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Gesundes Misstrauen schützt vor bösem Erwachen

Wie muss ein Arbeitsvertrag aussehen? Was genau gehört da rein, und was darf auf keinen Fall drin stehen? Welche Fallstricke gibt es? Mit diesen Fragen startet "Campus & Karriere" eine fünfteilige Serie zum Berufseinstieg. Martina Perreng ist Arbeitsrechtlerin beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Moderation: Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Frau Perreng, der Arbeitsvertrag regelt die Arbeitsbedingungen für beide Seiten. Was sollte in so einem Vertrag geklärt sein?

    Martina Perreng: Ja in jedem Fall sollte eine Vereinbarung darüber getroffen werden, in welchem Umfang die Arbeitsleistung geschuldet wird. Das heißt, ob ich verpflichtet bin, 38 Stunden in der Woche zu arbeiten oder 40 Stunden. Das Arbeitsentgelt sollte natürlich festgelegt sein. Sonderzahlungen sollten festgelegt sein. Der Arbeitsort ist ganz wichtig. Und natürlich die konkreten Arbeitsinhalte. Und heutzutage wird ja auch immer mehr darüber diskutiert, dass man zusätzlich vorsorgen soll im Alter, deswegen bietet es sich auch an, darüber eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag zu treffen.

    Pfister: Wir gehen gleich mal auf die einzelnen Punkte ein. Kann ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer auch fachfremd einsetzen? Oder andersrum gefragt: Wie genau muss die Arbeit in dem Vertrag beschrieben sein?

    Perreng: Na, sie sollte schon so genau wie irgend möglich beschrieben sein, weil sich daran dann auch das Weisungsrecht des Arbeitgebers orientiert. In der Regel wird es allerdings nicht so sein, dass jetzt genau festgelegt wird, dass beispielsweise die Sachbearbeitung der Buchstaben A bis K geschuldet wird, sondern es wird die Sachbearbeitung in einem bestimmten Fachgebiet geschuldet. Und die allermeisten Arbeitsverträge enthalten dann auch die Klausel, dass andere, zumutbare Tätigkeiten eben auch übertragen werden können. Das heißt, die Arbeitgeber behalten sich das Weisungsrecht schon relativ weit vor - und das ist auch zulässig. Nicht zulässig ist es, jemanden außerhalb seiner Qualifikationen, insbesondere deutlich unterhalb der Qualifikation einzusetzen. Das heißt, eine Sachbearbeiterin kann sich dagegen wehren beziehungsweise kann sich auch weigern, jetzt Tätigkeiten einer Hilfskraft im Schreibbüro zu machen.

    Pfister: Kommen wir zur Vergütung. In der Regel wird ja darüber was in meinem Arbeitsvertrag drinstehen. Gibt es Verträge, in denen es nicht drinsteht, die trotzdem wirksam sind?

    Perreng: Ja, Sie haben diesen Begriff gewählt "in denen nichts drinsteht". Ich denke, es muss auch noch mal klargestellt werden: Ein Arbeitsvertrag muss nicht zwangsweise schriftlich abgefasst werden, sondern auch mündliche Vereinbarungen sind wirksam. Und da kann es natürlich schon sein, dass im Zweifel der Arbeitgeber meint, er hätte was anderes vereinbart als der Arbeitnehmer. In dem Fall muss der Arbeitgeber beweisen, was seiner Meinung nach vereinbart ist, weil es gibt das Nachweisgesetz, wonach er verpflichtet ist, zumindest die Vertragsvereinbarungen aufzuzeichnen. Wenn jetzt nichts ausdrücklich über die Vergütung vereinbart ist, ist der Vertrag trotzdem gültig. Und dann gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz aus dem BGB, dass dann die "übliche" Vergütung geschuldet wird, die sich in der Regel an dem orientiert, was in Tarifverträgen vereinbart ist.

    Pfister: Weihnachts- und Urlaubsgeld müssten drinstehen, wenn es sie geben sollte, oder?

    Perreng: Genau. Es sei denn ein Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, in dem die Sonderzahlungen festgelegt sind.

    Pfister: Versetzungen - wir müssen auf den Ort der Tätigkeit noch zu sprechen kommen - Versetzungen sind ja häufig ein Problem. Wenn mein Einsatzort im Vertrag drinsteht, wie es ja die Regel ist, bedeutet das dann, dass ich vor Versetzungen geschützt bin?

    Perreng: Grundsätzlich ja. Allerdings kann der Arbeitgeber dann möglicherweise in der Lage sein, eine Änderungskündigung auszusprechen. Das heißt: Gibt es betriebliche Gründe, wird beispielsweise eine Abteilung an einem bestimmten Ort geschlossen und an einen anderen Ort verlagert, dann kann der Arbeitgeber möglicherweise auch eine gerechtfertigte Änderungskündigung aussprechen und eben halt die Weiterbeschäftigung an diesem neuen Ort anbieten. Er kann eine Versetzung im gleichen Haus von einer Abteilung A in die Abteilung B verfügen, wenn die Arbeiten im Wesentlichen gleichgelagert sind.

    Pfister: Die Anzahl der Urlaubstage, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsfristen, sind die allgemein tarifvertraglich geregelt, so dass sie eigentlich gar nicht mehr im Vertrag drinstehen müssten?

    Perreng: Die sind tarifvertraglich geregelt, aber vor allem sind sie auch gesetzlich geregelt. Vor allem die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist eine Regelung, die gesetzlich festgelegt ist. Das heißt, darauf besteht Anspruch, auch wenn im Arbeitsvertrag nichts geregelt ist. Findet sich im Arbeitsvertrag zu Urlaub nichts, dann gilt der gesetzliche Urlaubsanspruch oder eben halt ein möglicherweise auch vorhandener tarifvertraglicher Urlaubsanspruch.

    Pfister: Machen wir es ganz kurz: Welche Formulierungen sollten mich als Berufseinsteiger misstrauisch machen bei einem Arbeitsvertrag, der mir vorgelegt wird?

    Perreng: Formulierungen, die dem Arbeitgeber sehr weite Weisungsrechte zubilligen. Das heißt solche Formulierungen "jede andere zumutbare Tätigkeit kann angewiesen werden" oder "Überstunden sind in jedem Fall zu leisten". Also all das, was sozusagen den Arbeitnehmer doch sehr der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers unterwirft, wo kein Austauschverhältnis von Geben und Nehmen mehr da ist, sondern wo es nur noch darum geht, dass der Arbeitnehmer sozusagen dem freien Interesse des Arbeitgebers unterworfen wird. Dies sollte misstrauisch machen und da sollte man dann noch mal genau hinschauen, ob nicht eine andere Möglichkeit der Beschäftigung auch noch gegeben ist.

    Pfister: Frau Perreng, können Sie uns eine Homepage empfehlen, wo ich das nachlesen kann, was Sie uns eben erzählt haben?

    Perreng: Ja, unsere ist leider im Moment zu dem Punkt erst im Aufbau, aber ungefähr in einer Woche können Sie das auch auf der Homepage des DGB alles nachlesen. Außerdem gibt es bei der Arbeitskammer des Saarlandes oder bei der Arbeitnehmerkammer in Bremen sehr gute Hinweise auf die Arbeitsrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

    Pfister: Danke, Frau Perreng. Sie ist Arbeitsrechtlerin beim DGB-Bundesvorstand und hat uns erzählt, was in den Arbeitsvertrag hineingehört. Und für Sie noch die Information, dass wir Sie morgen über eine Versicherung aufklären, die heute nahezu unabdingbar ist, die viele aber gern mal aufschieben: die Berufsunfähigkeitsversicherung.