Arndt Reuning: Die Kinder und Jugendliche sind zu dick, sie hängen zu oft am Smartphone, bewegen sich kaum das glauben zumindest die Erwachsenen. Wie es wirklich um die Gesundheit der Kinder bestellt ist, das untersucht seit 2003 die KiGGSs-Studie des Robert Koch Institutes. Drei Mal schon wurden tausende Kinder und Jugendliche im ganzen Land befragt und untersucht: Gewicht, Größe, Blut- und Urinwerte, Blutdruck, Allergien, Ernährung, Lebensgewohnheiten. Weltweit gibt es kaum eine Studie, die so umfassend und vor allem so repräsentativ die Gesundheit der jungen Generation beleuchten. Heute wurden die neuesten Ergebnisse in Berlin vorgestellt. Volkart Wildermuth hat zugehört, er ist jetzt in Berlin zugeschaltet: Wie geht es den Kindern denn so im Durchschnitt?
Volkart Wildermuth: Tatsächlich geht es den allermeisten Kindern in Deutschland gesundheitlich gut bis sehr gut. Und das ist nicht die einzige positive Nachricht. Im Vergleich zur ersten KiGGS-Erhebung aus den Jahren 2003 bis 2006 hat sich einiges in die richtige Richtung bewegt. Beispiel Rauchen: Weniger Jugendliche greifen zu Zigaretten. Konkret hat Anfang der 2000er noch jeder fünfte Jugendliche geraucht, das hat sich mehr als halbiert.
Trend Übergewicht konnte gestoppt werden
Auch Schwangere rauchen deutlich seltener, eine sehr gute Nachricht für die ungeborenen Kinder im Mutterleib. Beim Thema Übergewicht, da gingen die Zahlen in den 90ern deutlich nach oben, dieser Trend konnte gestoppt werden, allerdings mit etwa 15 Prozent übergewichtigen oder adipösen Kindern und Jugendlichen auf einem ziemlich hohen Niveau.
Tatsächlich schätzen auch die Eltern die Gesundheit ihrer Kinder heute positiver ein als noch vor zehn Jahren.
Es gibt aber auch einen negativen Trend zu verzeichnen, das ist das Thema Bewegung. Hier sind es vor allem die Mädchen, die viel zu viel still sitzen.
Reuning: Die KiGGS-Studie hat ja Kinder in verschiedenen Jahren untersucht, darüber hinaus hat sie aber auch verfolgt, was im Lauf der Zeit aus diesen Kindern gesundheitlich geworden ist, seit dem Jahr 2003. Die Kinder von damals sind heute zwischen 20 und 30 Jahre alt. Was ist denn bei dieser Untersuchung heraus gekommen?
Wildermuth: Ja das ist nun wirklich die Stärke der KiGGS-Studie, dass sie in der Lage ist, Entwicklungen nachzuzeichnen. Und dabei zeigt sich, Weichen in Sachen Gesundheit werden wirklich schon im Kindergarten und Grundschulalter gestellt. Wer in der Grundschule viel zu dick war, der hat es einfach nicht leicht, die Pfunde wieder loszuwerden.
Psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen
Auch beim Rauchen: Wer damit angefangen hat, der hört ganz selten wieder damit auf. Wobei, das ist wichtig zu betonen, das sind nunmal die Durchschnittswerte, das sagt wirklich nichts über das eigene Kind aus. Im Einzelfall lohnt es sich immer, die Probleme anzugehen. Das gilt ganz besonders, wenn es um die psychischen Probleme geht.
Als die erste KiGGS-Erhebung vorgestellt wurde, da sorgte vor allem ein Befund für Aufregung, dass nämlich jedes fünfte Kind in irgendeiner Form auffällig ist, psychische Probleme hat. Aber gerade diese seelische Verfassung ist im jungen Alter noch sehr flexibel wandelbar. Etwa bei der Hälfte dieser Kinder, da verschwinden die Probleme innerhalb von zwei Jahren wieder. Das ist besonders bei Jungen so, die haben eher Probleme im Umgang mit anderen, und da führt wohl das Alter zu einer gewissen Reife, das wächst sich sozusagen aus.
Mädchen berichten eher von Ängsten und Depressionen, die sind leider stabiler. Aber wie gesagt: Auch bei den Mädchen gibt es viele, bei denen sich die Stimmung wieder aufhellt. Was sich auch gezeigt hat: Die Probleme treten oft gemeinsam auf. Also: Wer viele gesüßte Getränke trinkt, der bewegt sich tendenziell weniger und der wird eher dick. Und das Übergewicht kann dann wieder psychische Probleme verursachen.
Entscheidend: die Vorbildfunktion der Eltern
Reuning: Ein Ziel der Studie ist es ja auch herauszufinden, welche Faktoren die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bedrohen, die Risikofaktoren. Haben die Forscher dort eine eindeutige Antwort gefunden?
Wildermuth: Wenn man die Studie durchblättert, Kapitel nach Kapitel, findet man bei ganz verschiedenen Themen immer einen Faktor, der die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen prägt, das ist wirklich ihre soziale Situation. Wer aus einer ärmeren, bildungsfernen Familie stammt, der ist eher dicker, der raucht, ernährt sich wahrscheinlich schlechter, hat mehr psychische Probleme. Es geht dabei nicht in erster Linie ums Geld, es geht um die Vorbildfunktion der Eltern, die oft selbst viel zu wenig zum Beispiel über gesunde Ernährung wissen.
Und vor allem geht es um Teilhabe. Die tollen Spielplätze und Parks befinden sich eben nicht in den sozialen Brennpunkten, also haben die Kinder dort auch weniger Chancen, draußen zu spielen, dann gehen sie vielleicht eher ans Smartphone, sie sind nicht in einem Verein, da kommt vieles zusammen. Und in der Konsequenz heißt das: Die Gesundheit der Kinder, die ist nicht nur eine Sache der Eltern oder der Ärzte, das ist eine Aufgabe für die Gesellschaft insgesamt.