Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Get Well Soon - "Love"
Von Heiratsschwindlern und Laubbläsern

Elf Songs, elf verschiedene Perspektiven, ein Thema: Konstantin Gropper, besser bekannt als "Get Well Soon", beschäftigt sich auf seinem neuen Album mit der Liebe. Jeder Song präsentiert einen anderen spannenden Charakter.

Von Marcel Anders | 23.01.2016
    Konstantin Gropper von Get Well Soon
    Konstantin Gropper von Get Well Soon (Torben Waleczek / Deutschlandradio)
    "Es ist komischerweise so ein Thema, wo man sich so ein bisschen rechtfertigen muss. Klar, weil es so offensichtlich ist. Andererseits ist es aber doch wirklich ein Thema, mit dem jeder was anfangen kann. Jeder sieht Liebe zu verschiedenen Zeitpunkten seines Lebens - glaube ich - anders und würde sie anders definieren oder würde anders darüber sprechen. Und das bin ich jetzt mit 33."
    Es spricht Konstantin Gropper aus Mannheim, Deutschlands erfolgreicher Indie-Musiker, der nach drei Alben eine Familie gegründet hat und das Schreiben von Songs am liebsten mit Kochen vergleicht. Trotzdem erweist sich sein viertes Werk unter dem Titel "Love" als komplexe Auseinandersetzung mit der Liebe, die er in elf Songs aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, unterschiedliche Fallstudien durchspielt und spannende Charaktere entwickelt. Sei es die Künstlerin, die Geldscheine malt, um Liebende am jüngsten Tag zu erlösen. Der Heiratsschwindler, der Liebe als Geschäft betreibt oder die Frau, deren innere Uhr tickt.
    "Diese Figur ist eine 33-jährige Frau, die eben allein ist und sich wahrscheinlich fragt, warum. Die Biologie ist da ja relativ ungerecht... dass es einen gewissen Zwang auslöst. Oder was Verbissenes. Und darum ging es mir eigentlich eher, weil ich mich eben mit ein paar Frauen in der Situation unterhalten habe und mich das sehr beschäftigt hat. Also dass das auch so ein Aspekt von Liebe sein kann - auf so eine Art nüchterne, aber auch sehr zwanghafte Herangehensweise."
    Liebe nicht immer etwas Positives
    Überhaupt ist Liebe für Gropper nichts eindeutig Positives. Nichts, das er überschwänglich feiert und zelebriert. Oder gar ein Ideal, nach dem er strebt. Im Gegenteil: Es ist vielmehr etwas, das er hinterfragt, dem er äußerst kritisch gegenübersteht und dem er nicht wirklich traut. Woran "Love" als Album und künstlerisches Statement auch nichts ändert – es bestätigt vielmehr seine Zweifel.
    "Also, ich finde so diese Prämisse zu sagen, ich stelle mir eine Frage, auf die ich im vornherein eigentlich weiß, dass es keine definitive Antwort gibt, das ist ja eine schöne Disziplin. Philosophieren könnte man es ja auch nennen."
    Wobei das Thema an sich eine andere musikalische Ausdrucksform als auf Groppers bisherigen Alben verlangt. Nämlich weniger Klangkunst als lupenreiner, eingängiger Pop. Der erinnert mal an Prefab Sprout oder Lloyd Cole, pendelt zwischen Euphorie und Melancholie, Minimalismus und Opulenz. Aber besitzt – typisch Get Well Soon – immer Tiefe, ausgefeilte Arrangements und eine klassische Instrumentierung. Genau wie ein Artwork, das die Fantasie des Hörers beflügeln soll: Ein romantisches Gemälde von drei Bären in freier Wildbahn, die sich um ihre Beute streiten. In Bezug auf Liebe fast schon ironisch. Nur: Was erwartet man von einer Ein-Mann-Band, die sich Get Well Soon, also gute Besserung, nennt?
    "Was ich daran interessant fand, war im Zusammenhang mit diesem Titel eben keine Menschen zu zeigen, sondern eben wilde Tiere, die bestimmt auch eine gewisse Art Liebe haben mit Sicherheit, aber da auf eine völlig unreflektierte Art rangehen. Und trotzdem kann man, wenn man will, sehr viele psychologische Aspekte der Liebe in diesem Bild sehen. Also sehr viel Menschliches. Es macht gleich mal die Ansage: Liebe ist ein weites Feld - vielleicht."
    Der Psychopath von nebenan
    Wie weit das Feld der Liebe laut seiner Definition ist, damit kokettiert Gropper auch im Video zur ersten Single "It´s Love". Mit Charakterdarsteller Udo Kier als augenscheinlich gutbürgerlichem Deutschen, der in der Vorstadt wohnt, einen schicken Wagen fährt und Wert auf gutes Essen legt. Das bereitet er für sich und seine junge, weibliche Gefangene im Keller vor – denn Kier spielt den Psychopathen von nebenan. Der sich dann auch noch über den lauten Nachbarn mit Laubbläser beschwert – gespielt von Gropper, der damit die Frage aufwirft, was eigentlich schlimmer ist: Gewaltverbrechen oder Hobbygärtner-Terror? Auch das ist typisch Get Well Soon.
    "Also ich glaube, der Laubbläser wird oder ist schon so ein bisschen ein Symbol für "deutsch und spießig", wenn man das Wort überhaupt noch verwenden darf heutzutage, und... Aber wenn, dann im Zusammenhang mit Laubbläsern wahrscheinlich. Ich habe vorher noch nie so was bedient, aber das ist wirklich ein so dummes Gerät. Es bringt nichts. Du machst nur noch mehr Dreck damit. Ich habe so ein bisschen das versucht, aber es war mir da nicht möglich, da irgendwie das in eine Richtung zu lenken. Aber gut..."