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Gewaltsamer Tod eines Kämpfers für Frieden

Am 28. Februar 1986 wurde der schwedische Ministerpräsident Olof Palme erschossen. Die Schweden waren geschockt vom Tod des streitbaren Idealisten, der elf Jahre lang ihre Regierung geführt hatte. Bis heute ist der Mord an Olof Palme nicht aufgeklärt.

Von Ulrich Panzer | 28.02.2006
    "Olof Palme war der letzte Ministerpräsident in Schweden, der mit der U-Bahn gefahren und ins Kino gegangen ist. Als Palme Ministerpräsident wurde, da stand seine Telefonnummer noch im Telefonbuch und man konnte ihn anrufen, persönlich, zuhause. Und er hat selber geantwortet. "

    Auf Personenschutz legte Olof Palme keinen Wert, erinnert sich der Schriftsteller Sven Lindqvist, der mit ihm befreundet war. Seine Leibwächter schickte der Ministerpräsident oft nach Hause. So auch an jenem 28. Februar 1986, ein Freitagabend. Zusammen mit seiner Frau Lisbet geht Palme ins Kino. Gegen elf ist der Film zu Ende. Die beiden machen sich zu Fuß auf den Heimweg. Plötzlich tritt ein Mann von hinten an sie heran. Zwei Schüsse, Palme bricht zusammen. Wenig später stirbt er im Krankenhaus. Der Täter kann unerkannt flüchten.

    Als die Schweden am nächsten Morgen aus dem Radio von dem Mord erfahren, können die meisten es nicht fassen. Das Land befindet sich im Schockzustand. Tausende von Menschen kommen in den folgenden Tagen an den Tatort und legen Blumen nieder oder Briefe. Auf den meisten stehen nur zwei Worte: "Tack Olof" - "Danke Olof".

    Zu der Trauerfeier im Stockholmer Rathaus kommen Gäste aus fast allen Ländern der Welt. Olof Palme war 59 Jahre alt, als er starb. Elf Jahre davon war er schwedischer Ministerpräsident, ein streitbarer Idealist: Er kämpfte für den Wohlfahrtsstaat der Gleichen, in dem es kein Oben und Unten gibt, und gegen die Selbstherrlichkeit der Großmächte.

    1968 protestierte er, damals noch Kultusminister, gegen den Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei. Im selben Jahr führte er im Zentrum Stockholms einen Demonstrationszug gegen den Vietnamkrieg an. Als Ministerpräsident engagierte sich Palme für ein Ende der Apartheidspolitik in Südafrika und für die Rechte der Entwicklungsländer. Sein zentrales Thema war die Friedenspolitik. Bei einem Deutschlandbesuch 1985 warnte er vor der Gefahr des atomaren Wettrüstens:

    "Es wird immer mehr offenbar, dass die Menschen die Abschreckung mit Kernwaffen nicht akzeptieren, diese Art und Weise, die ganze Menschheit als eine Art Geisel zu nehmen. Dieses System ist ein sehr zerbrechliches Sicherheitssystem. Die Stabilität wird die ganze Zeit hindurch von dem endlosen Wettrüsten untergraben. Es ist wie wenn jemand drogensüchtig ist: Man braucht ständig immer größere Dosen."

    Während Olof Palme im Ausland als Friedenspolitiker verehrt wurde, existierte in weiten Kreisen Schwedens ein regelrechter Palme-Hass: Konservative warfen dem Spross einer großbürgerlichen Familie, der mehrere Fremdsprachen beherrschte und politische Gegner gern seine intellektuelle Überlegenheit spüren ließ, Klassenverrat und Arroganz vor. Bei öffentlichen Auftritten wirkte er polarisierend, bisweilen demagogisch. Privat war er charmant und ohne Dünkel. Eine sozialdemokratische Zeitung bezeichnete Palme wegen seiner ungebügelten Anzüge, schiefhängenden Krawatten und des meist ungekämmten Haars einmal als einen der zehn schlechtest gekleideten Schweden.

    Nach dem Mord verfolgte die Polizei zahlreiche Spuren, die alle in die Irre führten: Mal wurde die PKK verdächtigt, mal der KGB, die CIA, der iranische Geheimdienst oder die kroatische Ustascha. Ende der 80er Jahre wurde ein einschlägig vorbestrafter Schwede als angeblicher Einzeltäter verurteilt, in zweiter Instanz jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Hartnäckig hält sich der Verdacht, dass hinter der Tat rechtsradikale Kreise innerhalb der schwedischen Polizei stehen könnten. Der Journalist Lars Borgnäs:

    "Wir wissen, dass es in der Stockholmer Polizei damals eine Gruppe von Beamten gab, die rechtsradikal orientiert waren, fast schon Neonazis. Einer dieser Polizeioffiziere hatte Zugang zu einem Apartment, ein paar hundert Meter vom Tatort entfernt, genau an der Stelle, wo der Mörder plötzlich verschwand. Wir wissen auch, dass einige Freunde dieses Offiziers in der Nähe waren. Alle diese Hinweise sind von der Polizei beiseite geschoben worden. Es scheint, als seien ihnen die Ermittlungsbehörden regelrecht ausgewichen."

    Anders als das Attentat auf die spätere Außenministerin Anna Lindh ist der Palme-Mord nach wie vor unaufgeklärt. Ein Trauma für die schwedische Gesellschaft, bis heute.