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Gesundheitsriese Fresenius

Trotz anhaltenden Sparzwangs im System der gesetzlichen Krankenversicherung gehört die Gesundheitsbranche zu den dynamischsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. Im Firmenporträt werden an diesem und den nächsten Freitagen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft vorgestellt. Heute: Fresenius.

von Michael Braun | 27.08.2010
    Im Bad Homburger Kurpark gehört das zu den Attraktionen. Hier sprudelt der Louisenbrunnen, ein Natrium-Calciumchlorid-Hydrogencarbonat-Trinkbrunnen. Der und andere Heilquellen haben den Ruf der Stadt als Kurstadt ermöglicht. Das Geschäft läuft. Die Reha-Kliniken rund um den Kurpark sind gut ausgelastet. Noch mehr profitiert die Stadt davon:

    Das Spielcasino im Kurpark füllt weiterhin die Stadtkasse. Die speist sich aber noch mehr aus der Gewerbesteuer. Darauf kann sich die Stadt verlassen, wenn sie solche Sätze hört:

    "Sie sehen samt und sonders, dass wir die Ziele erreicht oder übererreicht haben. Und in dieser Gleichmäßigkeit der Entwicklung, da liegt eine der besonderen Stärken des Konzerns, dass wir uns auf viele Geschäftsbereiche und auf viele Regionen abstützen und dass alle diese Geschäftsbereiche und Regionen auch im schwierigen Jahr 2009 nach oben gezeigt haben."

    So redet Ulf Schneider. So kann er reden, der Vorstandsvorsitzende der Fresenius SE. Und dass er von so vielen Erfolgen berichten kann, freut den Bad Homburger Oberbürgermeister, den Grünen Michael Korwisi:

    "Wir haben sehr viele Steuerzahler, sehr viele Gewerbebetriebe, die weitgehend unabhängig von der Konjunktur wirtschaften. Wir haben zum Beispiel keine Fertigungsbetriebe hier, die abhängig sind vom Automobilabsatz, von der Elektroindustrie. Unser Schwerpunkt ist die Gesundheitswirtschaft. Wir haben drei große Konzerne, die in Bad Homburg angesiedelt sind, die im Gesundheitssektor arbeiten. Und Gesundheit wird immer gebraucht."

    Zwei der drei Gesundheitskonzerne in Bad Homburg tragen den Namen Fresenius: die Mutter Fresenius SE und die Tochter Fresenius Medical Care. Beide sind an der Börse notiert, beide in der ersten Liga, im Deutschen Aktienindex DAX. Dort fallen sie durch moderate Kursbewegungen auf. Und durch moderate Dividenden. Die Dividendenrendite der beiden Aktien liegt bei mageren 1,4 Prozent. Aber: In diesem Jahr wurde zum 17. Mal in Folge die Ausschüttung erhöht. Die Geschichte von Fresenius ist eine Wachstumsgeschichte, weiß Pharmaanalyst Thomas Schiessle von Equi.TS:

    "Es ist ein großer Konzern daraus geworden, der sich um die Belange von Patienten kümmert. Es begann mit Dialyse und künstlicher Ernährung. Das ist auch noch das wichtigste Aktivitätsfeld. Aber man betreibt Krankenhäuser, projektiert sie. Und man produziert auch Medikamente."

    Nichts zu tun hat Fresenius mit der Lebensmittelanalyse. Die Namensgleichheit mit dem Institut Fresenius in Taunusstein ist historisch bedingt. Im 18. Jahrhundert trennte sich die Familie Fresenius in eine "Apothekerlinie" und eine "Chemikerlinie". Aus der Chemikerlinie ging das Institut Fresenius in Taunusstein hervor, aus der Apothekerlinie der heutige Gesundheitskonzern mit Sitz in Bad Homburg.

    Der besteht aus vier Teilkonzernen, von denen nur der größte, Fresenius Medical Care, der Dialyse-Spezialist, rechtlich selbstständig und an der Börse notiert ist. Er nennt sich "weltweit führend" und betreibt knapp 2500 Dialysekliniken. Auf ihn entfallen mit gut acht Milliarden Euro 57 Prozent des Konzernumsatzes.

    Zweitgrößter Bereich ist Fresenius Kabi. Mit künstlicher Ernährung, anderen Infusionstherapien und seit einiger Zeit auch mit Generika, also Medikamenten, setzt er rund drei Milliarden Euro um. Das sind 22 Prozent des Konzernumsatzes.

    Die 61 Einrichtungen große Krankenhauskette des Konzerns läuft unter dem Namen Helios und trägt mit 2,4 Milliarden Euro 17 Prozent zum Konzernumsatz bei. Und da Fresenius zu wissen glaubt, wie man Krankenhäuser betreibt und baut, bietet der Konzern das Wissen auch zum Kauf an: Dafür ist Fresenius Vamed zuständig, was 0,6 Milliarden Euro Umsatz bringt, gut vier Prozent des Konzerngeschäfts. Die Fresenius SE steuert das Ganze.

    Als eine Art "Spielwiese" leistet sich Fresenius einen kleinen Biotech-Zweig. Der entwickelt Therapien mit Antikörpern zur Behandlung von Krebs und schreibt noch Verluste: "Peanuts" sozusagen von acht Millionen Euro, die im operativen Gewinn von fast 500 Millionen Euro im ersten Quartal kaum auffielen.

    Gut 130.000 Menschen sind im Konzern beschäftigt, der fast 90 Prozent seines Umsatzes in Europa und Nordamerika macht. So, wie Fresenius bisher agiert hat, darf man diese Umsatzverteilung als Herausforderung sehen, in Asien und Afrika zu wachsen. Begrenzt wird vielleicht nicht der Wachstumswille, aber doch die Ertragskraft womöglich von der Gesundheitspolitik. Analyst Thomas Schiessle:

    "Davon ist der Konzern abhängig: Was macht die nationale Gesundheitspolitik in Deutschland, in den USA und in anderen Ländern?"

    Fresenius-Chef Schneider hat auf so was souveräne Antworten:

    "Denken Sie mal da dran, wenn Sie die USA nehmen, Dialyse, dass Fresenius Medical Care freiwillig single use, also Einmalverwendung von Dialysatoren, betreibt, ohne dass ein höherer Erstattungssatz gezahlt wird, obwohl klare medizinische Evidenz da ist, dass das mit verbesserten Ergebnissen einhergeht. Denken Sie daran, dass wir für Helios in den Mortalitätsquoten für unsere Behandlungen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Der beste Weg, wie ein Unternehmen wie wir zu niedrigeren Gesundheitskosten beitragen können, ist eben, dass man überlegene Qualität anbietet."

    Der Heimatstadt des Konzerns, Bad Homburg, wäre es recht, wenn damit die Gewerbesteuerquelle so ergiebig bliebe wie der Louisenbrunnen: Der sprudelt schon seit gut 150 Jahren.