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Geteilter Arbeitsplatz im Krankenhaus

Raphael Tsoukas betreibt mit einer Partnerin im Internet ein Jobsharing-Portal für Klinikärzte. Die Grundidee: Zwei Mediziner teilen sich eine Stelle, da sie beispielsweise mehr Freizeit haben wollen. Werden zwei Jobsharing-Partner erfolgreich vermittelt, zahlen die Kliniken eine Gebühr.

Von Sarah Zerback | 07.02.2013
    "Herr Doktor Scheifers, Raphael Tsoukas ist mein Name von arztinteilzeit.de. Ich habe gesehen, dass Sie eine Stelle inserieren in der Inneren Medizin und ich wollte fragen, ob Sie da schon geeignete Bewerber haben oder ob ich Ihnen noch welche anbieten könnte?"

    Die meiste Zeit des Tages verbringt Raphael Tsoukas am Telefon. Kontakte knüpfen, vermitteln und Akquise betreiben. Tsoukas ist kein Headhunter, sondern Betreiber eines neuen Jobsharing-Portals im Internet. Die Grundidee: Klinikärzte arbeiten nicht in Vollzeit, sondern teilen sich mit einem Kollegen eine Stelle.

    "Das ist eine Sache, die momentan nur in Einzelfällen passiert, zum Beispiel wenn Ärzte mehr Freizeit wollen für ihre Familie und wir dachten, dass es einen Bedarf gibt, das für jeden zugänglich zu machen. Das ist letztlich eine Partnerbörse."

    Werden zwei Jobsharing-Partner erfolgreich auf eine Stelle vermittelt, zahlen die Kliniken eine Vermittlungsgebühr. Mit dieser Geschäftsidee hat sich der 27-Jährige gemeinsam mit seiner Partnerin Maren Bongartz im vergangenen Jahr selbstständig gemacht. Die beiden Bochumer haben sich während des Medizinstudiums kennengelernt und das Projekt zusammen entwickelt.

    "Bevor wir uns an die Arbeit gemacht haben eine Seite aufzubauen, haben wir erstmal geschaut was für ein Bedarf ist da. Zum einen bei den Kliniken, die Interviews geführt mit Chefs und Personalern und zum anderen haben wir eine Nutzerstudie gemacht, wo wir Ärzte und Medizinstudenten befragt haben, ob die Leute das Angebot annehmen würden."

    Als die Rückmeldung auf beide Erhebungen positiv ausfiel, ging es an die Realisierung. Am Anfang standen viel Papierkram und viel Bürokratie. Die Existenzgründer haben sich für die Rechtsform der Unternehmergesellschaft entschieden, sozusagen eine Mini-GmbH für die man kein großes Startkapital braucht. Der Weg durch die Behörden ist lang und kompliziert.

    "Man muss sich dann auch mit Fragen auseinandersetzen, mit denen man sich davor noch nie auseinandergesetzt hat. Zumindest war das bei uns der Fall. Also mit Steuerrecht zum Beispiel, da habe ich keine Ahnung von. Man braucht schon Hilfe auch von anderen und ich denke es ist immer ganz sinnvoll die auch zu suchen, weil man nicht alles selber machen kann."

    Unterstützung kam hauptsächlich aus dem Freundeskreis. Ein befreundeter Informatiker programmierte die Internetseite und half beim Design, ein Fotograf aus dem Bekanntenkreis steuerte Bilder bei und der Steuerberater aus der Verwandtschaft gab wertvolle Tipps zum rechtlichen Teil. Über die Finanzierung ihres Projektes, haben sich die Beiden deshalb kaum Gedanken machen müssen. Die 1.000 Euro Stammkapital reichen aus. Bislang.

    "Durch das Internet und dadurch, dass wir vieles selbst machen konnten, mussten wir praktisch gar nicht groß in finanzielle Vorleistungen gehen. Das kommt jetzt erst eigentlich, dass wir zum Beispiel für Werbung Geld ausgeben müssen. Das war vielleicht ein Fehler, den wir auch gemacht haben, dass wir uns nicht im Voraus gründlich damit beschäftigt haben."

    Das holen die Existenzgründer mittlerweile nach. Gerade haben sie sich für einen Gründungswettbewerb angemeldet. Die "Senkrechtstarter" in Bochum. Im Mai entscheidet sich die Jury für eines der Projekte, aber wichtiger als das Preisgeld ist Tsoukas die Expertise der Juroren.

    "Man ist von seiner eigenen Idee sehr begeistert und sieht manche Schwächen auch manchmal nicht. Und wenn man sich dann immer sehr genau erklären muss und die Idee erklären muss und da sitzen Wirtschaftsexperten dann wird man sehr viel kritischer und ich denke, das ist sehr wichtig um ein Projekt langfristig gut durchzuführen."

    Mittlerweile ist die Seite online. Und die ersten Interessenten haben schon Profile angelegt.

    "Ich geb jetzt einmal Köln ein, dann Fachgebiet Chirurgie. Umkreis habe ich 50 Kilometer eingegeben und klicke hier auf Suche."

    Auf einer Deutschlandkarte signalisieren rote Fähnchen, wo potenzielle Jobsharing-Partner ebenfalls suchen. Tsoukas ist überrascht, wie viele Ärzte sich schon in kurzer Zeit auf der Seite registriert haben. Aber bei einem Projekt wie diesem gilt: Je mehr, desto besser. Da braucht der Existenzgründer viel Durchhaltevermögen.

    "Jobsharing für Ärzte ist eine ganz neue Idee in Deutschland, völlig unbekannt, und wir brauchen sicherlich ein Jahr bis wir einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, dass das Konzept die Chance hat zu funktionieren. Das heißt ein Jahr geben wir dem Projekt mindestens um zu sehen was daraus wird."

    Bislang wirft das Portal noch keine Gewinne ab. Deshalb haben die Beiden sich die Aufgaben geteilt: Bongartz verdient seit zwei Monaten Geld als Klinikärztin, Tsoukas betreut das Portal – ein Vollzeitjob.

    "Man ist irgendwie in einer Mühle drin, die 24 Stunden läuft. Also auch wenn man ins Bett geht dann macht man sich immer noch Gedanken, morgen habe ich den und den Termin, muss ich da noch was vorbereiten, habe ich da noch was vergessen. Das ist was anderes als wenn man nach Hause kommt und seine Arbeit getan hat und dann den Kopf frei hat."

    Ob das ein Job für die Zukunft ist, darauf will Tsoukas sich jetzt noch nicht festlegen. Wenn das Portal gut läuft, will er nebenbei seine Doktorarbeit schreiben, um dann irgendwann als Arzt im Krankenhaus zu arbeiten – wahrscheinlich in Teilzeit.

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