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Gesundheit
Entspannungsdrinks mit zweifelhafter Wirkung

Sie heißen Heldenpause, Rest, Tyme Out oder Just chill und sollen auf sanfte Weise entspannen. In Japan und den USA sind diese angeblichen Zauberdrinks bereits ein Verkaufsrenner. Verbraucherschützer in Deutschland zeigen sich jedoch skeptisch. Denn die Wirkung der Inhaltsstoffe ist oft nicht belegt.

Von Susanne Lettenbauer | 31.12.2018
    Eine Frau liegt auf einer Matratze
    Sehr viele Deutsche schlafen schlecht - der Markt für pflanzliche Beruhigungs- und Entspannungsmittel boomt (imago / Imagebroker)
    Die kleine Dose ist hellblau, es gibt sie in "regular" und "strong", also mit normaler oder starker Wirkung. 135 Milliliter flüssige Entspannung aus dem Supermarkt. Keine Schlaftabletten mehr, kein Alkohol mehr zum Einschlafen. Einfach mal abschalten, gut durchschlafen, raus aus dem Stress – das versprechen jedenfalls die Hersteller von Getränken mit angeblich beruhigender Wirkung. Und das Geschäft boomt, sagt Hans Peter Vriens aus Salzburg, der selbst seit Januar 2018 mit zwei Getränken auf dem Markt mitmischt:
    "Es gibt einen riesen Markt, denke ich, für Schlafgetränke. In Österreich und Deutschland gibt es genügend Daten die belegen, dass neun von zehn Deutschen regelmäßig schlecht schlafen. Und regelmäßig heißt zwei- bis dreimal die Woche. Wenn man dann fragt, warum schläfst Du schlecht? Arbeit, Stress."
    Pflanzliche Stoffe in höherer Dosierung
    Der gebürtige Niederländer arbeitete lange bei Red Bull in Salzburg, entwickelte Energydrinks mit mal mehr, mal weniger Erfolg. Immer nur aufputschen, noch mehr Energie tanken, die Nächte durcharbeiten – das kann nicht allein die Lösung sein, ist er überzeugt. Gemeinsam mit einem Unternehmen aus Darmstadt hat er das Rezept auf Basis von pflanzlichen Stoffen entwickelt. Natürlich könnte man auch Melissentee verwenden oder Baldriantabletten:
    "Wenn man die führenden Baldrianpillen in Deutschland anschaut, dann haben die ungefähr 400 Milligramm Baldrian drin, in diesem Getränk sind 1200 Milligramm drin, also drei Mal so viel. Wenn Sie das führende Passionsblumenpräparat sehen, dass in Deutschland verfügbar ist, dann ist da 80 Milligramm Passionsblume drin, hier sind 900 Milligramm drin."
    Hersteller von den Lifestyle-Relaxationdrinks werben mit eigenwilligen Wortkreationen wie "De-Stress", und philosophieren über die Bedeutung von Ruhe und der kleinen Auszeit zwischendurch. Das ginge zwar vielleicht auch mit alten Hausmitteln wie heißer Honig-Milch oder Salbei-Melisse-Tee, doch das klingt natürlich überhaupt nicht hip – und Geld verdienen lässt sich damit wohl auch kaum.
    Wirkung nicht belegt
    Der Trend kommt aus Amerika. Die Anbieter mischen dort in ihre Chill-Out-Limos oft Stoffe, die in Getränken auf dem europäischen Markt verboten sind, wie das Schlafhormon Melatonin, Aminobuttersäure oder L-Theanin.
    Die europäischen Anbieter behelfen sich deshalb mit Zitronenmelisse, Passionsblume, entkoffeiniertem Grüntee-Extrakt, Baldrian, Macawurzel, Hopfen und Salbei, Vitamin B5.
    Und Hotels, Flughafen-Lounges und Yogastudios greifen gern zu.
    Dabei ist die entspannende Wirkung der Getränke bisher nicht ausreichend belegt, gibt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern zu bedenken.
    "Wenn man mal so den Markt beobachtet, dann sind es eigentlich schöne Klassiker, die ich von meiner Oma kenne als beruhigendes Mittel, also Hopfen, Baldrian oder Melisse. Das sind aber alles Pflanzenstoffe, die der BfR, das Bundesinstitut für Risikobewertung, bei diesen Pflanzenstoffen sagt: Nur in begrenzten Maßen bitte in Lebensmitteln, weil sie einfach doch eine pharmakologische Wirkung haben. "
    Verbotene Inhaltsstoffe in Auslandsprodukten
    Krehl warnt grundsätzlich vor zweifelhaften Angeboten im Internet, die das in Europa verbotene Melatonin verwenden oder Theanin, denn aus dem Ausland könnten so auch Getränke mit nicht ausreichend erforschten Inhaltsstoffen nach Deutschland kommen:
    Es kann sogar passieren, dass ich in der Limonade deutlich weniger Wirkstoff drin habe als in einem ganz üblichen Arzneimitteltee aus der Apotheke. "In den Limonaden habe ich leider überhaupt keine Möglichkeit, weil hier werden Extrakte verwendet. Ich muss ja sehen, das ist ein Naturstoff, das heißt, es kann in einem Jahr in der Ernte deutlich mehr von dem Wirkstoff drin sein wie im nächsten Jahr."
    Ihr Fazit: Solange es sich um in Europa zugelassene pflanzliche Inhaltsstoffe handelt in der festgelegten Dosierung, könne man die Entspannungsgetränke durchaus testen, aber in Maßen.