Archiv


Gewerkschaftsbund fordert Boni für Mitglieder

Die Bereichsleiterin Arbeitsrecht des DGB-Bundesvorstands, Helga Nielebock, unterstützt die Forderung des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Karl-Josef Laumann, Gewerkschaftsmitgliedern Lohnboni zu gewähren. Gewerkschaftsmitglieder würden sich "aktiv für einen Tarifvertrag einsetzen und das Risiko eines Streiks auf sich nehmen". Daher sei es "mehr als gerechtfertigt, dass sie diesen Bonus erhalten und es ausgeschlossen ist, dass es Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern gezahlt wird".

Helga Nielebock im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), beansprucht ja, seitdem er erfolgreich für ein längeres Arbeitslosengeld gekämpft hat, die Rolle als Arbeiterführer an Rhein und Ruhr für sich. Er focht dafür, dass ältere Arbeitnehmer wieder länger als nur die zwölf Monate lang Arbeitslosengeld I beziehen sollen. Kanzlerin Angela Merkel griff das alles damals widerwillig auf und in der SPD trieb es ja den Keil zwischen Kurt Beck und Franz Müntefering.

    Jetzt kommt eine neue Idee aus Düsseldorf. Gewerkschaftsmitglieder sollen bei Tarifabschlüssen bevorzugt werden dürfen. Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister in Düsseldorf (CDU), im Deutschlandfunk:

    "Das heißt also, dass zum Beispiel es Zahlungen geben könnte, die mit Jahresabschlussprämien zusammenhängen oder anderen Dingen, die eben vereinbart sind im Tarifvertrag, die nur gelten für diejenigen, die auch diesem Tarifvertrag angehören. Das ist rechtlich haltbar. Wir wollen auch, dass man organisiert ist, dass man die Tarifautonomie stärkt. Ich will, dass Gewerkschaftsmitglieder gut verdienen, aber ich kann nicht auf der anderen Seite sagen, dass man verbietet, es auch den anderen zu geben. Aber ich sage noch einmal: wenn bestimmte Zahlungen nur für Gewerkschaftsmitglieder zur Verfügung stehen, ist das völlig in Ordnung, denn die Gewerkschaften haben auch diese Tarifverträge abgeschlossen."

    Meurer: In Berlin begrüße ich Helga Nielebock. Sie ist Bereichsleiterin Arbeitsrecht beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Guten Tag, Frau Nielebock.

    Nielebock: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Spricht die CDU in Nordrhein-Westfalen mit ihrem Papier, mit dem, was sie da jetzt vorgelegt hat, Ihnen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund voll und ganz aus dem Herzen?

    Nielebock: In vielen Punkten können wir das Papier unterstützen. Wir finden es richtig, dass auch die Politik Artikel 9.3 und die Tarifautonomie unterstützt, und wir halten es auch für sinnvoll, dass sie sich neuen modernen Ansätzen wie Differenzierungsklauseln stellt.

    Meurer: Artikel 9.3, was ist das?

    Nielebock: Das schützt die Koalitionsfreiheit, das heißt die Beitrittsmöglichkeiten zu einer Gewerkschaft, das Wirken einer Gewerkschaft für zum Beispiel Tarifverträge und das Streikrecht.

    Meurer: Nun gibt es aber auch im Arbeitsrecht, Frau Nielebock, einen Begriff der negativen Koalitionsfreiheit. Und das Bundesarbeitsgericht hat schon mal solche Bonusregeln verworfen, weil man auch das Recht haben muss, Nein zu sagen zu einer Koalition, zu einer Gewerkschaft. Denken Sie, dass das jetzt vom Bundesarbeitsgericht oder anderen Gerichten anders gesehen wird?

    Nielebock: Das Institut der negativen Koalitionsfreiheit ist in der Tat von der Rechtsprechung erfunden worden. Es wird als Abgrenzungsmerkmal benutzt. Ob eine Regelung noch akzeptabel ist oder nicht, also ob diese Freiheit, einer Organisation fern zu bleiben, zu stark beeinträchtigt wird oder nicht. Und es gibt aber Entscheidungen, die sagen, wenn der Druck nicht zu stark ist, der ausgeübt wird, kann diese negative Koalitionsfreiheit und deren Einschränkung auch hingenommen werden.

    Meurer: Wie stark darf dieser Druck Ihrer Meinung nach sein?

    Nielebock: Bei dieser Frage der tariflichen Differenzierungsklausel geht es ja darum, dass das, was der Tarifvertrag vorsieht, also eine Bonusregelung, in einem Punkt zum Beispiel nur Gewerkschaftsmitgliedern zusteht. Das ist die Frage, um die gestritten wird.

    Und hier sagen wir, wenn die Gewerkschaftsmitglieder dafür nicht nur einen monatlichen Beitrag von einem Prozent ihres Lohnes hier ja abgeben, sondern sich auch aktiv einsetzen für die Verwirklichung der gewerkschaftlichen Ziele und für einen Tarifvertrag und gar noch das Risiko eines Streiks auf sich nehmen müssen, ist es mehr als gerechtfertigt, dass sie diesen Bonus auch erhalten und es ausgeschlossen ist, dass es Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern gezahlt wird.

    Meurer: Sie werden dann in den Betrieben aber je nachdem zwei Klassen haben. Die einen kriegen weniger Geld für die gleiche Arbeit wie die anderen. Stört das den Betriebsfrieden nicht?

    Nielebock: Es ist so, dass das Recht der Gewerkschaftsmitglieder ist, dass sie diesen Anspruch verwirklichen. Das steht ihnen qua Gesetzt zu. Die anderen haben dieses Recht überhaupt nicht, sondern: Diese Möglichkeit räumt der Arbeitgeber ein. Das heißt, es ist in seiner Entscheidungsfreiheit, ob die nicht tarifgebundenen, also die Nicht-Gewerkschaftsmitglieder einen Anspruch realisieren können oder nicht.

    Meurer: Warum sollte der Arbeitgeber freiwillig mehr Geld zahlen, als er laut Tarifvertrag muss?

    Nielebock: Das tut er ganz stark und fast in jedem Betrieb deshalb, weil er natürlich nicht will, dass noch mehr Arbeitnehmer eintreten in die Gewerkschaft und es sozusagen für die Arbeitnehmer nicht aus finanziellen Interessen interessant ist beizutreten.

    Meurer: Nur es bleibt aber schon dabei, Frau Nielebock, die Gewerkschaften haben doch ein Interesse daran, dass ihre Mitglieder mehr Geld bekommen als Nicht-Mitglieder im gleichen Betrieb.

    Nielebock: Unser Hauptinteresse mit den Tarifverträgen ist das, dass wir den Unterbietungswettbewerb, den die Arbeitnehmer, wenn sie ihre Arbeitskraft anbieten, untereinander darstellen, das wir den unterbinden, und die Arbeitgeber haben im Tarifvertrag das Interesse, dass ihre Konkurrenzsituation über die Löhne beendet wird.

    Und deshalb kommen die verschiedenen Interessen zusammen zu einem Tarifvertrag. Und das ist unser Hauptinteresse, dass dieser Unterbietungswettbewerb aufhört. Und deshalb treten wir dafür ein und es ist natürlich besser, auf gleicher Augenhöhe auch zu verhandeln, je mehr wir sind. Und deshalb sind wir natürlich daran interessiert, dass die Gewerkschaftsmitglieder möglichst zahlreich sind, weil wir dann insgesamt stärker sind.

    Meurer: Um das mal zu verdeutlichen. Ist es möglich und wollen Sie, dass die Möglichkeit besteht, dass Gewerkschaftsmitglieder beispielsweise fünf Prozent Tarifanhebung bekommen und die anderen nur drei Prozent?

    Nielebock: Also, in der Praxis wird es nicht am direkten Lohn festgemacht, sondern es sind sogenannte Bonus-Regelungen, über die entschieden wird. So gibt es zum Beispiel Entscheidungen, die sich mit einem zusätzlichen Urlaubs-Bonus auseinandersetzen oder einer besonderen Sonderzahlung für eine bestimmte Verlagerung, ja. Das ist das, was in der Realität diskutiert wird. Es geht nicht darum, flächendeckend die Tariflöhne abzuschotten.

    Meurer: Aber in der Summe kann das schon ein paar hundert Euro im Jahr ausmachen?

    Nielebock: Ja. Das ist auch adäquates Äquivalent, weil das Gewerkschaftsmitglied ja durchaus mehr einsetzt und sich mehr engagieren muss, auch ein höheres Risiko hat, dass es möglicherweise gekündigt wird, weil sein Engagement dann bekannt wird, als ein nicht tarifgebundener. Und man muss zum Beispiel auch gucken, ob er in der Tarifkommission mitarbeitet, sich öffentlich bekundet zu diesen Tarifforderungen und Ähnliches.

    Meurer: Noch ganz kurz. Was haben Sie von Mitgliedern, die nicht aus Überzeugung Gewerkschaftsmitglieder sind, sondern aus purem Opportunismus?

    Nielebock: Bei der Überzeugung geht es doch darum, dass wir gemeinsam bessere Arbeits- und Lebensbedingungen erreichen. Dazu gehört natürlich auch, dass tatsächlich sich das auszahlt. Und nur dann sind die Früchte des Tarifvertrages, die gemeinsam erstritten werden, ja auch sichtbar. Deshalb ist der materielle Vorteil ein wichtiger und nicht wegzudenkender Vorteil, der natürlich mit jeder Tarifbewegung auch in Verbindung steht.

    Meurer: Helga Nielebock, Bereichsleiterin Arbeitsrecht beim DGB-Bundesvorstand, bei uns im Deutschlandfunk. Schönen Dank und auf Wiederhören, Frau Nielebock.

    Nielebock: Bitte sehr, Herr Meurer.