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Gesundheitssysteme in Europa

"Centro de Salud", Madrid, Stadtviertel Puente de Vallecas. Im Gesundheitszentrum stehen die Menschen mal wieder Schlange. 20 Minuten warten sie alleine darauf, von einer der beiden Beamtinnen einen neuen Arzttermin zu bekommen. Die Mitarbeiterinnen im Gesundheitszentrum sind mindestens ebenso genervt wie die Patienten. Gleichzeitig sollen sie Termine auch noch telefonisch vergeben, die Sprechstunden der Ärzte vorbereiten, und zu alledem ist auch noch das Computernetzwerk zusammengebrochen. Alltag im "Centro de Salud", Madrid, Puente de Vallecas.

Hans-Günter Kellner |
    Trotzdem ist das staatliche Gesundheitssystem den Spaniern heilig. Obwohl Ministerpräsident José María Aznar immer wieder mehr Marktwirtschaft predigt, auch in seinen fast zwei Legislaturperioden viele der großen ehemaligen Staatsbetriebe privatisiert hat - an das Gesundheitssystem hat er sich noch nicht getraut. Die vor seinem Regierungsantritt 1996 befürchteten Privatisierungen von staatlichen Krankenhäusern, ein Zweiklassensystem mit privaten Leistungskatalogen für Reiche und eine Basisversorgung für Arme - all das ist ausgeblieben. Und die Zufriedenheit der Spanier ist trotz so mancher Engpässe durchaus berechtigt. Da ist zum Beispiel das hervorragende spanische Transplantationsnetzwerk, über das die ganze Welt staunt. Herzpatient Antonio Compás erzählt:

    Ich konnte überhaupt nicht mehr arbeiten. Ich hatte schwere Herzrhythmusstörungen, die oft bis zum Herzstillstand führten. Ich wurde dann immer mit Elektroschocks wieder belebt, wartete aber schon auf das nächste Mal. Ich hatte im letzten Jahr vier oder fünf Herzstillstände. Beim letzten Mal waren es viele Minuten. Da hatten sie mich schon abgeschrieben. Hinterher sagten die Ärzte, das nächste Mal würde ich nicht überleben.

    Dem 51jährigen Antonio Compás ist von jenen Tagen im September 2001, als die Ärzte ihn schon fast aufgegeben hatten, nichts anzusehen. Er erzählt mit rosaroten dicken Backen von den letzten Tagen vor seiner Herztransplantation in einem staatlichen Madrider Krankenhaus. Auf der Warteliste wurde er sofort auf die höchste Dringlichkeitsstufe, also höchste Lebensgefahr, heraufgesetzt. Er wartete noch sieben Tage, dann bekam er sein neues Herz.

    Die meisten Patienten kommen in einer absoluten Notsituation zur Transplantation. Du erwartest vom Leben gar nichts mehr. Es gibt keine Zukunft. Nichts. Dann bekommst Du plötzlich ein neues Herz. Und Du hast Zukunft. Es spielt keine Rolle, wie lange wir noch leben, aber wir können Pläne machen. Wir haben plötzlich Lebensjahre, mit denen wir nicht gerechnet hatten.

    12.000 Organe wurden im letzten Jahr in Spanien transplantiert. Setzt man das ins Verhältnis zu den 40 Millionen Einwohnern des Landes, dann heißt das: Nirgends sonst auf der Welt werden so viele Organe gespendet und transplantiert, wie in Spanien. Dabei war Spanien 1982 noch Schlusslicht bei den Organspenden in Europa. Die damalige sozialdemokratische Regierung unter Felipe Gonzalez organisierte dann eine zentrale "Nationale Organisation für Transplantationen". In jedem Krankenhaus gibt es einen Vertreter der Organisation, der Hinterbliebene von Verstorbenen um ihr Einverständnis zur Organspende bittet. Hinzu kommt eine Gesetzgebung, nach der das Einverständnis vorausgesetzt wird, wenn kein Angehöriger zu erreichen ist.

    Das Glanzlicht Transplantationen ist unter anderem durch eine zentrale Organisation möglich geworden. Diese wollen die Spanier auch nicht aufgeben. Der Staat bezahlt das gesamte Gesundheitssystem, die Ärzte und Arzneimittel und auch die Einrichtungen, Krankenhäuser und Arztzentren. Dieses System entstand in Ansätzen schon während der Franco-Diktatur. Das Regime schuf 1945 die so genannte "Seguridad Social", zu deutsch, die "Soziale Sicherheit". Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlten in diese Kasse Beiträge ein, aus denen Renten und Gesundheitsleistungen finanziert wurden.

    Das Problem: Die Seguridad Social erfasste bis in die achtziger Jahre nur 70 Prozent der Bevölkerung. Für den Rest gab es nur die Einrichtungen der staatlichen Wohlfahrtsorganisation, schlecht ausgestattete Zentren mit unmotivierten Ärzten, oft auch nur Krankenpflegern, die meist nur zwei Stunden am Tag Dienst hatten. Erst die Regierung von Felipe González führte beide Systeme zusammen. Dies brachte die Seguridad Social jedoch in große Schwierigkeiten. Zu viele Menschen zahlten keine Beiträge, bezogen aber Leistungen. Mit der enormen Zunahme der Arbeitslosigkeit zu Beginn der neunziger Jahre auf über 20 Prozent war die staatliche Gesundheits- und Rentenkasse endgültig bankrott.

    Um wenigstens die Renten zu retten, nahm die konservative Volkspartei als eine ihrer ersten wichtigen Amtshandlungen das Gesundheitssystem aus der Seguridad Social heraus. Das Geld kommt nun nicht mehr von den Beitrags-, sondern von Steuerzahlern. Organisationen wie die "Vereinigung zur Verteidigung des öffentlichen Gesundheitssystems" klatschen dafür noch heute Beifall. Deren Sprecher, Kinderarzt Marciano Sánchez meint:

    Hinter unserem System, wie wir es seit 1996 haben steht der Gedanke: Wir machen ein staatliches Gesundheitssystem, in dem jeder Bürger das Recht auf die notwendigen Leistungen hat. Dann ist es nicht logisch, das aus Beiträgen zu finanzieren. Dort würde ja nur Beiträge zahlen, wer auch arbeitet. Es ist doch viel besser, Gesundheit mit Steuermitteln zu finanzieren. Der Nachteil sind jedoch die Auswirkungen der Steuerpolitik. Der Anteil der indirekten Steuern, also Mehrwertsteuer oder Tabaksteuer nimmt zu, die Einkommensteuer geht zurück. Generell verfolgt unsere Regierung eine Politik der sinkenden Steuern. Wenn die Steuereinnahmen zurückgehen, gehen aber auch die Mittel für eine öffentliche Dienstleistung wie das Gesundheitssystem zurück. Man kann aber nicht mit weniger Geld mehr Leistungen erbringen.

    Verbandssprecher wie Sánchez kritisieren, dass die spanische Regierung das Gesundheitssystem zwar verstaatlicht habe, an einer echten Gesundheitspolitik aber kein Interesse zeige. Sie argumentieren mit Zahlen. In Spanien werden nur 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Gesundheitswesen ausgegeben. Wesentlich billiger ist Gesundheit in der westlichen Welt nur noch in Ländern wie Irland. Zum Vergleich: Deutschland gibt nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach den USA und der Schweiz mit 10,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts am meisten für sein Gesundheitssystem aus.

    Obwohl in Deutschland so viel mehr vom erwirtschafteten Reichtum in die Gesundheit fließt, ziehen Verbände und Gewerkschaften in Madrid die spanische Variante vor. Von einem kassenfinanzierten Modell mit niedergelassenen Ärzten zum Beispiel hält Marciano Sánchez gar nichts:

    Das führt meiner Ansicht nach vor allem zur Placebo-Medizin. Wenn das Einkommen des Arztes davon abhängig ist, dass seine Praxis voller Patienten ist, wird er dafür sorgen, dass er viele Besuche erhält, unabhängig davon, ob diese notwendig sind. Feuerwehrleute, Richter oder Polizisten sind doch auch staatliche Angestellte. Das macht sie unabhängig. George Bernhard Shaw meinte, es sei vollkommen absurd, Ärzte auf Honorarbasis zu bezahlen. Wenn man das gleiche mit Feuerwehrleuten, Polizisten oder Generälen machen würde, wäre die Welt voller Brände, unnötigen Verhaftungen oder Kriegen.

    Obwohl Gewerkschaften und Verbände die geringen Ausgaben im Gesundheitsbereich in Spanien kritisieren, sehen sie die niedrigeren Kosten auch als positive Konsequenz ihres eigenen Systems. Seltene Einigkeit demonstrieren sie an dieser Stelle mit den Gesundheitspolitikern der regierenden Volkspartei. Große Verwaltungssysteme haben jedoch auch das Problem der mangelnden Flexibilität und Ineffizienz. Jesús Galván ist Planungsdirektor im Gesundheitsministerium der Autonomen Region Madrid. Seine Aufgabe ist es, die Kosten niedrig zu halten, die Leistungen aber möglichst zu verbessern.

    Unser Bruttoinlandsprodukt ist doch auch stark gewachsen. Viel stärker als in anderen Ländern Europas. Die Zunahme dieses Wohlstands führt dazu, dass auch die Ausgaben im Gesundheitsbereich steigen, obwohl das Verhältnis am Bruttoinlandsprodukt gleich bleibt. Unserem Staat ging es in den letzten Jahren verhältnismäßig gut, da steigt der Anteil der Gesundheit am Inlandsprodukt eben nicht weiter. Ich rede von ganz Spanien. Der Staat muss ja noch viel mehr Aufgaben wahrnehmen. Wenn wir uns die Region Madrid ansehen, ist der Anteil am Inlandsprodukt durchaus gestiegen. Oder anders gesagt: Der Gesundheitsbereich ist eine der großen Prioritäten jeder Regierung. In Madrid sind Gesundheit und Erziehung sicher die wichtigsten Dienstleistungen und gemeinsam mit den öffentlichen Bauten auch die wichtigsten Ausgabenposten.

    In Spanien werden im kommenden Jahr nach dem gegenwärtigen Haushaltsentwurf der Regierung für Gesundheit 3,57 Milliarden Euro Steuermittel verwendet, knapp sechs Prozent mehr als im letzten Jahr. Davon stehen der Zentralregierung jedoch nur 17 Prozent zur Verfügung, der Rest geht an die 17 Autonomen Regionen des Landes, die im Zuge der fortschreitenden Dezentralisierung der spanischen Verwaltungen seit 2001 die Kompetenzen im Gesundheitssystem inne haben. Die Zentralregierung kontrolliert nur noch verschiedene Kampagnen, wie etwa gegen Alkohol, Tabak und andere Drogen oder auch das Netz zur Organisation der Transplantationen.

    Trotz einer regelmäßig tagenden Gesundheitsministerkonferenz hat die Dezentralisierung auch zu einem gewissen Mangel an Koordination geführt. So weiß die Madrider Regierung bis heute nicht, wie viele Spanier im Sommer der Hitzewelle zum Opfer gefallen sind. Wie das neue dezentrale System auf Epidemien reagiert, ist auch noch nicht bekannt. In diesem Winter könnte es die erste Bewährungsprobe geben. Die Ärzte rechnen mit einer starken Zunahme an Grippeerkrankungen.

    Ein Leistungsgefälle zwischen reichen und armen Regionen auf der iberischen Halbinsel ist bisher aber nicht zu beklagen. Einen solchen Effekt, dass etwa im reichen Katalonien Kranke besser versorgt werden könnten als im armen Galicien, befürchten auch die Verbände zur Verteidigung des öffentlichen Systems nicht. Marciano Sánchez:

    Im Augenblick beobachten wir, dass je nach Region unterschiedliche Verwaltungsformen eingeführt werden. Es gibt auch punktuelle Unterschiede bei den Leistungen. Das spektakulärste Beispiel sind sicher die Geschlechtsumwandlungen, die in Andalusien bei Transsexuellen finanziert werden. Ein echtes Leistungsgefälle befürchten wir jedoch nicht. Wir erwarten eher eine Art Dominoeffekt. Wenn eine Region eine Leistung übernimmt, wird der politische Druck auf die anderen Regionen so groß, dass sie die gleiche Behandlung auch finanzieren. Beim Zahnersatz passiert das gerade. Wir sehen allerdings große Differenzen in der politischen Priorität, die die einzelnen Regierungen der Gesundheit einräumen. Kastilien-La Mancha oder die Extremadura investieren derzeit enorme Summen in ihre Systeme. Kurzfristig sieht man davon nichts. Im Gesundheitsbereich gibt es nur langfristige Auswirkungen. In fünf oder sechs Jahren werden wir sehen, wie sich das auswirkt.

    Eine der wichtigsten Aufgaben der Zentralregierung ist auch die Überwachung der Kostenentwicklung bei Arzneimitteln. Und das ist das größte Problem der spanischen Gesundheitspolitiker. Die Kosten für Arzneimittel liegen mit 8,6 Milliarden Euro in diesem Jahr mehr als doppelt so hoch wie die gesamten übrigen Ausgaben im Gesundheitsbereich. Seit 1996 sind diese Kosten über 60 Prozent angestiegen.

    Das Gesundheitsministerium will darum jetzt bei allen Wirkstoffen einen Referenzpreis vorschreiben, den es aus den drei billigsten Marken mit diesen Stoffen ermittelt. Gibt der Apotheker dennoch ein teureres Medikament aus, muss er die Differenz aus der eigenen Tasche bezahlen. Mit dieser Maßnahme hoffen die Gesundheitspolitiker auf Einsparungen in Höhe von 300 bis 400 Millionen Euro im kommenden Jahr, die Medikamente sollen um bis zu 30 Prozent billiger werden. Gesundheitspolitiker Galván fordert zudem kleinere und somit billigere Packungen:

    Die Packungen müssen die Menge an Medikamenten haben, die auch gebraucht werden. Niemand hat etwas davon, wenn nach einer Behandlung Medikamente übrig sind und sie weggeschmissen werden. Das müssen die seriösen Pharmabetriebe einsehen. Ein Antibiotikum wird hergestellt, um im Organismus Bakterien zu töten, nicht um im Mülleimer zu landen.

    Die Region Madrid verwendet zwar fast 40 Prozent ihres Haushaltsvolumens für Gesundheit, doch in der Statistik innerhalb der spanischen Regionen liegen die Hauptstadt und ihr Vorstadtgürtel mit 3,5 Prozent Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt auf den hinteren Plätzen. Zu besonderem Unmut führt bei der Bevölkerung das lange Warten auf einen Termin beim Spezialisten. Geradezu katastrophal ist die Situation bei den Gynäkologen. Auf einen Termin beim Frauenarzt wartet eine Madrilenin bis zu 240 Tage, in der Urologie gehen die Wartezeiten bis zu 90 Tage, in der Neurologie bis zu 178 Tage, rechnet Sánchez der Madrider Verwaltung vor.

    Glücklich darf sich da der Spanier schätzen, dem der Arbeitgeber eine private Krankenkasse finanziert, wie unter anderem alle Beamten. Viele Ärzte arbeiten morgens im staatlichen Gesundheitszentrum, behandeln nachmittags aber auch in einer gut gehenden eigenen Praxis. Dort gibt es schnell einen Termin. Zahnarztbehandlungen bezahlt der spanische Staat sowieso nicht. So fließen von den Gesamtausgaben für Gesundheit in Spanien fast 40 Prozent den privaten Versorgern zu. Nicht einmal Verbandssprecher Sánchez kann sich die enormen Wartelisten bei Gynäkologen erklären. Er wirft der Regionalregierung vor, die Patienten so in die privaten Praxen zu treiben und eine schleichende Privatisierung des Systems zu verfolgen.

    Unser großes Problem in Spanien ist, dass die Ärzte zu wenig Zeit für die Patienten haben. Wir haben zu wenig Ärzte, auch zu wenig Krankenhausbetten, wir sind das Land in der EU mit der niedrigsten Bettenzahl. Diese Situation führt zu großen Spannungen im System, zu Wartelisten. Die sind in Spanien eindeutig zu lang. Hinzu kommt: Es wurde erlaubt, dass Ärzte neben ihrer Arbeit im staatlichen System außerhalb dieser Arbeitszeit noch eine Privatpraxis betreiben. Wir sind dagegen. Solche Ärzte haben logischerweise ein größeres Interesse an der Privatpraxis. Das müsste die Verwaltung besser kontrollieren und dafür sorgen, dass die Mittel ordentlich eingesetzt werden. Dennoch: Ich glaube unser System ist sehr produktiv.

    Das zentrale spanische Gesundheitsministerium versucht inzwischen, die Wartezeiten zu verkürzen. Für Besuche beim Spezialisten sollen so genannte Vorrang-Patienten, deren Diagnose schnell zu erfolgen hat, nicht mehr länger als zwei Wochen warten. Bei Operationen sollen die Wartezeiten bei schmerzhaften Situationen nicht länger als 30 Tage betragen, Notfälle werden sofort behandelt. Chefplaner Jesús Galván rechtfertigt die Wartezeiten:

    Wir müssen auch mit der Verfügbarkeit der Ärzte rational umgehen, das führt zu den sehr langen Wartelisten. Eine Behandlung, die als dringlich eingestuft wird, muss ohne Verzögerung möglich sein. Dringlich ist alles, was lebensbedrohlich ist oder starke Schmerzen verursacht. Der Rest muss warten. Andere Systeme haben sicher kürzere Wartezeiten. Aber diese Kontrollen im System sind notwendig. Der "Graue Star" zum Beispiel. Ich sehe damit zwar nicht so gut, das muss ich nun mal eine Weile ertragen. Nach einigen Wochen habe ich ja dann doch die kostenlose Behandlung. Diese Anstrengung müssen wir machen. Der Bürger erträgt eine Unbequemlichkeit eine Weile, und das System arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten.

    Die Flucht zu den Privatärzten hält sich trotz allem in Grenzen. Die Spanier vertrauen den staatlichen Ärzten eigentlich eher als den niedergelassenen Medizinern, die im Ruf stehen, sich ihr Einkommen mit überflüssigen Behandlungsmethoden zu sichern.

    Und bei komplizierten Operationen ziehen die Spanier den Gang ins staatliche Krankenhaus allemal den Privatkliniken vor. Jesús Galván bestreitet zudem, die Regionalregierungen der Volkspartei wollten das staatliche System privatisieren oder aufweichen. Die privaten Ärzte würden spätestens bei kostenintensiven Behandlungen an ihre Grenzen stoßen. Für eine erfolgreiche Krebstherapie seien oft teure Infrastrukturen notwendig, eine Lebertransplantation könne sich kaum jemand leisten. Am auf Solidarität aufgebauten System werde sich in Spanien noch lange nichts ändern, versichert der Politiker. Unterm Strich sieht er darin eine effiziente Gesundheitsfürsorge, die mit wenig Aufwand ähnliche Ergebnisse erreicht, wie zum Beispiel das deutsche Gesundheitssystem:

    Das deutsche Modell zu den deutschen Kosten wäre für uns untragbar. Das spielt aber keine Rolle. Das wichtige ist die Qualität der erbrachten Leistung. Zum Beispiel: Eine Prothese in Spanien einzusetzen ist billiger. Das liegt unter anderem an dem niedrigeren Einkommen unserer Ärzte. Aber noch viel wichtiger ist: Die Prothese bekommt der, der eine braucht. Er bekommt die seinem Leiden angemessene Prothese, weder die teure noch die billige, sondern die angemessene. Und er soll so schnell wie möglich wieder gesund werden. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Da kann man mit dem deutschen wie auch mit dem spanischen System hingelangen.

    Im internationalen Maßstab schneidet Spanien mit seinen staatlich angestellten und steuerfinanzierten Ärzten gar nicht schlecht ab. Die Weltgesundheitsorganisation setzte Spanien vor drei Jahren in einem Ranking der Gesundheitssysteme unter besonderer Berücksichtigung der Lastenverteilung und der Qualität der Behandlungen auf Platz sieben. Nach Frankreich, Italien, oder Singapur, aber weit vor der Schweiz und Großbritannien, vor allem aber auch vor Deutschland, das nur auf Rang 25 landete.