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Gewerkschaft der Polizei (GDP)
"Die Absage in Hannover war absolut gerechtfertigt"

Die Absage des Fußballfreundschaftsspiels in Hannover aufgrund einer Gefährdungslage sei absolut gerechtfertigt gewesen, sagte Dietmar Schilff, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GDP). Für ihn sei völlig klar, dass so eine Entscheidung nicht leicht gefällt werde. Mit Blick auf künftige Polizeiarbeit kritisierte er jedoch die Ausstattung der Sicherheitsbehörden.

Dietmar Schilff im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Zwei Polizisten stehen auf der Tribüne des Fußballstadions in Hannover.
    Keine Panikmache, sondern die richtige Entscheidung: Dietmar Schilff von der Gewerkschaft der Polizei bezeichnet die Absage des Fußballfreundschaftsspiels in Hannover im Deutschlandfunk als "gerechtgertigt". (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Dietmar Schilff, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Guten Abend, Herr Schilff.
    Dietmar Schilff: Guten Abend, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Schilff, dass das Spiel abgesagt wurde, das könnte darauf hindeuten, wie ernst dieser Hinweis zu nehmen war. Viele werden vielleicht aber auch sagen, das Ganze ist Panikmache gewesen. Wie ist da Ihre Meinung? War die Absage des Spiels richtig?
    Schilff: Bei der Gefährdungslage, die wir haben, war die Absage absolut gerechtfertigt.
    Heckmann: Woraus schließen Sie das?
    Schilff: Man hat ja gerade auch über die Pressekonferenz und auch von Ihrem Sicherheitsexperten erfahren, dass es konkrete Hinweise gegeben haben muss. Ich bin sehr froh, dass es nicht zu Unfällen, zu Verletzten oder was Schlimmerem gekommen ist und dass es zurzeit, nach dem jetzigen Stand - die Stadt ist ja noch voll von Polizeieinsatzkräften; ich bin auch noch in Hannover - nicht dazu gekommen ist. Insofern ist die Absage, wenn es so konkret gewesen sein soll, absolut gerechtfertigt.
    Heckmann: Das heißt, Sie schließen das aus, dass sich da möglicherweise nur jemand einen üblen Scherz erlaubt hat und die Sicherheitsbehörden da vielleicht etwas überzogen reagiert haben?
    Schilff: Das ist natürlich nicht auszuschließen. Aber wenn man den Aussagen von Herrn de Maizière Glauben schenkt - und das scheint ja keiner von uns anzuzweifeln -, dann ist es ja so, dass er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Ich war selber bei der Pressekonferenz dabei, habe das aus seinem eigenen Mund erfahren und gehört. Insofern ist die Aussage ja nachvollziehbar, dass die Hinweise sehr konkret gewesen sind. Im Übrigen wissen wir, dass der gesamte Tag sehr unruhig gewesen ist: Die Festnahmen in Aachen, die letztendlich wieder dazu geführt haben, dass die Verdächtigen freigelassen worden sind, haben für eine große Unruhe gesorgt, und es stand letztendlich Spitz auf Knopf, bis die Entscheidung gekommen ist, dass man das Spiel doch durchführen will. Und dann kam ja kurz vor dem Spielbeginn die Absage.
    "Ein fatales Zeichen natürlich gegen den Terror"
    Heckmann: Ich habe es gerade schon mal erwähnt: Der Innenminister wurde gefragt, ob denn die Gefährdungslage derzeit noch anhalte. Darauf hat er doch ziemlich ausweichend geantwortet beziehungsweise eigentlich gar nicht. Worauf deutet das für Sie hin? Müssen wir davon ausgehen, dass gerade in Hannover die Gefährdungslage immer noch so hoch ist?
    Schilff: Der Innenminister aus Niedersachsen, Herr Pistorius, hat eindeutig gesagt, dass die auch zusätzlich angeforderten Polizeikräfte von heute Nachmittag hier natürlich weiterhin Streife fahren, um nach außen zu signalisieren, wir sind wachsam. Ich denke, das ist gerechtfertigt. Was dann am nächsten Morgen passieren wird, wird sich zeigen. Das gilt es natürlich erst nachzuarbeiten. Aber klar ist: So eine Entscheidung ist niemandem leicht gefallen. Ich selber war am Sonntag und Montag in Dublin auf einer internationalen Polizeikonferenz, wo es auch um das Thema internationaler Terrorismus gegangen ist, und bin extra frühzeitig hierher zurückgeflogen - die geht nämlich noch bis morgen -, um ein Zeichen zu setzen gegen den Terror, um deutlich zu machen, dass wir uns nicht davon abschrecken lassen, war bei der Lichterkette am Trammplatz mit dabei, und insofern ist das schon schockierend, als ich im Stadion gewesen bin und im Stadion vor Öffnung der Stadiontore mitbekommen habe, dass das Spiel abgesagt ist. Ein fatales Zeichen natürlich gegen den Terror und wir müssen uns darüber Gedanken machen und parteiübergreifend, ohne Ränkespiele, wie wir mit der Situation umgehen.
    Heckmann: Und wie sollen wir damit umgehen?
    Schilff: Das wird sich jetzt herausstellen. Ich hoffe, dass jetzt alle politisch Verantwortlichen dort auch sachlich und konstruktiv arbeiten. Sonst spielt das anderen politischen Hardlinern in die Hände, und das wollen wir, denke ich, alle nicht.
    Heckmann: Aber es könnte sich ja die Situation jetzt auch so entwickeln, dass immer mehr Trittbrettfahrer möglicherweise aufspringen und durch einen kurzen Anruf oder eine Warnung Großveranstaltungen, die ja jetzt kommen werden, auch an diesem Wochenende kommen werden, auf die Art und Weise sprengen.
    Schilff: Das kann man mutmaßen. Im wahrsten Sinne des Wortes soll nicht gesprengt werden. Aber es kann sein, dass sie abgesagt werden. Hier sind die Sicherheitsbehörden in der Abwägung. Und wir hören ja, dass die Entscheidung, die jetzt gerade getroffen worden ist, nicht leicht gefallen ist. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass wir sehr genau solchen Hinweisen nachgehen müssen und eventuell das eine oder andere Mal muss man überlegen, ob man eine Veranstaltung durchführt oder nicht. Wir sind schon seit längerer Zeit - das hat Ihr Sicherheitsexperte sehr korrekt und richtig dargestellt - im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus. Das wird auch immer bestätigt von Herrn de Maizière und anderen. Insofern ist das schon keine abstrakte Gefahr, sondern wir sind konkret auch im Fadenkreuz, ohne einen konkreten Anschlagshinweis in den letzten Wochen und Monaten gehabt zu haben.
    "Sicherheitsbehörden nicht so ausgestattet, wie sie das sein müssten"
    Heckmann: Die Gefährdungslage ist hoch, hat der Innenminister gesagt. Was kommt da auf die Polizeibeamten in Deutschland zu? Worauf richten sie sich ein?
    Schilff: Wir kritisieren ja schon seit Jahren, Herr Heckmann, dass die Sicherheitsbehörden nicht so ausgestattet sind, wie sie das normalerweise sein müssten. In den letzten 15 Jahren sind über 12 bis 13.000 Stellen bei der Polizei und Bundespolizei abgebaut worden. Wir haben immer davor gewarnt, dass neben der Alltagskriminalität natürlich auch dieses Thema ernst genommen werden muss. Man muss jetzt zum einen personell absolut aufstocken. Man muss die Frage stellen, welche Aufgabe muss die Polizei zukünftig noch übernehmen. Und man muss die Technik natürlich auch verbessern. Unsere Forderung ist natürlich selbstverständlich auch das Thema, Daten zu sichern im Nachhinein, auch wenn ein Anschlag wie zum Beispiel in Paris nicht hätte vereitelt werden können, aber wir wollen schon Strukturen wissen: Wer hat wann mit wem telefoniert? Ich glaube, dafür ist auch die deutsche Politik den Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich, dass man den Tätern dann letztendlich habhaft werden kann.
    Heckmann: Mit welchen Gefühlen denken Sie jetzt ans nächste Wochenende, an die nächsten Großveranstaltungen, im Zusammenhang mit der Bundesliga beispielsweise?
    Schilff: Ich habe da ein Bauchgrummeln, auch als ich heute dabei gewesen bin ein Bauchgrummeln. Es war eine angespannte Ruhe in der Stadt. Auch meine Kolleginnen und Kollegen, die Gott sei Dank alle gesund nachhause gekommen sind - das ist für uns als Gewerkschaftsvertretung auch immer wichtig -, haben dieses Bauchgrummeln natürlich auch. Das kann man nicht wegdiskutieren. Jeder Einsatz auf der Straße oder wo es einen Einsatz mit unterschiedlichen Ansätzen gibt - und solch ein Einsatz ist nichts Normales -, das werden wir nacharbeiten müssen und mit den Kolleginnen und Kollegen auch diskutieren müssen.
    Heckmann: Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Dietmar Schilff war das hier live im Deutschlandfunk. Herr Schilff, danke Ihnen, dass Sie sich zu später Stunde noch die Zeit genommen haben.
    Schilff: Ich wünsche allen Hörern und Hörerinnen eine gute Nacht.
    Heckmann: Schönen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.