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Geteiltes Echo

Amt Neuhaus, Thallwitz, Grimma: 2002 kam der große Sommerregen, mit ihm das Elbe-Hochwasser, und diese Orte versanken buchstäblich darin. Seitdem wird in Deutschland daran gearbeitet, solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern. Am 3. März verabschiedete die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf zum Hochwasserschutz. Demnach dürfen in Überschwemmungsgebieten künftig keine Bau- und Gewerbeflächen mehr ausgewiesen werden - und auch der Ackerbau soll verboten werden.

Autorin: Kirsten Lange |

    Acht Jahre bleiben den Landwirten - soviel Zeit jedenfalls räumt ihnen das geplante Gesetz ein, ihre Ackerflächen aus den Überschwemmungsgebieten umzulagern. Christoph Heinrich, Leiter für den Bereich Naturschutz und Umweltpolitik beim Naturschutzbund in Bonn, begrüßt die Entscheidung:

    Äcker haben in Auen nichts zu suchen. Da steht das Wasser drauf, sammelt sich mit Nährstoffen, Pestiziden an. Wenn es mehrere Tage oder sogar Wochen dort steht, dann kippt das Wasser. Wir haben immense Fischsterben gehabt vor zwei Jahren an der Havel. Und letztlich geht die ganze verdreckte Brühe dann in die Nordsee oder in die Ostsee, und dort haben wir dann diese bekannten Probleme der Algenbildung, der schwarzen Löcher im Wattenmeer und so weiter.

    Die Länder müssen innerhalb von fünf Jahren Überschwemmungsgebiete festlegen. Grundlage ist das "100-jährige Hochwasser", ein Wasserstand, wie er nur einmal in 100 Jahren erwartet werden kann. Innerhalb der festgelegten Flächen wird weiter differenziert: In den so genannten Abflussgebieten soll Ackerbau künftig komplett verboten sein - dort, wo der Fluss eine starke Strömung hat und bei Hochwasser entsprechend viel Boden abtragen würde. In den Bereichen außerhalb der Abflussgebiete dürfen Bauern ihre Äcker unter bestimmten Bedingungen weiter bewirtschaften. Eine der Auflagen ist eine ganzjährige Grünbedeckung, das heißt, die lose Krume sollte nicht ungeschützt auf den Äckern liegen, da sie dann bei einem Hochwasser leicht weggespült werden könnte. Außerdem dürfen die Felder nur sehr eingeschränkt gedüngt werden.

    Die Ausnahmeregelungen außerhalb der Abflussgebiete kommen nach Ansicht des Naturschutzbundes den Landwirten ein Stück weit entgegen. Doch die sehen das zum Teil ganz anders: Friedhelm Decker, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbands, hält die Regelungen für eine Farce. Scharf kritisiert er das Vorhaben der Bundesregierung, von dem auch die Bauern entlang des Rheins betroffen sind:

    Diese Maßnahmen halten wir für restlos überzogen und unterstellen zusätzlich, dass hier nicht unbedingt Hochwasserschutzmaßnahmen greifen sollen, sondern dass hier auch der Naturschutz seine Hände im Spiel hat.

    Es sei absurd, die Verursacher von Überschwemmungen in der Landwirtschaft zu suchen. Statt dessen müssten Kommunen und Länder Hochwasserschutzanlagen wieder herstellen, Deiche verstärken und etwas gegen die zunehmende Versiegelung in flussnahen Baugebieten tun. Den Ackerbau in Überschwemmungsgebieten zu untersagen, hält Decker nicht nur für vollkommen sinnlos, sondern sogar für kontraproduktiv: Auf Äckern versickere mehr Niederschlag als auf Grünland. Ein Argument, dem Umweltschützer Heinrich widerspricht:

    Wo der Boden verdichtet ist, und das ist bei Äckern durchaus häufig der Fall, dass zwar oben der Boden locker ist, aber unten durch die Traktoren, die ständig drauf fahren, in 10 cm Tiefe dann doch eine starke Verdichtung eintritt. Das verhindert dann eben genau, dass der Regen versickert, und so können Äcker sogar zur Hochwasserbildung beitragen.

    Wie viel Ackerfläche und wie viele Landwirte in Deutschland von den neuen Bestimmungen betroffen wären, darüber gibt es noch keine genauen Zahlen. Friedhelm Decker schätzt die Verluste allerdings sehr hoch ein:

    Nach unseren Hochrechnungen dürfte sich der Vermögensschaden im Milliardenbereich bewegen, wenn man davon ausgeht, dass diese Flächen, so es denn so käme, gleich dem Enteignungsrecht, für die Produktion und für die Nutzung der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stünden.

    Entschädigungen für die Landwirte sind im Gesetzentwurf zunächst nicht vorgesehen. In Härtefällen allerdings soll das jeweilige Land zahlen. Christoph Heinrich vom Naturschutzbund sieht deshalb die betroffenen Bauern nicht in ihrer Existenz bedroht. Seiner Ansicht nach sind sie diejenigen, die großen Schaden verursachen, indem sie einen wichtigen Aspekt ignorierten:

    Die Gewässerreinhaltung, für die ja Milliardenbeträge für Kläranlagen ausgegeben wurden, dass man es dann nicht hinnehmen kann, dass man immer wieder sieht, wenn Hochwasser auf den Äckern draufsteht, dass dann diese ganzen Milliardeninvestitionen für Kläranlagen einfach mal eben für die Katz waren, weil die Verunreinigung dann an anderer Stelle erfolgt.

    In den neuen Bestimmungen der Bundesregierung sieht Heinrich das richtige Instrument für einen effektiven Hochwasser- und auch Umweltschutz. Sobald der Bundestag das Rahmengesetz verabschiedet hat, liegt es an den Ländern, die Richtlinien in die Praxis umzusetzen. Hier allerdings, fürchtet Heinrich, lasse der Entwurf noch zu viele Schlupflöcher:

    Wir glauben, dass die zahlreichen Ausnahmeregelungen, die die Länder treffen können, dazu führen werden, dass nur ganz wenige Äcker aus den Überschwemmungsgebieten herauskommen.