Vom Hafen sind es nur wenige Schritte bis zum Rathaus. Im 2. Stock der barocken Residenz hat sie ihr lichtdurchflutetes Amtszimmer, ein Spiegelkabinett mit antiken Möbeln, Deckenmalereien und einem peinlich ordentlichen Schreibtisch, der in einem gewaltigen Kontrast steht zu dem Chaos, das sich draussen vor dem Rathaus abspielt. Selbst durch die geschlossenen Fenster dringt der Verkehrslärm. Von hier aus blickt die Bürgermeisterin direkt in den Hafen.
Der Hafen von Neapel steckte noch vor nicht allzu langer Zeit in großen Schwierigkeiten. Aber zur Zeit erlebt er eine regelrechte Blüte. Der Umschlag an Waren und Passagieren hat erheblich zugenommen Und täglich werden mehrere Hundert Container entladen.
Rosa Russo Jervolino ist seit fast vier Jahren Stadtoberhaupt, sie ist eine in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Persönlichkeit in der italienischen Politik. Die 68-jährige ehemals christdemokratische Abgeordnete hatte es bis zur Innenministerin gebracht, war dann für die italienische Linke ins Rennen gegangen und hatte den Wahlkampf um den Posten des Bürgermeisters der schwierigsten Metropole Italiens ohne Probleme gewonnen.
Hier, sehen Sie selbst: die Passagierschiffe und die Handelsschiffe, die ununterbrochen anlegen. Das ist erfreulich. Es hat aber eben auch etwas weniger Erfreuliches zur Folge. Denn durch die Zunahme des Warenverkehrs ist natürlich auch der Drogenhandel angestiegen. Rauschgift, das sowohl für den Verbrauch in Neapel selbst bestimmt ist wie auch für die nordeuropäischen Märkte. Ein negativer Nebeneffekt einer an sich positiven Entwicklung, der Aufschwung des Hafens.
Rosa Russo Jervolino hat zwei herausragende Merkmale. Eine gediegene Eleganz, die ihrer Figur den Ausdruck einer Nobildonna, einer Neapolitanerin aus altem Adel verleiht. Und eine Stimme, die schrill und unangenehm klingt und so gar nicht zu ihrer politischen Autorität passt. Sie stört das offensichtliche Bemühen der Bürgermeisterin, das Drama in ihrer Stadt herunterzuspielen, das täglich neue Opfer fordert. Langsam und bedächtig erklärt sie dem Besucher, welches die Gründe für die jüngste Mordserie in Neapel sind.
Das organisierte Verbrechen in den ärmeren Stadtvierteln lebte früher vom Zigarettenschmuggel. Der Schwarzmarkt der Zigaretten ist inzwischen aber zusammengebrochen. Inzwischen kassiert die Camorra Schutzgeld, eine Art von erzwungener Abgabe für die Geschäftsleute. Vor allem aber kontrolliert sie den Drogenhandel. Was ist nun in jüngster Zeit passiert? Der Clan di Lauro, der den Rauschgifthandel in einigen Stadtvierteln wie Scampia und Secondigliano in der Hand hatte, ist zur Zeit ohne Führung: gegen seinen Chef mit dem Spitznamen Ciro der Millionär wurde Haftbefehl erlassen. Er musste fliehen und hat seine Geschäfte den beiden Söhnen überlassen. Die jedoch hatten nicht die Autorität, den Clan zusammenzuhalten. Der Clan hat sich geteilt, in Getreue und Abtrünnige und die befinden sich nun im Krieg und bringen sich gegenseitig um.
Rosa Russo Jervolino räuspert sich. Es klopft, ein livrierter Kellner mit einem silbernen Tablett tritt ein. Er stellt Espressotässchen auf den niedrigen Tisch zwischen Bürgermeisterin und Besucher und zieht sich schweigend zurück.
Ich muß ihnen nun etwas sagen, was paradox erscheinen mag. Für die Polizei sind die Zeiten, in denen nichts passiert, gefährlicher, denn offenbar herrscht dann Einigkeit in der Camorra und die Geschäfte laufen gut. Dagegen sind die derzeitigen Ereignisse zwar dramatisch, aber auch sehr günstig für die Ermittler der Polizei, denn sie können sich jetzt zwischen die Fronten einschmuggeln.
Die Signora ist mit Leib und Seele Neapolitanerin. Vor jeden tragischen Aspekt dieser unregierbaren Metropole stellt sie mit Nonchalance prächtige Fassaden, für die seit Jahrzehnten unhaltbare Zustände sieht sie klare Lösungen, die nur einen Haken haben, sagt sie: es braucht viel Geduld. Und, so muß man stillschweigend hinzufügen, viel Optimismus. Denn die hochfliegenden Pläne der Stadtverwaltung stürzen oft allzu unsanft in gähnend leere Kassen. Die Bürgermeisterin steht vom Besuchersofa auf und geht zu ihrem Schreibtisch. Dort nimmt sie ein Blatt von einem kleinen Papierstapel und hält es hoch.
Die Stadt kann wenig gegen den Drogenhandel unternehmen. Wir haben nicht die Mittel dafür, und eigentlich ist es auch außerhalb unser Kompetenz. Aber wir versuchen, die Schutzgelderpressung und die Wucherei zu bekämpfen. Heute morgen habe ich diesen Aufruf an die Bürger verfasst, sich dagegen zu wehren und die Ordnungskräfte in ihrem Kampf gegen das Verbrechen zu unterstützen.
Ein Plakat gegen Schutzgelderpresser, die schätzungsweise 4 Mrd. Euro im Jahr umsetzen, das ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Wie David gegen Goliath. Umso mehr kommt es darauf an, den äußeren Schein zu wahren. Und deshalb ist Rosa Russo Jervolino eine ideale Bürgermeisterin für die unregierbare Stadt Neapel. Sie verliert nicht die Geduld bei den immer wieder gleichen unangenehmen und bohrenden Fragen nach Gewalt und Kriminalität in ihrer Stadt. Sie wird nie auch nur eine Falte in ihrem eleganten Kostüm haben oder einen ungebügelten Plisseestreifen in ihrer Rüschenbluse. Ihr Haar wird stets perfekt ihr intelligentes Gesicht umrahmen und nie wird sie eine schlechte Figur abgeben. Sie ist die personifizierte Inszenierung der neapolitanischen Seele.
Der Hafen von Neapel steckte noch vor nicht allzu langer Zeit in großen Schwierigkeiten. Aber zur Zeit erlebt er eine regelrechte Blüte. Der Umschlag an Waren und Passagieren hat erheblich zugenommen Und täglich werden mehrere Hundert Container entladen.
Rosa Russo Jervolino ist seit fast vier Jahren Stadtoberhaupt, sie ist eine in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Persönlichkeit in der italienischen Politik. Die 68-jährige ehemals christdemokratische Abgeordnete hatte es bis zur Innenministerin gebracht, war dann für die italienische Linke ins Rennen gegangen und hatte den Wahlkampf um den Posten des Bürgermeisters der schwierigsten Metropole Italiens ohne Probleme gewonnen.
Hier, sehen Sie selbst: die Passagierschiffe und die Handelsschiffe, die ununterbrochen anlegen. Das ist erfreulich. Es hat aber eben auch etwas weniger Erfreuliches zur Folge. Denn durch die Zunahme des Warenverkehrs ist natürlich auch der Drogenhandel angestiegen. Rauschgift, das sowohl für den Verbrauch in Neapel selbst bestimmt ist wie auch für die nordeuropäischen Märkte. Ein negativer Nebeneffekt einer an sich positiven Entwicklung, der Aufschwung des Hafens.
Rosa Russo Jervolino hat zwei herausragende Merkmale. Eine gediegene Eleganz, die ihrer Figur den Ausdruck einer Nobildonna, einer Neapolitanerin aus altem Adel verleiht. Und eine Stimme, die schrill und unangenehm klingt und so gar nicht zu ihrer politischen Autorität passt. Sie stört das offensichtliche Bemühen der Bürgermeisterin, das Drama in ihrer Stadt herunterzuspielen, das täglich neue Opfer fordert. Langsam und bedächtig erklärt sie dem Besucher, welches die Gründe für die jüngste Mordserie in Neapel sind.
Das organisierte Verbrechen in den ärmeren Stadtvierteln lebte früher vom Zigarettenschmuggel. Der Schwarzmarkt der Zigaretten ist inzwischen aber zusammengebrochen. Inzwischen kassiert die Camorra Schutzgeld, eine Art von erzwungener Abgabe für die Geschäftsleute. Vor allem aber kontrolliert sie den Drogenhandel. Was ist nun in jüngster Zeit passiert? Der Clan di Lauro, der den Rauschgifthandel in einigen Stadtvierteln wie Scampia und Secondigliano in der Hand hatte, ist zur Zeit ohne Führung: gegen seinen Chef mit dem Spitznamen Ciro der Millionär wurde Haftbefehl erlassen. Er musste fliehen und hat seine Geschäfte den beiden Söhnen überlassen. Die jedoch hatten nicht die Autorität, den Clan zusammenzuhalten. Der Clan hat sich geteilt, in Getreue und Abtrünnige und die befinden sich nun im Krieg und bringen sich gegenseitig um.
Rosa Russo Jervolino räuspert sich. Es klopft, ein livrierter Kellner mit einem silbernen Tablett tritt ein. Er stellt Espressotässchen auf den niedrigen Tisch zwischen Bürgermeisterin und Besucher und zieht sich schweigend zurück.
Ich muß ihnen nun etwas sagen, was paradox erscheinen mag. Für die Polizei sind die Zeiten, in denen nichts passiert, gefährlicher, denn offenbar herrscht dann Einigkeit in der Camorra und die Geschäfte laufen gut. Dagegen sind die derzeitigen Ereignisse zwar dramatisch, aber auch sehr günstig für die Ermittler der Polizei, denn sie können sich jetzt zwischen die Fronten einschmuggeln.
Die Signora ist mit Leib und Seele Neapolitanerin. Vor jeden tragischen Aspekt dieser unregierbaren Metropole stellt sie mit Nonchalance prächtige Fassaden, für die seit Jahrzehnten unhaltbare Zustände sieht sie klare Lösungen, die nur einen Haken haben, sagt sie: es braucht viel Geduld. Und, so muß man stillschweigend hinzufügen, viel Optimismus. Denn die hochfliegenden Pläne der Stadtverwaltung stürzen oft allzu unsanft in gähnend leere Kassen. Die Bürgermeisterin steht vom Besuchersofa auf und geht zu ihrem Schreibtisch. Dort nimmt sie ein Blatt von einem kleinen Papierstapel und hält es hoch.
Die Stadt kann wenig gegen den Drogenhandel unternehmen. Wir haben nicht die Mittel dafür, und eigentlich ist es auch außerhalb unser Kompetenz. Aber wir versuchen, die Schutzgelderpressung und die Wucherei zu bekämpfen. Heute morgen habe ich diesen Aufruf an die Bürger verfasst, sich dagegen zu wehren und die Ordnungskräfte in ihrem Kampf gegen das Verbrechen zu unterstützen.
Ein Plakat gegen Schutzgelderpresser, die schätzungsweise 4 Mrd. Euro im Jahr umsetzen, das ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Wie David gegen Goliath. Umso mehr kommt es darauf an, den äußeren Schein zu wahren. Und deshalb ist Rosa Russo Jervolino eine ideale Bürgermeisterin für die unregierbare Stadt Neapel. Sie verliert nicht die Geduld bei den immer wieder gleichen unangenehmen und bohrenden Fragen nach Gewalt und Kriminalität in ihrer Stadt. Sie wird nie auch nur eine Falte in ihrem eleganten Kostüm haben oder einen ungebügelten Plisseestreifen in ihrer Rüschenbluse. Ihr Haar wird stets perfekt ihr intelligentes Gesicht umrahmen und nie wird sie eine schlechte Figur abgeben. Sie ist die personifizierte Inszenierung der neapolitanischen Seele.