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Gesundes Maß

Ernährung. - Ein gewisses Maß an Fasten ist nachweislich gesund, zumindest bei Rhesusaffen. Wissenschaftler stellten jetzt in "Science" die Ergebnisse eines 20-jährigen Vergleichstests vor.

Von Volker Mrasek |
    Keiner der Rhesusaffen aus der Versuchsgruppe musste darben. Alle bekamen sie gesunde Kost: arm an Fett, reich an Eiweiß und mit den nötigen Vitaminen und Mineralstoffen. Doch es gab einen entscheidenden Unterschied: Ein Teil der Affen bekam tagtäglich nur eine begrenzte Menge Futter. Die Tiere der Kontrollgruppe dagegen durften sich den Bauch vollschlagen, wann immer sie wollten. Dadurch nahmen sie all die Jahre 30 Prozent mehr Kalorien zu sich als ihre Artgenossen auf Diät. Nach 20-jähriger Studiendauer zeigt sich nun: Die lebenslange Völlerei rächt sich im Alter. In der Kontrollgruppe ist inzwischen jeder zweite Rhesusaffe gestorben, in der Diät-Gruppe nur jeder fünfte. Weniger Kalorien führen auch zu weniger Krankheiten, wie sie im Alter typisch sind. Richard Weindruch, Professor für Medizin an der Universität von Wisconsin in Madison in den USA:

    "Die Krankheiten, die im Alter auftreten, sind ähnlich wie beim Menschen. Wir finden bei unseren Rhesusaffen verschiedene Krebsarten, Herzerkrankungen und - vor allem - Probleme mit der Zucker-Regulation, die später zum Alters-Diabetes führen können. Da haben wir einige Fälle in der Kontrollgruppe, aber keinen einzigen in der Diät-Gruppe. Insgesamt ist bei den Affen mit der niedrigen Kalorien-Aufnahme das Risiko für typische Erkrankungen im Alter dreimal geringer."

    Weindruch und seine Kollegen berichten von weiteren positiven Effekten. Die Affen mit der kalorienarmen Diät seien vermutlich auch geistig fitter geblieben; ihre Gehirnmasse habe nicht so stark abgenommen, wie es sonst im Alter typisch sei. Das Gleiche konnten die US-Forscher schon früher für die Muskelmasse der Tiere zeigen. Daher verwundert es auch nicht, wie die kalorienarm aufgezogenen Rhesusaffen auf Fotos in der neuen Ausgabe von "Science" aussehen: viel jünger und viel vitaler als ihre völlenden Artgenossen, die offensichtlich schneller gealtert sind. Doch verhält es sich beim Menschen genauso? Die Biologin Ricki Colman vom Primaten-Forschungszentrum an der Universität von Wisconsin:

    "Affen sind nahe Verwandte von uns. Wir teilen mit ihnen ungefähr 93 Prozent unserer Gene. Insofern helfen uns die Rhesusaffen auch dabei zu verstehen, was beim Menschen passiert."

    Richard Weindruch verweist auf eine andere, aufschlussreiche Studie von Kollegen in den USA:

    "Ich gehe davon aus, dass das, was wir bei den Rhesusaffen beobachtet haben, ganz genauso beim Menschen ablaufen würde. Es gibt Daten, die diese Vermutung stützen - von einzelnen Personen, die sich fünf oder zehn Jahre lang kalorienarm ernährten und dabei von Forschern untersucht wurden. In den Studien zeigte sich, dass die Probanden ein gesünderes Herz-Kreislauf-System hatten als Leute, die sich normal ernähren."

    Wollte man wirklich Gewissheit, ob eine kalorienarme Kost auch das Leben des Menschen verlängert und verbreitete Zivilisationskrankheiten aufschiebt oder sogar ganz verhindert, dann müsste man allerdings einen enormen Aufwand betreiben. Noch einmal Ricki Colman:

    "Wir haben jetzt 20 Jahre lang mit Rhesusaffen gearbeitet. Menschen werden aber dreimal so alt wie diese Tiere. Das heißt: Bei ihnen müsste man eine solche Studie über 60 Jahre laufen lassen. Ich glaube kaum, dass man so etwas machen wird."

    Vielleicht würde es auch gar nichts nützen. Denn man weiß ja, wie schwer es Menschen in den reichen Ländern fällt, ihren Appetit zu zügeln. Selbst Studienautor Richard Weindruch ist da keine Ausnahme:

    "Ich habe es nicht geschafft, eine kalorienarme Diät einzuhalten, obwohl ich schon seit 34 Jahren darüber forsche."