Sri Lanka, bis 1972 Ceylon – das sind schier endlose Palmen-Strände, faszinierende Gebirgslandschaften und Kulturdenkmäler aus drei Jahrtausenden. Ein Paradies – verwüstet allerdings vom bis vor kurzem endlos erscheinenden Krieg zwischen der singhalesischen Regierung und aufständischen Tamilen aus Nord-Sri Lanka, den sogenannten Jaffna-Tamilen.
Seit mehr als 2000 Jahren leben aus Indien stammende Singhalesen und Jaffna-Tamilen auf Sri Lanka – gemeinsam mit Muslimen und Abkömmlingen tamilischer Teearbeiter, die wegen ihrer niedrigen Kaste von vielen "Jaffna"-Tamilen eher abschätzig behandelt werden. Die meist hinduistischen Jaffna-Tamilen stellen gut ein Zehntel der Bevölkerung Sri Lankas, die in der Regel buddhistischen Singhalesen fast drei Viertel. Herrliche Bauwerke, Kunst und Literatur zeugen von gegenseitiger kultureller Befruchtung – wenngleich man einander immer wieder bekriegte, wegen territorialer Zwiste.
Die Saat für einen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen legten britische Kolonialherren, die – nach Portugiesen und Holländern – Sri Lanka Anfang des 19. Jahrhunderts besetzten. Das Bildungsangebot britischer Missionare nahmen vor allem die Tamilen wahr, berichtet der Dortmunder Sri Lanka-Experte Walter Keller, während Singhalesen weiterhin buddhistische Klosterschulen besuchten. In der Konsequenz besetzte die Kolonialverwaltung überproportional viele Jobs mit Tamilen – sehr zum Verdruss der Singhalesen, die nach dem Abzug der Briten 1948 die Diskriminierung umkehrten: 1956 erklärte Staatschef Bandaranaike Singhalesisch zur alleinigen Amtssprache.
Mit diesem Gesetz verbunden war dann auch die Zurückdrängung weiter Teile der tamilischen Bevölkerung, die bis dahin im Verwaltungsbereich relativ stark etabliert war. Und über die Zeit hat sich dann diese Diskriminierung fortgesetzt, beispielsweise auch, als Frau Banderanaike, die zwischen 1970 und 1977 Premierministerin war, ein Zulassungsgesetz für die Hochschulen erließ, und unter diesem Zulassungsgesetz mussten dann tamilische Jugendliche einen höheren Notendurchschnitt vorweisen, um einen Studienplatz bekommen zu können, als Singhalesen mussten.
...woraus einige junge Tamilen eine für sie logische Konsequenz zogen. Sie entschieden sich für den Separatismus. 1975 gründete der damals 20-jährige Bauernsohn Velupillai Prabhakaran die "Befreiungstiger von Tamil Eelam", LTTE. Das Ziel: ein unabhängiger Staat der Jaffna-Tamilen im Norden und Osten Sri Lankas.
Ab Anfang der 80er Jahre hatten die "Tamil Tigers" – nach staatlich geschürten Pogromen gegen Tamilen – gewaltigen Zulauf; sie entwickelten sich zu einer heute 15.000 Kämpfer starken Truppe, die zu einem Drittel aus Frauen besteht. Große, im Schutz des Dschungels aufgestellte Verbände überrannten zuletzt immer häufiger Armeestützpunkte...
... während Guerilleros der gefürchteten "Black Tigers" Selbstmord-Attentate verübten: Eine Frau sprengte sich 1991 mit dem indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi in die Luft; andere rammten mit sprengstoffgefüllten Schnellbooten Schiffe der srilankischen Marine; am 24. Juli 2001 vernichtete ein LTTE-Kommando am Flughafen von Colombo gut die Hälfte der zivilen wie militärischen Luftflotte Sri Lankas. An Geld und Waffen – sagt Walter Keller – hat es nie gefehlt.
Die "Tamil Tigers" verfügen etwa über eine eigene Schiffsflotte, mit der Nachschub aus anderen Ländern in die Gebiete des Nordens und Ostens gelangt, das gilt für Waffen als auch für andere Güter, die von außerhalb hinein transportiert werden. Was Waffen angeht, ist es natürlich auch so, dass die LTTE im Laufe der letzten Jahre durch Überlaufen von großen Kasernen der offiziellen srilankischen Streitkräfte immer wieder auch große Anzahlen von Waffen erbeutet haben – und nicht nur Waffen, sondern auch schweres militärisches Gerät wie Panzer und dergleichen. – Eine besondere Rolle zur Finanzierung der LTTE spielt die Diaspora, die tamilische Diaspora, die auch seit etwa 20 Jahren über die gesamte Welt fast verteilt ist – mit einigen Ländern, in denen es sehr, sehr viele tamilische Flüchtlinge gibt, darunter Kanada, Deutschland, Frankreich, England, die Schweiz. Und ein großer Teil dieser Auslandstamilen finanziert die LTTE mit mehr oder weniger großen Beträgen. Und man kann sich vorstellen, dass bei etwa 6- bis 700.000 Auslandstamilen da gewaltige Summen jedes Jahr zusammen kommen. Man schätzt, dass die Spenden, die so erlöst werden, durchaus 25 Millionen Euro ausmachen können.
Von der Halbinsel Jaffna und größeren Städten abgesehen, kontrolliert die LTTE heute den größten Teil des srilankischen Nordens – zumindest militärisch. Sozial und wirtschaftlich allerdings herrschte im Norden bis vor kurzem nichts als Elend.
"Wir wollen Reis", riefen an einem Sonntagmorgen vor wenigen Monaten heftig gestikulierende Frauen in einem Vertriebenenlager der im Kriegsgebiet gelegenen Stadt Vavuniya. "Wir und unsere Kinder verhungern." 600.000 Tamilen waren im Norden Sri Lankas, im sogenannten "Vanni", in solchen Lagern zusammen gepfercht – Opfer des Kriegs und einer jahrzehntelangen Wirtschaftsblockade, die den Norden zu einem Armenhaus gemacht hatte.
Verhärmt und bitter wirkende Frauen, Kinder mit aufgeblähten Bäuchen hausten in langen Zelten und Baracken, notdürftig bedeckt mit Palmblättern und schwarzem Plastik. Kranke lagen auf nacktem Beton neben Feuerstellen, deren Rauch dem Besucher Tränen in die Augen trieb. "Unterernährung, Malaria, chronische Atemwegsinfekte", sagte der Lagerleiter. "Alle wollen weg. Aber wohin?"
Von allen Seiten sahen sich tamilische Vertriebene bedroht: von Minen auf den Straßen in ihre Dörfer, von allgegenwärtigen Bewaffneten beider Seiten. Sri Lankas Sicherheitskräfte durften unter drakonischen Notstandsgesetzen willkürlich Verhaftungen vornehmen und Verdächtige fast unbegrenzt festhalten; die "Tamil Tigers" übten in den von ihnen besetzten Gebieten ein harsches Regime aus: Sie rekrutierten Kinder für ihre Armee; junge Leute durften LTTE-besetztes Gebiet meist nicht verlassen; wer den Mund aufmachte, riskierte sein Leben.
"Dieser Krieg, der schon 80.000 Opfer gefordert hat, musste ein Ende finden", sagt in Colombo Bradman Weerakoon, Staatssekretär bei Premierminister Ranil Wickremesinghe, dessen Partei UNF am 5. Dezember 2001 die Macht übernahm – mit dem klaren Versprechen, Frieden zu schaffen. Eine breite gesellschaftliche Friedensbewegung, getragen auch von religiösen Führern und der Geschäftswelt, hatte der UNF einen Wahlsieg beschert.
Unsere Wirtschaft hat enorm gelitten unter diesem Krieg – in vielerlei Hinsicht. Da ist zum einen das ungeheure Ausmaß an Zerstörung: Öffentliche Gebäude hier in Colombo, Bewässerungssysteme im Norden und Osten, Straßen, Bahngleise, Telefon- und Stromleitungen – alles wurde zerstört, wieder aufgebaut und erneut zerstört. Weil dadurch unsere Infrastruktur zusammengebrochen ist, liegen auch Landwirtschaft und Fischerei im Norden fast völlig lahm. Der Krieg kostet uns insgesamt rund zwei Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr. – Hinzu kommt die Belastung des Staatsbudgets. 80 Milliarden Rupien, weit über eine Milliarde Euro, fließen Jahr für Jahr in den Krieg – in Soldzahlungen und Rüstungskäufe. Diese gewaltige Summe, die wir weit sinnvoller in unser Gesundheits- und Erziehungswesen, in Straßen und landwirtschaftliche Entwicklung investieren sollten – diese Summe wird vom Krieg einfach verschluckt.
Weerakoon, ein distinguierter älterer Herr mit langjähriger politischer Erfahrung, gibt zu, dass auch internationaler Druck den Weg zum Frieden wies. So genannte "Geberländer" sind nicht länger bereit, Entwicklungshilfe an Länder im Bürgerkrieg zu verschwenden. Entsprechend konsequent handelt die neue Regierung.
Der Premierminister hat, glaube ich, in seinen bisherigen Äußerungen sehr deutlich gemacht, dass er nunmehr eine politische und keine militärische Lösung des Konflikts für möglich hält. Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass – auf beiden Seiten – militärisches Vorgehen 19 Jahre lang nicht funktioniert hat und wohl auch in Zukunft nicht funktionieren wird. Die LTTE kann uns nicht besiegen; und wir können die LTTE nicht besiegen.
Eine LTTE, die ihrerseits seit dem Herbst 2001 unter verstärktem internationalen Druck steht. Auslandsvertretungen der "Tamil Tigers" wurden in mehreren Ländern verboten; es wurde immer schwieriger, den Kämpfern in der Heimat Geld und Waffen zu schicken...
... gerade auch im Kontext mit dem, was am 11. September letzten Jahres in New York passiert ist. Die Amerikaner haben ja ab diesem Zeitpunkt so eigentlich alles, was sie als internationalen Terrorismus verstanden, gebrandmarkt. Darunter fielen dann auch die "Tamil Tigers", die als Terrortruppe bezeichnet worden ist – obwohl die "Tamil Tigers", soweit man das weiß, sicherlich nicht in diesen internationalen Terrorismus eingebunden sind.
Im Ergebnis verkündeten sowohl Sri Lankas Regierung als auch LTTE-Führer Prabhakaran zu Weihnachten 2001 einseitige Feuerpausen. Es folgte, vermittelt von Norwegen, ein am 22. Februar unterzeichnetes Waffenstillstandsabkommen.
Von den Waffenstillstandsverhandlungen ausgehend gab es dann eine ganze Reihe von Erleichterungen, vor allen Dingen für die tamilische Bevölkerung in den nördlichen und östlichen Landesteilen. Beispielsweise wurde seitens der Regierung die Wirtschaftsblockade beendet, die seit einigen Jahren über diese Gebiete, in denen Tamilen leben, ausgerufen war und bestand. Es wurde die Hauptverbindungsstraße zwischen Jaffna im Norden und den südlichen Landesteilen wieder geöffnet; die Straße war über zehn Jahre geschlossen. Dann ging es quasi im Spätsommer mit ersten direkten Kontakten los auf neutralem Boden in Thailand – wo sich dann Vertreter der "Tamil Tigers" und der Regierung von Sri Lanka trafen. Und diese Gespräche mündeten dann in der letzten Woche in einer dritten Verhandlungsrunde zwischen diesen Beiden Parteien in Oslo; und da wurde dann – ich will mal sagen – ein gewisser Durchbruch erzielt – insofern, als sich beide Seiten einigten, dass wohl eine föderale Lösung für das Land am günstigsten sei.
Diese föderale Lösung allerdings bedarf – und das wird viel guten Willen fordern – der konkreten Ausgestaltung. Vielerlei Zugeständnisse und Interimslösungen werden nötig sein, um in Detail-Verhandlungen die noch immer hohen Hürden auf dem Weg zum Frieden zu überwinden.
Erstens beanspruchen die "Tamil Tigers" ein Drittel des srilankischen Territoriums, obwohl dort lebende Tamilen gerade sechs Prozent der Landesbevölkerung ausmachen – ein Anspruch, den viele Singhalesen für völlig überzogen halten.
Zweitens leben im von den Tamilen beanspruchten Osten zu je einem Drittel auch Muslime und Singhalesen. Wie wären deren Autonomie-Ansprüche innerhalb einer von Jaffna-Tamilen beherrschten Region zu befriedigen?
Drittens gilt Prabhakarans LTTE als ausgesprochen autoritär strukturierte Organisation. Was geschieht, wenn diese LTTE sich nicht auf demokratische Wahlen einlässt? Gibt es dann eine Insel der Diktatur im demokratischen Sri Lanka?
Heiße Eisen sind nicht zuletzt singhalesisch-nationalistische Staatssymbole wie Sri Lankas Flagge und Hymne, und vor allem der in der Verfassung verankerte Vorrang des Buddhismus gegenüber anderen Religionen. Diesen Vorrang aufzuheben, wie es die Tamilen fordern, würde einen Sturm der Empörung unter den Singhalesen auslösen.
Es gibt – nicht nur wegen der vielen offenen Fragen – Bürger Sri Lankas, die kein Interesse haben am Frieden: erstens Politiker, Beamte und Militärs, die am Krieg verdient haben – am Waffenhandel vor allem und am Warenverkehr mit dem bis vor kurzem blockierten Norden; zweitens tamilische Kollaborateure, die, bislang geschützt von der Armee, Jagd auf LTTE-Sympathisanten machten und deshalb den Frieden fürchten; drittens schließlich radikale singhalesische Nationalisten, unter ihnen buddhistische Mönche und Geschäftsleute.
Thilak Karunaratne zum Beispiel, Vorsitzender des Nationalisten-Verbandes "Singhala Urumaya", hält sämtliche Forderungen der Tamilen für absurd und die LTTE für eine reine Terrororganisation, mit der man nur richtig umspringen müsse.
Unsere Strategie wäre, sämtliche Bewohner der sogenannten "uncleared areas" umzusiedeln – in Gebiete, die von der Regierung kontrolliert werden. Befreien wir diese Menschen aus Prabhakarans Klauen! Lassen wir sie entscheiden, wo sie leben wollen! – Ich bin sicher, dass 99,9 Prozent den Schutz unserer Regierung dankbar annehmen würden. Wir könnten diese Menschen dann auch ernähren – während die, die freiwillig bei den "Tamil Tigers" bleiben, ruhig hungern sollen. – Terroristen, hat Mao Tse Tung gesagt, sind wie Fische, die das Meer der Bevölkerung brauchen. Entziehen wir ihnen diese Bevölkerung, beherrschen sie nunmehr menschenleeres Land. Unsere Luftwaffe könnte dann, ohne Rücksicht auf Zivilisten, bombardieren; die Armee könnte flächendeckend schießen; kurz: wir könnten völlig problemlos die LTTE vernichten – in nicht mehr als sechs Monaten.
Zum Glück für die Regierung besitzen radikale Nationalisten nur noch begrenzte Macht in Sri Lanka. Sie verfügen über maximal 15 der 225 Parlamentssitze; ihrem Protest mit allenfalls ein paar hundert schreienden Demonstranten auf der Straße stellt Sri Lankas Friedensbewegung gewaltige Massendemonstrationen entgegen; selbst der traditionell starke Einfluss der Nationalisten unter buddhistischen Mönchen sinkt.
Bleibt schließlich als Bedrohung des Friedensprozesses das gespannte Verhältnis der Regierung zur Präsidentin Chandrika Kumaratunga und ihrer seit einem Jahr oppositionellen "People’s Alliance". Immer wieder übt die gegenüber der LTTE extrem misstrauische Präsidentin beißende Kritik an den Friedensverhandlungen; jederzeit kann sie das Parlament auflösen. Sie kann Neuwahlen anordnen, die die UNF-Regierung aus dem Amt fegen und den Friedensprozess weit zurückwerfen könnten. – "Stimmt" sagt mit blitzenden Augen Staatssekretär Bradman Weerakoon, "aber...:"
Die Alternative wäre ein "impeachment", ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin – das durchaus diskutiert wird. Sobald ein solches "impeachment" eingeleitet ist, kann die Präsidentin das Parlament nicht mehr auflösen. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit - die könnten wir zum mit Überläufern der Opposition schaffen - könnten wir dann Frau Kumaratunga aus dem Amt entfernen und Neuwahlen für die Präsidentschaft durchsetzen.
"Ein rabiat geführter Konflikt zwischen den Verfassungsorganen kann dieses Land an den Rand eines neuen Bürgerkriegs führen", warnt Sri Lanka-Experte Walter Keller und verweist auf eine – allein dem Friedensprozess zu verdankende – dramatische Verbesserung der Lebensbedingungen im tamilischen Norden des Landes:
Bauern können in weiten Gebieten wieder ihre Äcker bebauen; in der noch vor kurzem hungernden Stadt Jaffna quellen die Märkte über von Obst und Gemüse, von Artikeln des täglichen Bedarfs; Hunderte Gefangene beider Seiten sind zu ihren Familien zurückgekehrt. Auch die Vertriebenenlager sind weitgehend aufgelöst – wenngleich die Wiederansiedlung der Vertriebenen in ihrer Heimat noch immer am Anfang steht.
Es gibt ja viele hunderttausend so genannte "internally displaced people", also Binnenflüchtlinge, die gerade die Halbinsel Jaffna wegen der Kämpfe in den letzten Jahren verlassen haben, in die südlich davon liegenden Gebiete gezogen sind und jetzt sukzessive zurückkehren. In den letzten Monaten sind das hunderttausend gewesen, die nach Jaffna zurückgekehrt sind, oft aber da keine Bleibe finden – weil auf der einen Seite vielleicht die Gebiete, aus denen sie stammen, vermint sind; das ist ein großes Problem, es gibt in Jaffna nach wie vor 1,5 Millionen Minen, die von beiden Konfliktparteien gelegt sind. Und auf der anderen Seite sind aber auch sehr viele Häuser noch zerstört; und zum dritten ist es so, dass in vielen Häusern, die noch stehen, sich die Streitkräfte Sri Lankas eingenistet haben, dort kleine Kasernen, kleine Stützpunkte eingerichtet haben und eben so die rückkehrende Bevölkerung keine Möglichkeit hat, in ihre alten Häuser und Gebäude wieder hinein zu kommen.
Zum Wiederaufbau Sri Lankas bedarf es gewaltiger Anstrengungen der Bevölkerung, aber auch massiver Hilfe des Auslands – die bislang noch zögerlich fließt. Zu tief sitzt die Skepsis der "Geberländer" angesichts etlicher gescheiterter Anläufe zum Frieden in den letzten Jahrzehnten. "Die Geber warten noch ab", meint Walter Keller, inwieweit es Singhalesen und Tamilen tatsächlich schaffen, jahrzehntelang gewachsenen Hass, Angst und Misstrauen zu überwinden.
Man muss die beiden großen Bevölkerungsgruppen, Singhalesen und Tamilen, wieder aneinander heranführen. Da ist sehr, sehr viel Porzellan zerschlagen worden; es sind mindestens 80.000 Todesopfer zu beklagen in den letzten zwei Jahrzehnten aufgrund der Kriegssituation. Die beiden Bevölkerungsgruppen sind, zum Teil zumindest, auseinander dividiert; und da ist sehr viel zu tun auch von zivilen Organisationen, in diesem Bereich zu arbeiten, um einfach diese beiden Bevölkerungsgruppen wieder aneinander heran zu führen.
Seit mehr als 2000 Jahren leben aus Indien stammende Singhalesen und Jaffna-Tamilen auf Sri Lanka – gemeinsam mit Muslimen und Abkömmlingen tamilischer Teearbeiter, die wegen ihrer niedrigen Kaste von vielen "Jaffna"-Tamilen eher abschätzig behandelt werden. Die meist hinduistischen Jaffna-Tamilen stellen gut ein Zehntel der Bevölkerung Sri Lankas, die in der Regel buddhistischen Singhalesen fast drei Viertel. Herrliche Bauwerke, Kunst und Literatur zeugen von gegenseitiger kultureller Befruchtung – wenngleich man einander immer wieder bekriegte, wegen territorialer Zwiste.
Die Saat für einen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen legten britische Kolonialherren, die – nach Portugiesen und Holländern – Sri Lanka Anfang des 19. Jahrhunderts besetzten. Das Bildungsangebot britischer Missionare nahmen vor allem die Tamilen wahr, berichtet der Dortmunder Sri Lanka-Experte Walter Keller, während Singhalesen weiterhin buddhistische Klosterschulen besuchten. In der Konsequenz besetzte die Kolonialverwaltung überproportional viele Jobs mit Tamilen – sehr zum Verdruss der Singhalesen, die nach dem Abzug der Briten 1948 die Diskriminierung umkehrten: 1956 erklärte Staatschef Bandaranaike Singhalesisch zur alleinigen Amtssprache.
Mit diesem Gesetz verbunden war dann auch die Zurückdrängung weiter Teile der tamilischen Bevölkerung, die bis dahin im Verwaltungsbereich relativ stark etabliert war. Und über die Zeit hat sich dann diese Diskriminierung fortgesetzt, beispielsweise auch, als Frau Banderanaike, die zwischen 1970 und 1977 Premierministerin war, ein Zulassungsgesetz für die Hochschulen erließ, und unter diesem Zulassungsgesetz mussten dann tamilische Jugendliche einen höheren Notendurchschnitt vorweisen, um einen Studienplatz bekommen zu können, als Singhalesen mussten.
...woraus einige junge Tamilen eine für sie logische Konsequenz zogen. Sie entschieden sich für den Separatismus. 1975 gründete der damals 20-jährige Bauernsohn Velupillai Prabhakaran die "Befreiungstiger von Tamil Eelam", LTTE. Das Ziel: ein unabhängiger Staat der Jaffna-Tamilen im Norden und Osten Sri Lankas.
Ab Anfang der 80er Jahre hatten die "Tamil Tigers" – nach staatlich geschürten Pogromen gegen Tamilen – gewaltigen Zulauf; sie entwickelten sich zu einer heute 15.000 Kämpfer starken Truppe, die zu einem Drittel aus Frauen besteht. Große, im Schutz des Dschungels aufgestellte Verbände überrannten zuletzt immer häufiger Armeestützpunkte...
... während Guerilleros der gefürchteten "Black Tigers" Selbstmord-Attentate verübten: Eine Frau sprengte sich 1991 mit dem indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi in die Luft; andere rammten mit sprengstoffgefüllten Schnellbooten Schiffe der srilankischen Marine; am 24. Juli 2001 vernichtete ein LTTE-Kommando am Flughafen von Colombo gut die Hälfte der zivilen wie militärischen Luftflotte Sri Lankas. An Geld und Waffen – sagt Walter Keller – hat es nie gefehlt.
Die "Tamil Tigers" verfügen etwa über eine eigene Schiffsflotte, mit der Nachschub aus anderen Ländern in die Gebiete des Nordens und Ostens gelangt, das gilt für Waffen als auch für andere Güter, die von außerhalb hinein transportiert werden. Was Waffen angeht, ist es natürlich auch so, dass die LTTE im Laufe der letzten Jahre durch Überlaufen von großen Kasernen der offiziellen srilankischen Streitkräfte immer wieder auch große Anzahlen von Waffen erbeutet haben – und nicht nur Waffen, sondern auch schweres militärisches Gerät wie Panzer und dergleichen. – Eine besondere Rolle zur Finanzierung der LTTE spielt die Diaspora, die tamilische Diaspora, die auch seit etwa 20 Jahren über die gesamte Welt fast verteilt ist – mit einigen Ländern, in denen es sehr, sehr viele tamilische Flüchtlinge gibt, darunter Kanada, Deutschland, Frankreich, England, die Schweiz. Und ein großer Teil dieser Auslandstamilen finanziert die LTTE mit mehr oder weniger großen Beträgen. Und man kann sich vorstellen, dass bei etwa 6- bis 700.000 Auslandstamilen da gewaltige Summen jedes Jahr zusammen kommen. Man schätzt, dass die Spenden, die so erlöst werden, durchaus 25 Millionen Euro ausmachen können.
Von der Halbinsel Jaffna und größeren Städten abgesehen, kontrolliert die LTTE heute den größten Teil des srilankischen Nordens – zumindest militärisch. Sozial und wirtschaftlich allerdings herrschte im Norden bis vor kurzem nichts als Elend.
"Wir wollen Reis", riefen an einem Sonntagmorgen vor wenigen Monaten heftig gestikulierende Frauen in einem Vertriebenenlager der im Kriegsgebiet gelegenen Stadt Vavuniya. "Wir und unsere Kinder verhungern." 600.000 Tamilen waren im Norden Sri Lankas, im sogenannten "Vanni", in solchen Lagern zusammen gepfercht – Opfer des Kriegs und einer jahrzehntelangen Wirtschaftsblockade, die den Norden zu einem Armenhaus gemacht hatte.
Verhärmt und bitter wirkende Frauen, Kinder mit aufgeblähten Bäuchen hausten in langen Zelten und Baracken, notdürftig bedeckt mit Palmblättern und schwarzem Plastik. Kranke lagen auf nacktem Beton neben Feuerstellen, deren Rauch dem Besucher Tränen in die Augen trieb. "Unterernährung, Malaria, chronische Atemwegsinfekte", sagte der Lagerleiter. "Alle wollen weg. Aber wohin?"
Von allen Seiten sahen sich tamilische Vertriebene bedroht: von Minen auf den Straßen in ihre Dörfer, von allgegenwärtigen Bewaffneten beider Seiten. Sri Lankas Sicherheitskräfte durften unter drakonischen Notstandsgesetzen willkürlich Verhaftungen vornehmen und Verdächtige fast unbegrenzt festhalten; die "Tamil Tigers" übten in den von ihnen besetzten Gebieten ein harsches Regime aus: Sie rekrutierten Kinder für ihre Armee; junge Leute durften LTTE-besetztes Gebiet meist nicht verlassen; wer den Mund aufmachte, riskierte sein Leben.
"Dieser Krieg, der schon 80.000 Opfer gefordert hat, musste ein Ende finden", sagt in Colombo Bradman Weerakoon, Staatssekretär bei Premierminister Ranil Wickremesinghe, dessen Partei UNF am 5. Dezember 2001 die Macht übernahm – mit dem klaren Versprechen, Frieden zu schaffen. Eine breite gesellschaftliche Friedensbewegung, getragen auch von religiösen Führern und der Geschäftswelt, hatte der UNF einen Wahlsieg beschert.
Unsere Wirtschaft hat enorm gelitten unter diesem Krieg – in vielerlei Hinsicht. Da ist zum einen das ungeheure Ausmaß an Zerstörung: Öffentliche Gebäude hier in Colombo, Bewässerungssysteme im Norden und Osten, Straßen, Bahngleise, Telefon- und Stromleitungen – alles wurde zerstört, wieder aufgebaut und erneut zerstört. Weil dadurch unsere Infrastruktur zusammengebrochen ist, liegen auch Landwirtschaft und Fischerei im Norden fast völlig lahm. Der Krieg kostet uns insgesamt rund zwei Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr. – Hinzu kommt die Belastung des Staatsbudgets. 80 Milliarden Rupien, weit über eine Milliarde Euro, fließen Jahr für Jahr in den Krieg – in Soldzahlungen und Rüstungskäufe. Diese gewaltige Summe, die wir weit sinnvoller in unser Gesundheits- und Erziehungswesen, in Straßen und landwirtschaftliche Entwicklung investieren sollten – diese Summe wird vom Krieg einfach verschluckt.
Weerakoon, ein distinguierter älterer Herr mit langjähriger politischer Erfahrung, gibt zu, dass auch internationaler Druck den Weg zum Frieden wies. So genannte "Geberländer" sind nicht länger bereit, Entwicklungshilfe an Länder im Bürgerkrieg zu verschwenden. Entsprechend konsequent handelt die neue Regierung.
Der Premierminister hat, glaube ich, in seinen bisherigen Äußerungen sehr deutlich gemacht, dass er nunmehr eine politische und keine militärische Lösung des Konflikts für möglich hält. Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass – auf beiden Seiten – militärisches Vorgehen 19 Jahre lang nicht funktioniert hat und wohl auch in Zukunft nicht funktionieren wird. Die LTTE kann uns nicht besiegen; und wir können die LTTE nicht besiegen.
Eine LTTE, die ihrerseits seit dem Herbst 2001 unter verstärktem internationalen Druck steht. Auslandsvertretungen der "Tamil Tigers" wurden in mehreren Ländern verboten; es wurde immer schwieriger, den Kämpfern in der Heimat Geld und Waffen zu schicken...
... gerade auch im Kontext mit dem, was am 11. September letzten Jahres in New York passiert ist. Die Amerikaner haben ja ab diesem Zeitpunkt so eigentlich alles, was sie als internationalen Terrorismus verstanden, gebrandmarkt. Darunter fielen dann auch die "Tamil Tigers", die als Terrortruppe bezeichnet worden ist – obwohl die "Tamil Tigers", soweit man das weiß, sicherlich nicht in diesen internationalen Terrorismus eingebunden sind.
Im Ergebnis verkündeten sowohl Sri Lankas Regierung als auch LTTE-Führer Prabhakaran zu Weihnachten 2001 einseitige Feuerpausen. Es folgte, vermittelt von Norwegen, ein am 22. Februar unterzeichnetes Waffenstillstandsabkommen.
Von den Waffenstillstandsverhandlungen ausgehend gab es dann eine ganze Reihe von Erleichterungen, vor allen Dingen für die tamilische Bevölkerung in den nördlichen und östlichen Landesteilen. Beispielsweise wurde seitens der Regierung die Wirtschaftsblockade beendet, die seit einigen Jahren über diese Gebiete, in denen Tamilen leben, ausgerufen war und bestand. Es wurde die Hauptverbindungsstraße zwischen Jaffna im Norden und den südlichen Landesteilen wieder geöffnet; die Straße war über zehn Jahre geschlossen. Dann ging es quasi im Spätsommer mit ersten direkten Kontakten los auf neutralem Boden in Thailand – wo sich dann Vertreter der "Tamil Tigers" und der Regierung von Sri Lanka trafen. Und diese Gespräche mündeten dann in der letzten Woche in einer dritten Verhandlungsrunde zwischen diesen Beiden Parteien in Oslo; und da wurde dann – ich will mal sagen – ein gewisser Durchbruch erzielt – insofern, als sich beide Seiten einigten, dass wohl eine föderale Lösung für das Land am günstigsten sei.
Diese föderale Lösung allerdings bedarf – und das wird viel guten Willen fordern – der konkreten Ausgestaltung. Vielerlei Zugeständnisse und Interimslösungen werden nötig sein, um in Detail-Verhandlungen die noch immer hohen Hürden auf dem Weg zum Frieden zu überwinden.
Erstens beanspruchen die "Tamil Tigers" ein Drittel des srilankischen Territoriums, obwohl dort lebende Tamilen gerade sechs Prozent der Landesbevölkerung ausmachen – ein Anspruch, den viele Singhalesen für völlig überzogen halten.
Zweitens leben im von den Tamilen beanspruchten Osten zu je einem Drittel auch Muslime und Singhalesen. Wie wären deren Autonomie-Ansprüche innerhalb einer von Jaffna-Tamilen beherrschten Region zu befriedigen?
Drittens gilt Prabhakarans LTTE als ausgesprochen autoritär strukturierte Organisation. Was geschieht, wenn diese LTTE sich nicht auf demokratische Wahlen einlässt? Gibt es dann eine Insel der Diktatur im demokratischen Sri Lanka?
Heiße Eisen sind nicht zuletzt singhalesisch-nationalistische Staatssymbole wie Sri Lankas Flagge und Hymne, und vor allem der in der Verfassung verankerte Vorrang des Buddhismus gegenüber anderen Religionen. Diesen Vorrang aufzuheben, wie es die Tamilen fordern, würde einen Sturm der Empörung unter den Singhalesen auslösen.
Es gibt – nicht nur wegen der vielen offenen Fragen – Bürger Sri Lankas, die kein Interesse haben am Frieden: erstens Politiker, Beamte und Militärs, die am Krieg verdient haben – am Waffenhandel vor allem und am Warenverkehr mit dem bis vor kurzem blockierten Norden; zweitens tamilische Kollaborateure, die, bislang geschützt von der Armee, Jagd auf LTTE-Sympathisanten machten und deshalb den Frieden fürchten; drittens schließlich radikale singhalesische Nationalisten, unter ihnen buddhistische Mönche und Geschäftsleute.
Thilak Karunaratne zum Beispiel, Vorsitzender des Nationalisten-Verbandes "Singhala Urumaya", hält sämtliche Forderungen der Tamilen für absurd und die LTTE für eine reine Terrororganisation, mit der man nur richtig umspringen müsse.
Unsere Strategie wäre, sämtliche Bewohner der sogenannten "uncleared areas" umzusiedeln – in Gebiete, die von der Regierung kontrolliert werden. Befreien wir diese Menschen aus Prabhakarans Klauen! Lassen wir sie entscheiden, wo sie leben wollen! – Ich bin sicher, dass 99,9 Prozent den Schutz unserer Regierung dankbar annehmen würden. Wir könnten diese Menschen dann auch ernähren – während die, die freiwillig bei den "Tamil Tigers" bleiben, ruhig hungern sollen. – Terroristen, hat Mao Tse Tung gesagt, sind wie Fische, die das Meer der Bevölkerung brauchen. Entziehen wir ihnen diese Bevölkerung, beherrschen sie nunmehr menschenleeres Land. Unsere Luftwaffe könnte dann, ohne Rücksicht auf Zivilisten, bombardieren; die Armee könnte flächendeckend schießen; kurz: wir könnten völlig problemlos die LTTE vernichten – in nicht mehr als sechs Monaten.
Zum Glück für die Regierung besitzen radikale Nationalisten nur noch begrenzte Macht in Sri Lanka. Sie verfügen über maximal 15 der 225 Parlamentssitze; ihrem Protest mit allenfalls ein paar hundert schreienden Demonstranten auf der Straße stellt Sri Lankas Friedensbewegung gewaltige Massendemonstrationen entgegen; selbst der traditionell starke Einfluss der Nationalisten unter buddhistischen Mönchen sinkt.
Bleibt schließlich als Bedrohung des Friedensprozesses das gespannte Verhältnis der Regierung zur Präsidentin Chandrika Kumaratunga und ihrer seit einem Jahr oppositionellen "People’s Alliance". Immer wieder übt die gegenüber der LTTE extrem misstrauische Präsidentin beißende Kritik an den Friedensverhandlungen; jederzeit kann sie das Parlament auflösen. Sie kann Neuwahlen anordnen, die die UNF-Regierung aus dem Amt fegen und den Friedensprozess weit zurückwerfen könnten. – "Stimmt" sagt mit blitzenden Augen Staatssekretär Bradman Weerakoon, "aber...:"
Die Alternative wäre ein "impeachment", ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin – das durchaus diskutiert wird. Sobald ein solches "impeachment" eingeleitet ist, kann die Präsidentin das Parlament nicht mehr auflösen. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit - die könnten wir zum mit Überläufern der Opposition schaffen - könnten wir dann Frau Kumaratunga aus dem Amt entfernen und Neuwahlen für die Präsidentschaft durchsetzen.
"Ein rabiat geführter Konflikt zwischen den Verfassungsorganen kann dieses Land an den Rand eines neuen Bürgerkriegs führen", warnt Sri Lanka-Experte Walter Keller und verweist auf eine – allein dem Friedensprozess zu verdankende – dramatische Verbesserung der Lebensbedingungen im tamilischen Norden des Landes:
Bauern können in weiten Gebieten wieder ihre Äcker bebauen; in der noch vor kurzem hungernden Stadt Jaffna quellen die Märkte über von Obst und Gemüse, von Artikeln des täglichen Bedarfs; Hunderte Gefangene beider Seiten sind zu ihren Familien zurückgekehrt. Auch die Vertriebenenlager sind weitgehend aufgelöst – wenngleich die Wiederansiedlung der Vertriebenen in ihrer Heimat noch immer am Anfang steht.
Es gibt ja viele hunderttausend so genannte "internally displaced people", also Binnenflüchtlinge, die gerade die Halbinsel Jaffna wegen der Kämpfe in den letzten Jahren verlassen haben, in die südlich davon liegenden Gebiete gezogen sind und jetzt sukzessive zurückkehren. In den letzten Monaten sind das hunderttausend gewesen, die nach Jaffna zurückgekehrt sind, oft aber da keine Bleibe finden – weil auf der einen Seite vielleicht die Gebiete, aus denen sie stammen, vermint sind; das ist ein großes Problem, es gibt in Jaffna nach wie vor 1,5 Millionen Minen, die von beiden Konfliktparteien gelegt sind. Und auf der anderen Seite sind aber auch sehr viele Häuser noch zerstört; und zum dritten ist es so, dass in vielen Häusern, die noch stehen, sich die Streitkräfte Sri Lankas eingenistet haben, dort kleine Kasernen, kleine Stützpunkte eingerichtet haben und eben so die rückkehrende Bevölkerung keine Möglichkeit hat, in ihre alten Häuser und Gebäude wieder hinein zu kommen.
Zum Wiederaufbau Sri Lankas bedarf es gewaltiger Anstrengungen der Bevölkerung, aber auch massiver Hilfe des Auslands – die bislang noch zögerlich fließt. Zu tief sitzt die Skepsis der "Geberländer" angesichts etlicher gescheiterter Anläufe zum Frieden in den letzten Jahrzehnten. "Die Geber warten noch ab", meint Walter Keller, inwieweit es Singhalesen und Tamilen tatsächlich schaffen, jahrzehntelang gewachsenen Hass, Angst und Misstrauen zu überwinden.
Man muss die beiden großen Bevölkerungsgruppen, Singhalesen und Tamilen, wieder aneinander heranführen. Da ist sehr, sehr viel Porzellan zerschlagen worden; es sind mindestens 80.000 Todesopfer zu beklagen in den letzten zwei Jahrzehnten aufgrund der Kriegssituation. Die beiden Bevölkerungsgruppen sind, zum Teil zumindest, auseinander dividiert; und da ist sehr viel zu tun auch von zivilen Organisationen, in diesem Bereich zu arbeiten, um einfach diese beiden Bevölkerungsgruppen wieder aneinander heran zu führen.