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Gesucht: Akademikerin mit Kind

Finden Frauen kinderfreundliche Arbeitsbedingungen vor, entscheiden sie sich auch leichter für Kinder. Das zeigt das Ingenieurbüro Prof. Dr. Klärle in Weikersheim. Es zählt zu den renommiertesten und erfolgreichsten Planungsbüros in Baden-Württemberg - auch und gerade weil dort ausschließlich Akademikerinnen mit Kindern arbeiten.

Von Uschi Götz |
    Der Wartebereich im Ingenieurbüro Klärle ist eher schlicht. Ein Sessel, ein Designersessel ist für den Wartenden vorgesehen. Auf dem Sessel liegt ein kleines Schwert und halb unter dem Sessel ein kleines Pferd. Aus den umliegenden Büros kommen viele Geräusche: Stimmen von links, im Zimmer gegenüber klingelt das Telefon und in einem Raum übt wohl ein kleiner Kinderchor. Plötzlich geht eine der Türen auf und Karl steht da:

    " Ich bin ein Ritter … tu mal mein Helm runter. "

    Karl ist knapp zwei und heute ein Ritter. Mehr kann er nicht erzählen, denn seine Mutter kommt: Professor Dr. Martina Klärle, die Chefin des Ingenieurbüros. Sie hat das Büro aufgebaut, mitten in Schäftersheim - einem kleinen Dorf im Taubertal. Geografisch ungefähr in der Mitte zwischen Stuttgart und Würzburg gelegen. Niemandsland, eigentlich. Von wegen, sagt Martina Klärle, die leuchtende Augen bekommt, als sie erzählt, wie sie in der Gründerzeit vor knapp 10 Jahren nach einem guten Team suchte:

    " Es hat sich dann herausgestellt, dass es wirklich viele, viele Frauen gibt, die hier qualifiziert schlummern, die studiert haben, die eingezwängt waren in ihr Korsett Familie und die oftmals auch unglücklich waren. Und die Chance habe ich fürs Büro genutzt. "

    Zu dem Team von Martina Klärle gehören nun Geoinformatikerinnen, Vermessungsingenieurinnen, eine Landschafsplanerin, eine Architektin und und sogar eine Geisteswissenschaftlerin - alle kommen aus den Dörfern um Schäftersheim.

    Das Ingenieurbüro, spezialisiert auf Kommunalplanung und Geoinformatik, zählt zu den besten im Land. Ein Kunde ist beispielsweise das baden- württembergische Landwirtschaftsministerium. Martina Klärle muss oft sagen, warum sie ausschließlich Frauen beschäftigt:

    " Ein Grund ist sicherlich: ich habe kein Problem damit, wenn die Frau sich bewirbt und hat vier Kinder; wenn die das schafft - ich schaffe es selber auch -, dann glaube ich ihr das. Das machen sicher viele männliche Kollegen nicht. Auf der anderen Seite ist es halt einfach so: Ich nehme halt nur die Besten…"

    " Also hier ist ein Gang, wo es zu den anderen Arbeitszimmern geht … "

    Christina zeigt den Weg zu den Besten, in diesem Fall handelt es sich um ihre Mama. Christinas Mutter ist Architektin und schwer beschäftigt. Am Schreibtisch gegenüber liegt auf einer Krabbeldecke der kleine Moritz. Seine Mutter- Claudine Balbach telefoniert, die Ingenieurin für Vermessung und Geoinformatik ist die Büroleiterin. Die Architektin, also Christinas Mama, kümmert sich so lange um den Kleinen. Christina erklärt derweil den Job ihrer Mutter:

    " Also, da kann man jetzt Bilder sehen, wo fotografiert sind ... die sind jetzt Im Computer rein … hingemacht worden … da kann man Häuser sehen, die umgearbeitet werden sollen. "

    Moritz schläft mittlerweile auf dem Arm der Architektin und kann zurückgelegt werden auf die Krabbeldecke. Moritz' Mutter erklärt entspannt das Procedere im Falle eines Kundenanrufs:

    " Also wenn das Telefon klingelt und er schreit gerade, dann geht die Kollegin hin und verbindet dann rüber und ich versorgen dann so lange den Kleinen oder eben die Kollegin geht gleich zum Moritz und kümmert sich um ihn und beruhigt ihn und das klappt wunderbar. "

    Acht Frauen arbeiten im Büro Klärle und zu dem Team gehören 14 Kinder. Ein paar Kinder gehen zur Schule und einige werden auch von den Großeltern mitbetreut. Auf dem Land sind die Wege noch kurz. Wann immer es Lücken gibt, können die Kinder in das Büro kommen. Vor allem die ganz Kleinen sind fast immer da und dennoch gibt es keine Erzieherin, die sich um sie kümmert. Die Frauen regeln die Betreuung untereinander.

    "Also, wir gehen damit progressiv um, also richtig Flucht nach vorne; wir wissen natürlich auch, es gibt so ein paar Pappenheimer, wenn wir mit denen telefonieren, machen wir die Tür zu und dann kümmert sich jemand darum, dass das Kind nicht so schreit... Aber grundsätzlich gehe ich es progressiv an und sage: Wir stehen dazu, wir arbeiten hier sehr gut, wir sind das einzige Planungsbüro In der Größenordung, das eben so in anderen Regionen plant. Das hat was für sich, wir machen gute Arbeit und dann dürfen wir auch auf der anderen Seite richtig pflegen und sagen, wir nehmen unsere Kinder mit, wir haben da kein Problem damit. "

    Das Problem, sagt Martina Klärle, seien manchmal die Männer. Zwar rede keiner richtig darüber, aber sie spüre doch oft die Vorbehalte:
    " Mir ist ganz bewusst, dass wir in unserer, ich sag mal so überspitzt Männer dominierten Gesellschaft, dass das für viele ein Problem ist und ich kann mir schon vorstellen, dass der eine oder andere sagt: Was ist das für ein Arbeitsverhältnis, für ein Arbeitsklima, wenn da hinten dran die Kinder schreien, das kann doch nichts Gescheites sein. "

    Sie möchten ihre Kinder selber trösten, wenn sie gefallen sind, erklären die Frauen und sie möchten dabei sein, wenn die Kleinen ihre ersten Schritte machen. Aber sie möchten auch arbeiten in ihren Berufen und ihren Kindern zeigen, was sie, ihre Mütter, können:

    " Es ist keine Karriere wert auf ein Kind zu verzichten, und es geht beides, wenn unsere Gesellschaft das will und wenn es auch die Männer wollen, also wenn auch das Pendant das auch möchte. Ich bin froh und glücklich, dass ich einen dieser Männer habe und davon gibt es mehrere, aber die trauen sich irgendwie kaum raus. "