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Gezielt gefaltet

Biochemie. - Jeder kennt den Effekt vom Eierkochen: wenn man es kocht, gerinnt das klare Eiweiß zu dicken Klumpen und verfärbt sich weiß. Was beim Frühstücksei erwünscht ist, ist in der Biotechnologie ein unwillkommener Nebeneffekt. Der allerdings häufig auftritt, denn, nach welchen Prinzipien die Proteinfaltung abläuft und was sie beeinflusst, ist weitgehend rätselhaft. Falsch gefaltete, zusammengeklumpte Proteine können ihre Funktion nicht erfüllen. Proteine sind die Basis für viele neue Medikamente. Neben dem bekannten Insulin zählen dazu auch Wachstumsfaktoren für Knochen und Knorpel, oder Eiweiße, die die Bildung neuer Stammzellen nach einer Chemotherapie anregen. Wie also bringt man die Eiweiße zu richtigen Faltung? Diese Frage wird seit heute in Halle auf der Tagung "Produktion rekombinanter Proteine" diskutiert.

    Von Hartmut Schade

    Ulrike Fiedler nimmt ein Blatt Papier und knüllt es zusammen. Genau das macht ein Bakterium mit einem körperfremden Eiweiß, sagt die Geschäftsführerin der Biotechnologiefirma "Scil Proteins". Es produziert ein nutzloses Knäuel. Doch die Mediziner brauchen ein kunstvoll gefaltetes Eiweiß, ein Origami-Produkt gewissermaßen:

    Es gibt - je nachdem, was man für Aminosäuren in Protein vorliegen hat - gibt es sehr viel Möglichkeiten, das Protein Struktur ausbildet aber nur eine ist die Richtige.

    Doch genau die können Bakterien wie Escherichia coli meist nicht bilden. Beispiel Insulin: das menschliche Hormon Insulin besitzt sehr viele Querverbindungen. Bakterieneigene Eiweiße haben meist nur ein oder zwei solcher Brücken. Sollen die Coli-Bakterien nun das menschliche Protein synthetisieren, dann fällt es ihnen schwer, diese Querverstrebungen herzustellen. Dr. Frank Hoffmann vom Institut für Biotechnologie der Universität Halle versucht deshalb, die Coli-Bakterien genetisch so zu manipulieren, das sie das Insulin Protein korrekt falten:

    Die Veränderungen zielen darauf ab, die Quervernetzungen schneller einzufügen und dann - wenn sie nicht in der richtigen Reihenfolge sind - wieder zu lösen und umzuordnen. Es gibt Enzyme, die diese Querverbindungen umordnen, die Isomerasen. Aber wenn man die colieigenen Isomerasen überproduziert, dann sterben die Zellen allein daran. Deshalb versuchen wir Enzyme, die normalerweise andre Funktion haben, dazu zu bringen, solche Isomeraseaktivität mit zu übernehmen.

    Das die Proteine überhaupt zusammenklumpen liegt an der Chemie der Seitenarme der Aminosäuren. Diese bilden das Rückgrat des gefalteten Proteins. Beim korrekten Zusammenfalten müssen nun hydrophobe, also wasserabstoßende Seitenarme im Inneren des Proteins verborgen werden, und die hydrophilen, also wasserliebenden Teile kommen an die Oberfläche. Hoffmann:

    Bei teilweise gefaltet Protein sind die hydrophoben Reste noch außen und das ist wie Öl im Wasser, also die Öltropfen lagern sich zusammen.

    Die ähnlich Mechanismen im Protein führen dazu, das die gefürchteten Eiweißklumpen entstehen. Unbrauchbares Insulin also, das für die Mediziner wertlos ist. Doch die Wissenschaftler haben einen Kniff gefunden, um das Knäuel zu entwirren und die Eiweiße wieder in Form zu bringen. Sie zerstören die Wirtsbakterien, holen die Eiweißklumpen heraus, und lösen sie wieder auf. So erhalten sie lange Fäden aus Aminosäuren, die dann in Reagenzglas erneut gefaltet werden. Dr. Ulrike Fiedler:

    Das Besondere besteht darin, diese Bedingungen herauszufinden, bei der diese Proteinfaltung funktioniert. Man muss versuchen, durch geeignete Substanzen, Salze, durch geeignete Temperatur, durch geeignete Zeit, pH- Werte die richtige Struktur zu finden.

    Man kann sich das Verfahren so vorstellen, als löse man das gekochte Frühstücksei - das ja aus zusammengeklumpten Eiweißen besteht - in einer starken Salzlösung wieder auf, so das man das klare Eiweiß wieder erhält und faltet dann die Proteine durch neue Zusätze richtig zusammen. Fiedler:

    und ich hab wieder klare Lösung und die falsch gefaltet sehen wieder trüb aus.

    Die Proteinfaltung im Reagenzglas und genetische Veränderung der Wirtsbakterien sind nur zwei Wege, die die Forscher derzeit beschreiten, um preiswert medizinisch wirksame Proteine herzustellen. Ein anderer Ansatz sind Eukaryontische Zellen - also Zellen mit einem Zellkern mit Doppelmembran und Chromosomen, wie sie in Hefen, Pilzen, aber auch beim Menschen vorkommen. Diese bringen zwar richtige gefaltete Proteine hervor, sind aber nur schwer zu kultivieren und dementsprechend teuer. Welches der Königsweg ist, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Aber die Erfahrungen, die sie derzeit noch nach dem Prinzip Versuch-Irrtum machen, sollen in Zukunft erlauben, schon aus der Struktur eines Proteins die günstigste Herstellungsmethode vorherzusagen.