Archiv


Getränkekarton-Recycling in Finnland

30 Meter lang, 3,5 Meter Durchmesser. In diesem rotierenden Metallzylinder, im Fachjargon "Trommel" genannt, werden die zusammengepressten alten Getränke-Kartonstücke wie in einer Waschmaschine geschleudert. Durch die Rotation und das Wasser trennt sich das Papier von dem Einschlagmaterial aus Polyethylen und Aluminium. Aus den Papierfasern gebrauchter Getränkekartons stellt die finnische Firma Corenso seit 1995 in ihrer Recycling-Anlage in Varkaus stabile Wickelhülsen und Faltkartons für die Papierindustrie her.

Von Eva Bahner |
    Corenso ist eine Tochterfirma von Stora Enso, mit einem zweistelligen Milliarden Umsatz einer der größten Holzverarbeitungskonzerne weltweit. Neben der Herstellung von Zeitschriften- und Zeitungspapier, versorgt Stora Enso unter anderem den deutschen Marktführer Tetrapak mit Pappe für Getränkekartons. Umwelt- und Produktverantwortung gehören für die Finnen zum Geschäft, wie Marketing-Leiter Jorma Ignatius sagt:

    Ökologisch gesehen finden wir, dass es wichtig ist, dass diese Flüssigkeitsverpackungskartons nicht auf der Mülldeponie landen, sondern dass wir diese sehr gute Erstfaser wieder zu Hülsenkartons machen können.


    Der Rest des Getränkekartons - im Schnitt vier Prozent Aluminium und 21 Prozent Kunststoff - fließt in die eigene Biogas-Anlage. Die Kunststoffreste werden verbrannt und damit energetisch verwertet, das Aluminium wird sortenrein getrennt und anschließend an die Metallindustrie verkauft - anders als in deutschen Recycling-Anlagen, wo das Reststoff-Gemisch der Getränkekartons in der Zementverarbeitung Verwendung findet. Das patentierte finnische Recycling-Verfahren der Firma Corenso ist das bislang erste, das alle Materialen vollständig voneinander trennt und zu 100 Prozent wiederverwertet. Jorma Ignatius.

    Wir bekommen von dem Ployethylen die Wärme, die wir sowieso in unserem Werk benötigen, weil Papier- und Kartonmaschinen sehr viel Dampfenergie brauchen.

    Der Großteil der erzeugten Energie fließt in die die eigene Hülsenkartonproduktion, der Rest wird in das Fernwärmenetz der 5000-Einwohner-Stadt Varkaus eingespeist.

    Ein Drittel der in Deutschland gesammelten Getränkekartons, ungefähr 50.000 Tonnen, werden in Finnland recycelt. Die Transportkosten von Norddeutschland bis Varkaus, 300 Kilometer nordöstlich von Helsinki, übernimmt Corenso, und sie schlagen kaum zu Buche, wie Jorma Ignatius versichert:

    Wir verschiffen sehr viel Papier und Karton. Finnland macht ungefähr 15 Millionen Tonnen Papier und Karton, und das muss alles nach Europa verschifft werden. Und dann kommen die Schiffe sowieso leer zurück.

    Inzwischen werden rund 65 Prozent der in Deutschland auf dem Markt befindlichen Getränkekartons wiederverwertet, 60 Prozent schreibt die Verpackungsverordnung des Bundesumweltministeriums vor, um in den Genuss der Bezeichnung einer "ökologisch vorteilhaften Verpackung" zu kommen. Auch in der aktuellen Ökobilanz vom Umweltbundesamt, konnte der Getränkekarton nicht zuletzt wegen der finnischen Methode, die eine 100-prozentige Verwertung möglich macht, punkten gegenüber anderen Verpackungen, wie Wilhelm Wallmann, Geschäftsführer des Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel - kurz FKN - erklärt:

    Das Recycling spielt eine große Rolle. Der Bundesumweltminister hat am 9. August 2000 auf diesen Aspekt hingewiesen, als er den Getränkekarton als "ökologisch vorteilhaft" aufgrund der entsprechenden Untersuchungen erklärt hat. Einmal die Quantität spielt eine große Rolle - 65 Prozent ist ja nicht gerade wenig - und auf der anderen Seite auch das qualitative Moment.

    Auch der Schraubverschluss auf den Getränkekartons, der sich in den vergangenen Jahren immer häufiger auf den Getränkeverpackungen wiederfindet, könne die gute Öko-Bilanz nicht verhageln, versichert Wilhelm Wallmann. Das habe eine von ihnen beauftragte aktuelle Studie ergeben - erstellt nach den ISO-Standards des Bundesumweltamts:

    Man hat optimiert, sowohl im Gewicht als auch an anderen Stellen des Kartons und hat dann im Verhältnis zum Referenzsystem, und das ist Mehrwegglas, festgestellt, dass eben weiterhin die ökologische Vorteilhaftigkeit vorhanden ist. Also insofern war das für uns eine wichtige Angelegenheit.

    Auch wenn mit dem Schraubverschluss der Anteil des wiederverwertbaren Materials sinkt, für den Recycling-Prozess spielt er keine Rolle, weder in Deutschland noch in Finnland.