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Gewässerschutz
Hessen kämpft gegen Chemikalien-Reste im Abwasser

Klärwerke können Medikamenten-Rückstände und andere Chemikalien bisher nicht vollständig aus dem Abwasser filtern. Sie gelangen deshalb in die Umwelt und im schlimmsten Fall ins Trinkwasser. Mit zusätzlichen Reinigungsstufen und einer "Spurenstoff-Strategie" will das Land Hessen das jetzt ändern.

Von Ludger Fittkau | 26.06.2018
    Ein Mitarbeiter der Zentralkläranlage in Büttelborn/ Hessen geht über eine Brücke, die über ein Klärbecken führt
    Wenn die Modellanlagen in Büttelborn und an anderen Orten im hessischen Ried sich bewähren, soll die vierte Reinigungsstufe auch an vielen anderen Stellen in Hessen in die Kläranlagen eingebaut werden (picture alliance/ dpa/ Frank Rumpenhorst)
    "Ich darf Sie heute recht herzlich willkommen heißen, hier auf der kommunalen Kläranlage in Büttelborn. Diese Kläranlage ist von besonderer Bedeutung. Nicht nur für Büttelborn, sondern auch für die Region."
    Sagt Büttelborns Bürgermeister Andreas Rotzinger. Die Gemeinde liegt im sogenannten "Hessischen Ried" im Rheingraben zwischen Mannheim und Mainz. Dort wird das Trinkwasser für Millionen Menschen des Ballungsraums Rhein-Main-Neckar gewonnen. Umso wichtiger sei es nun, so Hessens grüne Umweltministerin Priska Hinz, mit einer vierten Reinigungsstufe in den Kläranlagen der Region Chemikalien aus dem Abwasser zu filtern, die von den bisherigen Kläranlagen nicht erfasst werden können. Etwa Röntgenkontrastmittel oder andere chemische Spurenelemente. Priska Hinz:
    Arzneimittel und andere Chemikalien-Reste gefährden auch das Trinkwasser
    "Denn mit der Anwendung von Arzneimitteln, Haushalts- oder Industriechemikalien gelangen sie in unsere Bäche und Flüsse. Und sie können dort natürlich, wenn sie in besonderer Konzentration auftreten, nachteilige Wirkung haben für den Lebensraum des Gewässers und damit für den Lebensraum der Pflanzen, für die Tiere – aber auch für die Trinkwasserressource."
    Priska Hinz übergab deshalb nun eine Millionenförderung an die Gemeinde Büttelborn für den Ausbau der örtlichen Kläranlage, ein Startschuss für die Umsetzung der sogenannten "Spurenstoffstrategie" im hessischen Ried. Diese umfasst einen 10-Punkte Maßnahmenkatalog von der Verhinderung der Einleitung der chemischen Spurenstoffe zum Beispiel durch Gewerbetriebe oder Krankenhäuser, über den Ausbau der Kläranlagen bis zur Sanierung undichter Abwasserkanäle. Hessen steht mit diesem Konzept nicht allein, betont die hessische Umweltministerin Priska Hinz:
    "Auch das Bundesumweltministerium hatte im November 2016 den Dialog "Spurenstoffstrategie des Bundes" begonnen. Und wir haben nun in Hessen als erstes Bundesland die Ergebnisse der Bundestrategie umfassend durch eine eigene Spurenstoffstrategie auf die regionale Ebene heruntergebrochen und wollen sie in konkrete Maßnahme umsetzen."
    Auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gehören neben Hessen zu den Pionieren bei der Umsetzung der vor zwei Jahren formulierten "Spurenstoffstrategie des Bundes". Die sogenannte "vierte Reinigungsstufe", die nun erstmals im hessischen Ried im Klärwerk Büttelborn eingebaut wird, soll künftig mit Hilfe von Ozon und Aktivkohle einen Großteil der schädlichen Spurenstoffe aus dem Abwasser filtern.
    Kosten für "vierte Reinigungsstufe" zahlen Bürger über Abwassergebühren
    Wenn die Modellanlagen in Büttelborn und an anderen Orten im hessischen Ried sich bewähren, soll die vierte Reinigungsstufe auch an vielen anderen Stellen in Hessen in die Kläranlagen eingebaut werden, erklärt die hessische Umweltministerin Priska Hinz:
    "Man kann sich auch vorstellen, dass Kläranlagen zusammengeführt werden für eine vierte Reinigungsstufe. Da, wo die Einwohnerzahlen zu gering sind, so dass sich eine vierte Reinigungsstufe gar nicht rechnen würde. Am Ende zahlen es die Bürgerinnen und Bürger über die Abwassergebühren."
    Die zusätzlichen Kosten für den Wasserverbraucher werden zwischen 8 und 20 Cent pro Kubikmeter Wasser liegen. Büttelborns CDU-Bürgermeister Andreas Rotzinger hält das für zumutbar:
    "Wir haben, als wir vor 28 Jahren diese Anlage konzipiert haben, immer regelmäßig Wert drauf gelegt, dass wir keine Rückstände haben hier. Wir haben immer Geld in den Erhalt, in den weiteren Ausbau gesteckt, so dass wir heute eigentlich sehr gute Preise haben. Wir sind nicht teuer, im Gegenteil. Das stimmt mich auch sehr zuversichtlich, dass wir mit Augenmaß dieses Bauwerk angehen und die Bürgerinnen und Bürger nicht über Maß strapazieren werden müssen."