurfsphase, insofern man aus Brüssel nicht erwarten konnte, dass gleich eine mit dem deutschen Gesetz wortgleiche Fassung vorgelegt werden könnte, insofern gehe ich davon aus, dass ein Kompatibelmachen dieses Entwurfs mit dem Asylkompromiss noch ansteht und im Laufe der Verhandlungen möglich ist und auch durchaus gewollt ist."
Die Gegenwehr kommt für die EU-Kommission nicht überraschend. Flüchtlingspolitik und Einwanderung seien sensible Bereiche, betont Kaufmann von der Europäischen Kommission:
"Es wird nur dann 'nen Fortschritt geben, wenn die Mitgliedstaaten aufeinander zugehen, wenn der eine oder andere Mitgliedstaat auch mal eine Position aufgibt. Es war ja bei dem letzten Gipfel in Nizza davon die Rede, dass wir von der Einstimmigkeit schon vor diesem Fünfjahrestermin, der im Vertrag von Amsterdam genannt ist, wegkommen zur qualifizierten Mehrheit, das hat sich leider nicht verwirklichen lassen, unter anderem auch, weil die deutsche Bundesregierung gesagt hat, wir wollen hier nicht von unserem Vetorecht abgehen, solange es keine einheitliche Asyl- und Einwanderungsregelung schon gibt."
Allein die Vermischung von Flüchtlingspolitik auf der einen Seite und Menschen, die in die Bundesrepublik einwandern wollen, auf der anderen, geht zu Lasten der Flüchtlinge.
Das Problem wird bis zu einer europäischen Lösung in die sicheren Drittstaaten im Osten verschoben. Über die Asylanträge der tschetschenischen Flüchtlinge, die, auf welchem Weg auch immer, dennoch in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sind, wird derzeit nicht entschieden. Die Flüchtlinge leben dadurch im rechtlichen Schwebezustand, wobei Marie Luise Beck einräumt...:
"... dass sich so ein Entscheidungsstop nicht unendlich lange rechtfertigen lässt, irgendwann muss dann die Politik auch mal Farbe bekennen und da spielen eine zentrale Rolle die Lageberichte des Auswärtigen Amtes, das schwierige ist bei der Frage von tschetschenischen Schutzsuchenden die Frage, ob es innerstaatliche Alternativen gibt, wo die Menschen sich hinflüchten können, diese Frage stellt sich natürlich auch für Tschetschenien, weil es ja politisch doch mit zu Russland gehört, insofern wird die Frage, Asylgewährung ja oder nein, sicherlich schwierig sein."
Und den Flüchtlingen, die zur Zeit in Polen oder anderen Drittstaaten sitzen, bleibt nichts anderes übrig, als sich vorerst mit diesem Zustand abzufinden. Die Leiterin des Lubliner Flüchtlingsheims, Violetta Kendzhjerska, sieht darin vorerst noch kein Problem:
"Wir haben bisher noch nicht untersucht, wie viele Personen zum Beispiel Lublin aufnehmen kann. Bisher gibt es nicht so viele anerkannte Flüchtlinge in Polen, als dass wir uns Sorgen machen müssten."