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Gesundheitsforschung
Neue Krankenhäuser für Syrien

Die medizinische Versorgung im kriegsgebeutelten Syrien liegt am Boden. An der Fachhochschule Lübeck forschen Studenten an der Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Krisenherden. Für Syrien schwebt ihnen ein sogenanntes Modulkrankenhaus vor - eine Baugenehmigung haben sie bereits.

Von Hauke Bülow | 27.11.2017
    Ein zerstörtes Krankenhaus in Aleppo ist mit Sandsäcken verbarrikadiert.
    Das von "Ärzte ohne Grenzen" veröffentlichte Archivfoto zeigt ein Krankenhaus in Ost-Aleppo nach einem Luftangriff im April 2016 (Karam Almasri / Medecins sans Frontieres / dpa)
    Das "National Hospital" in Homs - dauerhaft geschlossen, so steht es bei Google Earth. Schaltet man auf den Satelliten-Modus wird klar, warum: Das Krankenhaus ist ein riesengroßer grauer Schutthaufen. Zerstört bei einem Angriff im September 2012. Vor dem Krieg versorgte es mehr als eine Million Menschen in der drittgrößten Stadt Syriens. Heute gibt es dort praktisch keine Krankenversorgung mehr. Die Lübecker Architektin Sarah Friede will das ändern. Im Rahmen ihrer Master-Arbeit hat sie eine Möglichkeit entwickelt, neue Krankenhäuser schnell und vor allem billig zu errichten. Ihre Lösung: ein Modulbau. Ähnlich wie bei Container-Bauten wird das gesamte Gebäude dabei aus jeweils gleichgroßen Quadern zusammengesetzt.
    Wie mit Lego
    "Modulbau ist quasi wie bauen mit Lego. Lego hat ja diesen typischen einen Baustein, den Standardbaustein. Und es ist so einfach wie, wenn Kinder ein Haus mit Lego bauen. Das heißt die Module, in dem Fall die Steine, passen halt immer übereinander und werden übereinandergesetzt. Und dieses Modul ist so lang wie zwei Mal breit – genauso wie der Legostein. Dadurch lässt es sich unterschiedlich kombinieren. Und ich kann wie auch beim Lego jede mögliche Form und Gebäudetypologie damit erreichen."
    In einem kahlen Büro steht das Modell des Modulkrankenhauses. Die einzelnen Quader: von außen nicht sichtbar. Im Gegenteil: Das Gebäude wirkt wie aus einem Guss. Die Fassade besteht aus einer weißen Verblendung und verschieden großen Fenstern. Schaltet Sarah Friede das Licht im Modell ein, ähnelt die Fassade einem Sternenhimmel. Und trotz der Raffinessen: Der Bau des Krankenhauses würde nur rund anderthalb Jahre dauern, erklärt die Architektin. Bei der herkömmlichen Massivbauweise wären es mindestens sieben.
    "Die Zeit haben wir nicht. In der Zeit sterben dort viele, viele Menschen und wir brauchen eine schnelle Lösung und deswegen war klar, es muss irgendwie in diese Richtung gehen"
    Die Baugenehmigung liegt vor
    30 Millionen Euro würde der Krankenhaus-Neubau nach dem "Friede-Modulsystem" in Homs kosten, inklusive Medizintechnik. Das ist rund ein Drittel von einem vergleichbaren Bau in Deutschland, schätzt das Lübecker Team um Professor Oliver Rentzsch. Er führt inzwischen Gespräche mit der Weltgesundheitsorganisation und der syrischen Regierung über den Krankenhaus-Neubau. Eine Baugenehmigung liegt bereits vor.
    "Unser Job ist es, Technologien zu entwickeln, Innovationen zu gestalten und Transfer und Qualifikation. Das ist der Job einer Hochschule. Einfach gesprochen: Wir werden als FH Lübeck oder als Institut for International Health Relief Management keine Krankenhäuser bauen. Wir werden aber dafür sorgen, dass andere Krankenhäuser bauen. Mit einer Technologie, die sie nutzen können, die wir hier in Lübeck entwickeln, weiterentwickeln und begleiten. Das ist der Hintergrund. Wir integrieren Studierende, die mit hoher Energie mitmachen, so stelle ich mir moderne Hochschule vor."
    Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen
    Und das fachübergreifend: Denn während Architektin Sarah Friede vom Bau ihres Modulkrankenhauses träumt, beschäftigen sich BWL-Studierende an der Lübecker FH damit, wie Medizintechnik in die Krisenregionen der Welt gebracht werden könnte. Hochschulen und ein Medizintechnik-Hersteller aus Lübeck wären bereit, ausgemusterte Geräte zur Verfügung zu stellen- beispielsweise Beatmungsgeräte. Doch die Hürden sind extrem hoch, vor allem durch Haftungsfragen. In einem Projekt haben die Studierenden eine Idee entwickelt. Studentin Vivien Zengel:
    "Wir haben uns dann überlegt, dass wir einfach, um diesen Haftungsausschluss und diese Probleme zu übergehen, dass wir da einen Mittler mit einbauen müssten und haben dort die UN gefunden, die sich dazu bereit erklärt haben, das Projekt mit uns durchzuführen"
    Ihre Idee, einfach über die Vereinten Nationen zu gehen, haben die Studierenden inzwischen auch der Chefetage des Medizintechnik-Unternehmens Dräger präsentiert und dabei offene Türen eingerannt. Studentin Eda Abedin:
    "Nachdem wir unsere Idee präsentiert hatten hieß es, dass es Möglichkeiten gibt, das auch umzusetzen. Und dann haben wir auch uns darangesetzt, das umzusetzen. Weil wir gesehen haben, dass wir das auch umsetzen können und weil Menschen in Not sind, die das brauchen.
    Anfang kommenden Jahres wollen die BWL-Studierenden gemeinsam mit dem Konzern konkret darüber nachdenken, wie aus der Vision Wirklichkeit werden kann.