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Gewässerschutz Niedersachsen
Flüsse werden renaturiert

Im vorigen Jahrhundert wurden viele Flüsse begradigt: Das Wasser sollte schnell abfließen und die Flächen daneben für die Landwirtschaft oder für Siedlungen nutzbar gemacht werden. Die Folge: Größere Überschwemmungen, weil das Wasser keinen Raum mehr hatte, sich nach starken Regenfällen auszubreiten. Inzwischen werden immer mehr Flüsse renaturiert, auch um den Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu verbessern.

Von Alexander Meister | 20.03.2015
    Wasser fließt durch einen Bach.
    Niedersachsen hat bereits jede Menge Ideen entwickelt, wie sich der Lebensraum für Pflanzen und Tiere an Flüssen verbessern ließe. (picture alliance / dpa - Henning Kaiser)
    "Das ist ein Absturz von 80 Zentimetern. Da kommen die Fische nicht hoch. Da können nur sehr wenige sprungstarke Fische hochspringen. Aber in der Regel ist da eigentlich Schluss. Und um da wieder einen Weg zu schaffen, muss halt eine Sohlgleite geschaffen werden, oder wir bauen einen Umfluter, der dann durchwanderbar ist für die Fische."
    Gewässerexperte Jörg Spicker hat bereits jede Menge Ideen entwickelt, wie sich der Lebensraum für Pflanzen und Tiere verbessern ließe, hier in der Siede, einem kleinen Fluss im Kreis Diepholz, gut 70 Kilometer nordwestlich von Hannover. Ideen etwa zu diesem Wehr, das gebaut wurde, um Felder und Mähwiesen gegen Überschwemmungen zu schützen und nun die Fische hindert, flussaufwärts zu schwimmen.
    Jörg Spicker ist einer von insgesamt neun Gewässerkoordinatoren in Niedersachsen – im Rahmen einer "Gewässerallianz" des Landes. Die "professionellen Kümmerer" vor Ort sind Teil einer neuen Strategie, die das Land jetzt umsetzen will – und dringend umsetzen muss, nachdem das erste Etappenziel einer EU-Richtlinie zum Gewässerschutz deutlich verfehlt wurde, wie Almut Kottwitz, Staatssekretärin im Niedersächsischen Umweltministerium, einräumt.
    "Wir hatten ja die erste Periode: Umsetzung Wasserrahmenrichtlinie bis 2015. Da muss man gestehen, dass das nicht so sehr gut gelungen ist. Wir haben nur zwei Prozent unserer Gewässer in gutem Zustand. Von daher müssen wir jetzt noch mal mit neuem Schwung rangehen. Weil, wir müssen bis 2021 wirklich was vorweisen."
    Schadstoffe durch die Landwirtschaft
    Doch schon jetzt, und nicht erst 2021, droht dem Bundesland ein Verfahren der EU wegen Vertragsverletzung. Denn neben den großen Problemzonen – der kaliversalzten Werra und Weser sowie der extrem verdreckten Ems etwa – sind auch die meisten kleineren Fließgewässer in der Fläche in denkbar schlechtem Zustand: Wegen ihrer begradigten Verläufe, wegen der Schadstoffe aus der Landwirtschaft und weil Fische und andere Lebewesen sie nicht ungehindert durchwandern können. Nun hat das Land in einem Pilotprojekt zunächst mit neun aller 110 örtlichen Wasserverbände in Niedersachsen Verträge abgeschlossen.
    Gewässerkoordinatoren sollen Abhilfe schaffen
    Dort sollen die Gewässerkoordinatoren – zu 80 Prozent auf Kosten des Landes – angestellt sein und das gesammelte Know-how der Verbände nutzen. Problematisch sei daran, dass die Fachleute ihre Arbeit in den kommenden zwei Jahren gerade mal auf 13 Prozent aller niedersächsischen Flüsse und Bäche konzentrieren, findet Vera Konermann, Referentin für Gewässerpolitik beim BUND, dem Bund für Umwelt und Naturschutz, Niedersachsen.
    "Das passiert hier mit den Schwerpunktgewässern, diesen 3300 Kilometern Fließstrecke, die gewählt wurden, wobei es sich um Gewässer handelt, die eben noch von ihrem Arteninventar und ihrer Naturnähe relativ gute Strukturen aufweisen, sodass das Land sich erhofft, diese in guten ökologischen Zustand bringen zu können. Aber wir fragen uns natürlich: Was passiert mit dem Rest? Denn wir brauchen Gewässerschutz flächendeckend..
    Grundsätzlich begrüßt der BUND die Initiative des Landes Niedersachsen. Den Landwirten allerdings kommen die begradigten Flüsse mit ihren Wehren gut zu Pass, weil so das Wasser schneller abfließen kann und die Nutzflächen nicht überschwemmt werden. Immerhin: Für 80 Prozent der ausgewählten Flüsse und Bäche in seinem Verantwortungsbereich im Kreis Diepholz seien bereits Pläne zur Renaturierung erarbeitet, sagt Gewässerkoordinator Jörg Spicker.
    "Das heißt also, wir haben uns mit den Anliegern, mit den Gewässernutzern zusammen gesetzt und haben überlegt, welche Entwicklung wäre hier möglich und trotzdem noch diese Entwässerungsfunktionen zu erhalten. Und die Hinweise, die in diesen Entwicklungsplänen drin sind, die arbeite ich jetzt sozusagen ab. Also das ist dann auch so eine Aufgabe von mir."