Es regnet auf Darwins Parap-Markt - nein: Es schüttet, es plattert, es kübelt, es gießt. Sturzbäche schießen zwischen die Stände mit Singapur Noodles, kambodschanischen Reisbällchen und chinesischer Massage, Wasserkaskaden trommeln auf Blechdächer - ja, hier hat es Wetter! Wer immer aus Darwins Viel-Völkergemeinschaft eben noch einen Mango-Lassie geschlürft und an einem Hühnchen-Satay geknabbert hat, ist jetzt unter den nächsten Unterstand geflüchtet. Wer es aber nicht mehr ins Trockene geschafft hat, stochert patschnass und ungerührt in seinem Thai-Chicken: Ist ja immer noch 32 Grad heiß hier. Kommt ja doch gleich wieder die Sonne hervor.
Von Januar bis April herrscht "Wet Season", die nasse Jahreszeit, in Northern Territory, Australiens nördlichem mittleren Drittel, das immerhin viermal so groß ist wie Deutschland. Und das, sagt Steven Noble, der in Darwin einen Fahrradverleih betreibt, ist eigentlich die interessantere Zeit des Jahres.
"Die Trockenzeit ist ja eher etwas langweilig, blauer Himmel und Sonne Tag für Tag. Jetzt in der Regenzeit aber wachst du auf, und weißt nicht, was als Nächstes passiert. Vielleicht gibt es schon um elf ein kleines Gewitter, vielleicht stürmt es nachmittags um fünf und regnet bis in die Puppen. Grauer Himmel, blauer Himmel, Sonnenuntergänge in den wahnsinnigsten Farben - alles ist drin. Dazu das frische Grün, die Blumen, all die kräftigen Farben - dieses Wetter überrascht dich von Tag zu Tag aufs Neue."
Regen, Wind, Stürme, Sonnenschein - kurz: Wetter - hat für Australien eine enorme Bedeutung, heute und seit Jahrtausenden schon. Dem Wetter ist es etwa geschuldet, dass Darwin, das Zentrum des Nordens, noch eine ganz junge Ansiedlung ist. In der Weihnachtsnacht 1974 orgelte der Zyklon "Tracy" über die Stadt und hinterließ nicht mehr viel, was an eine solche erinnerte. Viele von denen, die die Katastrophe persönlich miterlebt haben, schaffen es immer noch nicht, darüber zu sprechen.
In einer schalldichten Kammer im Museum hämmert, heult und röhrt der Sturm auch heute noch - Pfarrer Ted Collins hat den Schrecken auf seinem Tonband festgehalten. Steven Noble hat sich ausführlich mit dem Ablauf des Dramas beschäftigt:
"Unglücklicherweise hatte das Wetteramt nicht die Geräte, um erkennen zu können, was dieser Sturm anrichten würde. Sie gaben ein paar Warnungen heraus, aber das volle Ausmaß der Gefahr blieb offen. Darum machten die Leute am Weihnachtsabend, was sie immer machten: Sie aßen mit ihren Familien und tauschten Geschenke aus. Um ein Uhr, als die meisten Menschen schon im Bett lagen, traf der schreckliche Sturm Darwin. Der Wind steigerte sich, der Regen wurde stärker, der Strom fiel aus. Zwischen ein und fünf Uhr morgens wurde die Stadt komplett verwüstet."
Die Windmesser wurden zerstört, die letzte Aufzeichnung zeigte Böen von 214 Stundenkilometern an. Experten schätzen, dass die Windgeschwindigkeit bis auf 260 km/h anstieg.
"Als die Sonne am nächsten Morgen aufging und die Leute hinauskonnten, sahen sie erst das ganze Ausmaß der Katastrophe. Von 14.000 Häusern waren gerade mal 400 stehen geblieben. 71 Leute waren ums Leben gekommen. Die Stadt war verwüstet und wurde nie mehr, was sie zuvor gewesen war."
Ein Film im Museum zeigt Berge zerknüllten Wellblechs, Bäume, in die Metallfetzen schlugen wie Schrapnelle und Reihen von Stelzen ohne eine Spur der dazugehörigen Häuser. "Tracy - you bitch" - Tracy, du Miststück, hat einer in hilfloser Wut auf sein zerstörtes Auto gemalt.
Aber schon davor, Jahrhunderte, Jahrtausende davor, spielten das Wetter und der Wechsel der Jahreszeiten für die Ureinwohner des Landes eine lebenswichtige Rolle. Aborigines kennen sechs Jahrszeiten, sagt Nilus Vengana vom Volk der Bininj im Kakadu-Nationalpark.
Neben Regen- und Trockenzeit gibt es die Saison der schweren Gewitter, es gibt die Zeit, sich auf den Monsun vorzubereiten, die Zeit der heftigen Regen, die das Gras plattmachen und die Zeit, in der das trockene Gras abgebrannt wird.
Alle diese Jahreszeiten sind zugleich eng mit dem jeweiligen Nahrungsangebot verknüpft. Sagt Touristenführer Sab Lord, der auf einer weltfernen Rinderfarm im Kreis von Aborigene-Kindern aufgewachsen ist, und ihre Kultur kennt wie kaum ein anderer Weißer.
"Die sechs Jahreszeiten stehen auch dafür, was sich in der Natur jeweils zu essen findet. Welche Beeren werden reif, welche Tiere kann man jetzt jagen? Der Wechsel der Jahreszeiten ist damit auch ein Signal für die Aborigines, jetzt weiterzuziehen, an einen Platz, wo das Nahrungsangebot besser ist."
Gerade die Regenzeit aber bringt für Menschen, die unter freiem Himmel leben, auch ganz besondere Gefahren mit sich.
"Dass die Regenzeit beginnt, heißt: Namarrgon, der Herr der Gewitter, ist eingetroffen. Jetzt heißt es besonders vorsichtig sein - das erklärt man vor allem den Kindern sehr eindrücklich. Nicht nur wegen der Gewitter, sondern weil die Flüsse ganz plötzlich anschwellen können. Und weil dies auch die Zeit ist, in der die Schlangen vermehrt herauskommen - auch das hat mit dem Wetter zu tun."
Die Ebenen um das Bamurru Plains Camp nahe der Nordküste sind weithin überschwemmt. Mit lautem Geknatter und 65 km/h sucht sich das propellergetriebene Sumpfboot seinen Weg zwischen dem wogenden Gras. Wasserbüffel prusten im Schlamm, ein Jabiru, der schwarzköpfige Storch mit klugen Bernsteinaugen, stakst vorsichtig durch den Matsch, Blatthühnchen laufen leichtfüßig über Wasserpflanzen, fast wie weiland der Heiland. Hinein in lichte Wälder aus Papierrindenbäumen gleitet das Boot, zwischen rosa Lotosblüten und tellergroße Seerosenblätter. Hier war jahrhundertelang ein beliebter Treffpunkt für Aborigines, erklärt John O'Shea, der Manager des Fischer-Camps.
"Hier stand einmal alles voller Papierrinden-Bäume. Diese Ecke war so was wie ein großer Lebensmittel-Markt für die Aborigines. Verschiedene Stämme trafen sich zum Jagen und Sammeln und Fischen. Es gibt reichlich Schildkröten hier, Krokodile, Gänse und jede Menge anderer Vögel. Die Frauen sammelten Seerosen - die Zwiebel untendran kann man nämlich essen. Auch die Stängel übrigens - probier mal - schmeckt wie Sellerie. Ebenso haben sie die Samen der Lotosblumen gesucht. Sind auch sehr lecker, so wie Pinienkerne ungefähr."
Auch am Yellow River im Nationalpark Kakadu ist das Land jetzt weithin überschwemmt. Vorsichtig steuert Biologe David Chemello das Boot zwischen Gestrüpp und knorrigen Stämmen hindurch. Eukalyptusbäume und weiße Wolkenberge spiegeln sich in den braunen Fluten. Während der Trockenzeit sieht es hier ganz anders aus.
"Dann hat der Fluss keine Verbindung zum Meer mehr, sondern ist nur noch ein riesiges Wasserloch, und die ganzen Tiere stecken sozusagen in der Falle. Es ist sehr heiß und trocken und alle müssen sie ans Wasser, um zu trinken. Da sind dann Tausende und Abertausende von Vögeln in der Luft, manchmal Millionen von Magpie-Gänsen. Und natürlich lauern überall Krokodile und fressen sich an Vögeln und Schildkröten und Fischen satt."
Die meisten Bäume im Wasser sind Papierrindenbäume. Die Aborigines nutzen den Bast auf vielfältige Weise, sagt Führer Nilus Vigana vom Volk der Bininj, denen der Yellow River gehört.
"Wir wickeln Schlangen und Fisch darin ein und garen sie im Erdofen. Schildkröten zum Beispiel: Die legen wir in ein Loch im Boden mit heißer Holzkohle, dann kommt Papierrinde darüber und dann decken wir das Ganze mit Erde ab. Das hält die Hitze und lässt das Fleisch besonders zart werden. So drei, dreieinhalb Stunden dauert eine Schildkröte der Größe, wie wir sie gerade gesehen haben."
Auch die Süßwassermangroven, die hier überall stehen, haben für die Bininj einen großen praktischen Wert.
"Wir sammeln Rinde vom Stamm und von den Wurzeln, nehmen Blätter dazu und zerreiben das alles. Das streuen wir dann in ein nicht allzugroßes Wasserloch. Dabei wird ein Gift freigesetzt, das den Sauerstoff aus dem Wasser zieht. Die Fische werden betäubt und treiben bald an der Oberfläche, wir müssen sie nur noch einsammeln. Die Methode ist entschieden bequemer, als mit Angel und Leine herumzusitzen. Wenn wir den Fisch entnommen haben, den wir brauchen, rufen wir die Kinder und lassen sie herumplanschen. Das reichert das Wasser wieder mit Sauerstoff an. Die Fische, die wir übrig gelassen haben, kommen dann zu sich und tauchen wieder ab."
Und im Schlamm zwischen den Wurzeln der Mangroven findet sich oft noch eine besondere Spezialität, schwärmt Nilus, der Feinschmecker: die File-Schlange.
"Die Mädchen ertasten sie mit den Füßen, ziehen sie heraus, waschen sie kurz und beißen ihnen den Kopf ab - das machen wir seit Generationen so. Die schmecken prima, sind ausgezeichnete Speise-Schlangen, nicht giftig."
David zeigt auf einen dichten grünen Pflanzenteppich, der eine kleine Bucht vollständig bedeckt.
"Wasserfarn - damit haben wir ein großes Problem. Er breitet sich über weite Flächen aus und verdrängt die heimische Vegetation. Er lässt kein Licht mehr ins Wasser, und keinen Sauerstoff, die Pflanzen, die beides brauchen, sterben ab. Und auch die Fische können nicht mehr atmen."
Sab Lord dagegen meint, dass die größte Gefahr für die Natur des Northern Territory derzeit auf dem Landweg vorrückt.
"Die Riesenkröten wurden in den 30er Jahren aus Südamerika eingeführt und sollten den Zuckerrohr-Käfer dezimieren. Sie sind hässlich, vermehren sich wie verrückt und haben zwei Giftdrüsen auf dem Rücken. An denen gehen die meisten Tiere ein, die so eine Kröte zu fressen versuchen."
Die Zahl der Schlangen und Echsen habe rapide abgenommen, meint Sab, seit die Kröte im Kakadu-Nationalpark angekommen sei.
"In Bamurru Plains, wo wir gestern waren, habe ich damals auf knapp hundert Metern über 60 tote Wasserpythons gefunden - und die meisten hatten eine Riesenkröte im Maul. Es ist ein sehr quälender Tod für die Tiere, sogar große Salzwasserkrokodile können daran zugrunde gehen. Verglichen mit dieser Kröteninvasion war die Kaninchenplage so etwas wie ein Kinderspiel."
An einer Uferbiegung lauert ein Krokodil unbeweglich unter der Wasseroberfläche, bis ein Fisch in seine tödliche Kiefernfalle gerät. Auch für Krokodile hat die Regenzeit eine wichtige Bedeutung, erklärt Mike O'Neill, der Manager des Crocosauruscove in Darwin. In diesem Zentrum dreht sich alles um die gepanzerten Echsen.
"Die Krokodile haben jetzt Paarungszeit. Von November bis März legen sie Eier, und es dauert so elf bis 13 Wochen, bis die Jungen schlüpfen. Wir sammeln von Januar bis März, manchmal auch April Eier ein. 55.000 Eier darf das Konsortium des Northern Territory der Natur entnehmen."
Diese Eier werden dann in den Krokodilfarmen ausgebrütet und die Tiere für Leder und Fleisch weitergezüchtet. Sorgen, dass Krokodile dadurch in ihrem Bestand bedroht sein könnten, braucht sich niemand zu machen.
Natürlich gibt es im Krokodilzentrum allerhand Spektakuläres über die gefährlichen Echsen zu erfahren.
"Das Australische Salzwasserkrokodil ist nicht nur der stärkste Beißer auf Erden, sondern wahrscheinlich der stärkste Beißer aller Zeiten überhaupt. Ein Mensch kann beim Beißen einen Druck von 20 Kilo entwickeln. Ein Löwe bringt es auf 300, eine Hyäne auf 500 Kilo. Bei Tyrannosaurus Rex waren es wahrscheinlich 1800 Kilo - so schwer ist übrigens ein Landrover. Ein ausgewachsenes Salzwasserkrokodil aber beißt mit einem Druck von 3400 Kilo - was soviel ist wie ein kleiner Lkw."
Und so klingt, was man in freier Wildbahn wahrscheinlich nicht so gern so deutlich hören möchte: die Warnung einer Kroko-Dame, wenn man einem Nest zu nahe gekommen ist.
Und wehe, man macht sich dann auch noch den Herrn des Flussufers zum Feind.
Eine aufregende Jahreszeit, die Regenperiode. Es gibt im Northern Territory Menschen, für die sie die wichtigste Zeit des Jahres überhaupt darstellt. Denn jetzt kündigt die Wettervorhersage häufig schwere Gewitter an und manche Leute sind richtiggehend verrückt danach. Michael O'Neill, Drucker bei einer Zeitung, ist einer dieser sogenannten Stormchaser, ein Gewitterjäger, immer auf der Jagd nach dem perfekten Foto und dem schärfsten Nervenkitzel. Kündigt sich ein Gewitter an, wirft er sich in sein Auto, rast der dunklen Wolkenwand entgegen, montiert seine Kamera auf das Stativ und fotografiert: Blitze, Wolken, Regenschauer. So ganz ohne Risiko ist dieses Hobby allerdings nicht.
"Ein Gewitter ist immer gefährlich: jede Menge Blitze und heftige Böen. In Darwin frischt der Wind manchmal auf 80, 90 Stundenkilometer auf - nicht so viel wie in Ostaustralien oder Europa und Amerika, wo gelegentlich diese grapefruitgroßen Hagelkörner runterkommen. In einem Gewitter können sich innerhalb von 20 Minuten 2000 Blitze entladen, und die Hälfte davon schlägt auf der Erde ein. Wenn du da in der Nähe bist, bist du natürlich immer ein Ziel."
Ein Nervenkitzel also, ein Spiel mit den Elementen. And what's the fun in it, möchte man dann natürlich wissen. Was macht den Reiz des Ganzen aus?
"Es ist ein Adrenalinrausch. Es kribbelt dich überall. Wenn die ganze Anreiserei endlich hinter dir liegt und du vor dem Gewitter stehst, die Blitze gehen direkt vor dir nieder, genau in der richtigen Entfernung - da kriegst du eine Gänsehaut, da schreist du rum und brüllst und redest mit dir selbst - es macht dich stolz, wenn du es auf den Film gekriegt hast, wenn die Jagd erfolgreich war - und wenn du dann weißt: Mann, du bist verdammt gut in dem, was du da machst."
Aber auch für Australier, die nicht gern mit ihrem Leben spielen, ist ein ordentliches Gewitter vor allem ein prickelnder Spaß. Gewittergucken ist neben Football, Grillen und Angeln eine Art Nationalsport in Darwin. Tom Hannon, der in der Werbung arbeitet und ganz und gar nicht an einen Draufgänger erinnert, erklärt, wie man es richtig macht.
"Wir sitzen mit Freunden auf der Veranda, machen den Grill an, trinken ein paar Bier und sehen uns das Gewitter an. Es ist jedes Mal anders, manchmal kracht es direkt neben einem ganz gewaltig, manchmal ist es eher ein lautloses Feuerwerk in der Ferne. Aber es ist eben der letzte Abschnitt des Tages, endlich mal ein bisschen kühler nach all der Hitze, aber doch noch warm genug, dass es auch gar nichts ausmacht, wenn du mal nass wirst. Es ist einfach ein tolles Gemeinschaftserlebens: Jeder hier liebt Gewitter."
Wie hatten sich doch gleich die Ureinwohner des Landes noch mal die Entstehung eines Gewitters erklärt?
"Nammargon, der Herr des Gewitters, hat Äxte an seinen Ellbogen und Knien, die für den Donner stehen, und ein Band um sich herum, das die Blitze darstellt. Sein Hauptfeind ist eine Echse, und wenn ein Baum vom Blitz getroffen wurde, glaubten die Aborigines, Namarrgon hätte wieder mal versucht, die Echse mit einer Axt zu erschlagen."
Ob der Mensch von damals nun glaubte, dass Namarrgon seine Steinaxt schleuderte, oder der von heute weiß, dass hier elektrostatische Entladungen mit bis zu 300.000 Ampere Stromstärke stattfinden - die Gänsehaut, die gesträubten Nackenhaare und das kreatürlich Erschrecken bis ins Mark sind ihnen beiden gemeinsam. Wetter ist für die Menschen im Northern Territory elementarer Bestandteil ihres Lebens - heute wie vor 20.000 Jahren.
Von Januar bis April herrscht "Wet Season", die nasse Jahreszeit, in Northern Territory, Australiens nördlichem mittleren Drittel, das immerhin viermal so groß ist wie Deutschland. Und das, sagt Steven Noble, der in Darwin einen Fahrradverleih betreibt, ist eigentlich die interessantere Zeit des Jahres.
"Die Trockenzeit ist ja eher etwas langweilig, blauer Himmel und Sonne Tag für Tag. Jetzt in der Regenzeit aber wachst du auf, und weißt nicht, was als Nächstes passiert. Vielleicht gibt es schon um elf ein kleines Gewitter, vielleicht stürmt es nachmittags um fünf und regnet bis in die Puppen. Grauer Himmel, blauer Himmel, Sonnenuntergänge in den wahnsinnigsten Farben - alles ist drin. Dazu das frische Grün, die Blumen, all die kräftigen Farben - dieses Wetter überrascht dich von Tag zu Tag aufs Neue."
Regen, Wind, Stürme, Sonnenschein - kurz: Wetter - hat für Australien eine enorme Bedeutung, heute und seit Jahrtausenden schon. Dem Wetter ist es etwa geschuldet, dass Darwin, das Zentrum des Nordens, noch eine ganz junge Ansiedlung ist. In der Weihnachtsnacht 1974 orgelte der Zyklon "Tracy" über die Stadt und hinterließ nicht mehr viel, was an eine solche erinnerte. Viele von denen, die die Katastrophe persönlich miterlebt haben, schaffen es immer noch nicht, darüber zu sprechen.
In einer schalldichten Kammer im Museum hämmert, heult und röhrt der Sturm auch heute noch - Pfarrer Ted Collins hat den Schrecken auf seinem Tonband festgehalten. Steven Noble hat sich ausführlich mit dem Ablauf des Dramas beschäftigt:
"Unglücklicherweise hatte das Wetteramt nicht die Geräte, um erkennen zu können, was dieser Sturm anrichten würde. Sie gaben ein paar Warnungen heraus, aber das volle Ausmaß der Gefahr blieb offen. Darum machten die Leute am Weihnachtsabend, was sie immer machten: Sie aßen mit ihren Familien und tauschten Geschenke aus. Um ein Uhr, als die meisten Menschen schon im Bett lagen, traf der schreckliche Sturm Darwin. Der Wind steigerte sich, der Regen wurde stärker, der Strom fiel aus. Zwischen ein und fünf Uhr morgens wurde die Stadt komplett verwüstet."
Die Windmesser wurden zerstört, die letzte Aufzeichnung zeigte Böen von 214 Stundenkilometern an. Experten schätzen, dass die Windgeschwindigkeit bis auf 260 km/h anstieg.
"Als die Sonne am nächsten Morgen aufging und die Leute hinauskonnten, sahen sie erst das ganze Ausmaß der Katastrophe. Von 14.000 Häusern waren gerade mal 400 stehen geblieben. 71 Leute waren ums Leben gekommen. Die Stadt war verwüstet und wurde nie mehr, was sie zuvor gewesen war."
Ein Film im Museum zeigt Berge zerknüllten Wellblechs, Bäume, in die Metallfetzen schlugen wie Schrapnelle und Reihen von Stelzen ohne eine Spur der dazugehörigen Häuser. "Tracy - you bitch" - Tracy, du Miststück, hat einer in hilfloser Wut auf sein zerstörtes Auto gemalt.
Aber schon davor, Jahrhunderte, Jahrtausende davor, spielten das Wetter und der Wechsel der Jahreszeiten für die Ureinwohner des Landes eine lebenswichtige Rolle. Aborigines kennen sechs Jahrszeiten, sagt Nilus Vengana vom Volk der Bininj im Kakadu-Nationalpark.
Neben Regen- und Trockenzeit gibt es die Saison der schweren Gewitter, es gibt die Zeit, sich auf den Monsun vorzubereiten, die Zeit der heftigen Regen, die das Gras plattmachen und die Zeit, in der das trockene Gras abgebrannt wird.
Alle diese Jahreszeiten sind zugleich eng mit dem jeweiligen Nahrungsangebot verknüpft. Sagt Touristenführer Sab Lord, der auf einer weltfernen Rinderfarm im Kreis von Aborigene-Kindern aufgewachsen ist, und ihre Kultur kennt wie kaum ein anderer Weißer.
"Die sechs Jahreszeiten stehen auch dafür, was sich in der Natur jeweils zu essen findet. Welche Beeren werden reif, welche Tiere kann man jetzt jagen? Der Wechsel der Jahreszeiten ist damit auch ein Signal für die Aborigines, jetzt weiterzuziehen, an einen Platz, wo das Nahrungsangebot besser ist."
Gerade die Regenzeit aber bringt für Menschen, die unter freiem Himmel leben, auch ganz besondere Gefahren mit sich.
"Dass die Regenzeit beginnt, heißt: Namarrgon, der Herr der Gewitter, ist eingetroffen. Jetzt heißt es besonders vorsichtig sein - das erklärt man vor allem den Kindern sehr eindrücklich. Nicht nur wegen der Gewitter, sondern weil die Flüsse ganz plötzlich anschwellen können. Und weil dies auch die Zeit ist, in der die Schlangen vermehrt herauskommen - auch das hat mit dem Wetter zu tun."
Die Ebenen um das Bamurru Plains Camp nahe der Nordküste sind weithin überschwemmt. Mit lautem Geknatter und 65 km/h sucht sich das propellergetriebene Sumpfboot seinen Weg zwischen dem wogenden Gras. Wasserbüffel prusten im Schlamm, ein Jabiru, der schwarzköpfige Storch mit klugen Bernsteinaugen, stakst vorsichtig durch den Matsch, Blatthühnchen laufen leichtfüßig über Wasserpflanzen, fast wie weiland der Heiland. Hinein in lichte Wälder aus Papierrindenbäumen gleitet das Boot, zwischen rosa Lotosblüten und tellergroße Seerosenblätter. Hier war jahrhundertelang ein beliebter Treffpunkt für Aborigines, erklärt John O'Shea, der Manager des Fischer-Camps.
"Hier stand einmal alles voller Papierrinden-Bäume. Diese Ecke war so was wie ein großer Lebensmittel-Markt für die Aborigines. Verschiedene Stämme trafen sich zum Jagen und Sammeln und Fischen. Es gibt reichlich Schildkröten hier, Krokodile, Gänse und jede Menge anderer Vögel. Die Frauen sammelten Seerosen - die Zwiebel untendran kann man nämlich essen. Auch die Stängel übrigens - probier mal - schmeckt wie Sellerie. Ebenso haben sie die Samen der Lotosblumen gesucht. Sind auch sehr lecker, so wie Pinienkerne ungefähr."
Auch am Yellow River im Nationalpark Kakadu ist das Land jetzt weithin überschwemmt. Vorsichtig steuert Biologe David Chemello das Boot zwischen Gestrüpp und knorrigen Stämmen hindurch. Eukalyptusbäume und weiße Wolkenberge spiegeln sich in den braunen Fluten. Während der Trockenzeit sieht es hier ganz anders aus.
"Dann hat der Fluss keine Verbindung zum Meer mehr, sondern ist nur noch ein riesiges Wasserloch, und die ganzen Tiere stecken sozusagen in der Falle. Es ist sehr heiß und trocken und alle müssen sie ans Wasser, um zu trinken. Da sind dann Tausende und Abertausende von Vögeln in der Luft, manchmal Millionen von Magpie-Gänsen. Und natürlich lauern überall Krokodile und fressen sich an Vögeln und Schildkröten und Fischen satt."
Die meisten Bäume im Wasser sind Papierrindenbäume. Die Aborigines nutzen den Bast auf vielfältige Weise, sagt Führer Nilus Vigana vom Volk der Bininj, denen der Yellow River gehört.
"Wir wickeln Schlangen und Fisch darin ein und garen sie im Erdofen. Schildkröten zum Beispiel: Die legen wir in ein Loch im Boden mit heißer Holzkohle, dann kommt Papierrinde darüber und dann decken wir das Ganze mit Erde ab. Das hält die Hitze und lässt das Fleisch besonders zart werden. So drei, dreieinhalb Stunden dauert eine Schildkröte der Größe, wie wir sie gerade gesehen haben."
Auch die Süßwassermangroven, die hier überall stehen, haben für die Bininj einen großen praktischen Wert.
"Wir sammeln Rinde vom Stamm und von den Wurzeln, nehmen Blätter dazu und zerreiben das alles. Das streuen wir dann in ein nicht allzugroßes Wasserloch. Dabei wird ein Gift freigesetzt, das den Sauerstoff aus dem Wasser zieht. Die Fische werden betäubt und treiben bald an der Oberfläche, wir müssen sie nur noch einsammeln. Die Methode ist entschieden bequemer, als mit Angel und Leine herumzusitzen. Wenn wir den Fisch entnommen haben, den wir brauchen, rufen wir die Kinder und lassen sie herumplanschen. Das reichert das Wasser wieder mit Sauerstoff an. Die Fische, die wir übrig gelassen haben, kommen dann zu sich und tauchen wieder ab."
Und im Schlamm zwischen den Wurzeln der Mangroven findet sich oft noch eine besondere Spezialität, schwärmt Nilus, der Feinschmecker: die File-Schlange.
"Die Mädchen ertasten sie mit den Füßen, ziehen sie heraus, waschen sie kurz und beißen ihnen den Kopf ab - das machen wir seit Generationen so. Die schmecken prima, sind ausgezeichnete Speise-Schlangen, nicht giftig."
David zeigt auf einen dichten grünen Pflanzenteppich, der eine kleine Bucht vollständig bedeckt.
"Wasserfarn - damit haben wir ein großes Problem. Er breitet sich über weite Flächen aus und verdrängt die heimische Vegetation. Er lässt kein Licht mehr ins Wasser, und keinen Sauerstoff, die Pflanzen, die beides brauchen, sterben ab. Und auch die Fische können nicht mehr atmen."
Sab Lord dagegen meint, dass die größte Gefahr für die Natur des Northern Territory derzeit auf dem Landweg vorrückt.
"Die Riesenkröten wurden in den 30er Jahren aus Südamerika eingeführt und sollten den Zuckerrohr-Käfer dezimieren. Sie sind hässlich, vermehren sich wie verrückt und haben zwei Giftdrüsen auf dem Rücken. An denen gehen die meisten Tiere ein, die so eine Kröte zu fressen versuchen."
Die Zahl der Schlangen und Echsen habe rapide abgenommen, meint Sab, seit die Kröte im Kakadu-Nationalpark angekommen sei.
"In Bamurru Plains, wo wir gestern waren, habe ich damals auf knapp hundert Metern über 60 tote Wasserpythons gefunden - und die meisten hatten eine Riesenkröte im Maul. Es ist ein sehr quälender Tod für die Tiere, sogar große Salzwasserkrokodile können daran zugrunde gehen. Verglichen mit dieser Kröteninvasion war die Kaninchenplage so etwas wie ein Kinderspiel."
An einer Uferbiegung lauert ein Krokodil unbeweglich unter der Wasseroberfläche, bis ein Fisch in seine tödliche Kiefernfalle gerät. Auch für Krokodile hat die Regenzeit eine wichtige Bedeutung, erklärt Mike O'Neill, der Manager des Crocosauruscove in Darwin. In diesem Zentrum dreht sich alles um die gepanzerten Echsen.
"Die Krokodile haben jetzt Paarungszeit. Von November bis März legen sie Eier, und es dauert so elf bis 13 Wochen, bis die Jungen schlüpfen. Wir sammeln von Januar bis März, manchmal auch April Eier ein. 55.000 Eier darf das Konsortium des Northern Territory der Natur entnehmen."
Diese Eier werden dann in den Krokodilfarmen ausgebrütet und die Tiere für Leder und Fleisch weitergezüchtet. Sorgen, dass Krokodile dadurch in ihrem Bestand bedroht sein könnten, braucht sich niemand zu machen.
Natürlich gibt es im Krokodilzentrum allerhand Spektakuläres über die gefährlichen Echsen zu erfahren.
"Das Australische Salzwasserkrokodil ist nicht nur der stärkste Beißer auf Erden, sondern wahrscheinlich der stärkste Beißer aller Zeiten überhaupt. Ein Mensch kann beim Beißen einen Druck von 20 Kilo entwickeln. Ein Löwe bringt es auf 300, eine Hyäne auf 500 Kilo. Bei Tyrannosaurus Rex waren es wahrscheinlich 1800 Kilo - so schwer ist übrigens ein Landrover. Ein ausgewachsenes Salzwasserkrokodil aber beißt mit einem Druck von 3400 Kilo - was soviel ist wie ein kleiner Lkw."
Und so klingt, was man in freier Wildbahn wahrscheinlich nicht so gern so deutlich hören möchte: die Warnung einer Kroko-Dame, wenn man einem Nest zu nahe gekommen ist.
Und wehe, man macht sich dann auch noch den Herrn des Flussufers zum Feind.
Eine aufregende Jahreszeit, die Regenperiode. Es gibt im Northern Territory Menschen, für die sie die wichtigste Zeit des Jahres überhaupt darstellt. Denn jetzt kündigt die Wettervorhersage häufig schwere Gewitter an und manche Leute sind richtiggehend verrückt danach. Michael O'Neill, Drucker bei einer Zeitung, ist einer dieser sogenannten Stormchaser, ein Gewitterjäger, immer auf der Jagd nach dem perfekten Foto und dem schärfsten Nervenkitzel. Kündigt sich ein Gewitter an, wirft er sich in sein Auto, rast der dunklen Wolkenwand entgegen, montiert seine Kamera auf das Stativ und fotografiert: Blitze, Wolken, Regenschauer. So ganz ohne Risiko ist dieses Hobby allerdings nicht.
"Ein Gewitter ist immer gefährlich: jede Menge Blitze und heftige Böen. In Darwin frischt der Wind manchmal auf 80, 90 Stundenkilometer auf - nicht so viel wie in Ostaustralien oder Europa und Amerika, wo gelegentlich diese grapefruitgroßen Hagelkörner runterkommen. In einem Gewitter können sich innerhalb von 20 Minuten 2000 Blitze entladen, und die Hälfte davon schlägt auf der Erde ein. Wenn du da in der Nähe bist, bist du natürlich immer ein Ziel."
Ein Nervenkitzel also, ein Spiel mit den Elementen. And what's the fun in it, möchte man dann natürlich wissen. Was macht den Reiz des Ganzen aus?
"Es ist ein Adrenalinrausch. Es kribbelt dich überall. Wenn die ganze Anreiserei endlich hinter dir liegt und du vor dem Gewitter stehst, die Blitze gehen direkt vor dir nieder, genau in der richtigen Entfernung - da kriegst du eine Gänsehaut, da schreist du rum und brüllst und redest mit dir selbst - es macht dich stolz, wenn du es auf den Film gekriegt hast, wenn die Jagd erfolgreich war - und wenn du dann weißt: Mann, du bist verdammt gut in dem, was du da machst."
Aber auch für Australier, die nicht gern mit ihrem Leben spielen, ist ein ordentliches Gewitter vor allem ein prickelnder Spaß. Gewittergucken ist neben Football, Grillen und Angeln eine Art Nationalsport in Darwin. Tom Hannon, der in der Werbung arbeitet und ganz und gar nicht an einen Draufgänger erinnert, erklärt, wie man es richtig macht.
"Wir sitzen mit Freunden auf der Veranda, machen den Grill an, trinken ein paar Bier und sehen uns das Gewitter an. Es ist jedes Mal anders, manchmal kracht es direkt neben einem ganz gewaltig, manchmal ist es eher ein lautloses Feuerwerk in der Ferne. Aber es ist eben der letzte Abschnitt des Tages, endlich mal ein bisschen kühler nach all der Hitze, aber doch noch warm genug, dass es auch gar nichts ausmacht, wenn du mal nass wirst. Es ist einfach ein tolles Gemeinschaftserlebens: Jeder hier liebt Gewitter."
Wie hatten sich doch gleich die Ureinwohner des Landes noch mal die Entstehung eines Gewitters erklärt?
"Nammargon, der Herr des Gewitters, hat Äxte an seinen Ellbogen und Knien, die für den Donner stehen, und ein Band um sich herum, das die Blitze darstellt. Sein Hauptfeind ist eine Echse, und wenn ein Baum vom Blitz getroffen wurde, glaubten die Aborigines, Namarrgon hätte wieder mal versucht, die Echse mit einer Axt zu erschlagen."
Ob der Mensch von damals nun glaubte, dass Namarrgon seine Steinaxt schleuderte, oder der von heute weiß, dass hier elektrostatische Entladungen mit bis zu 300.000 Ampere Stromstärke stattfinden - die Gänsehaut, die gesträubten Nackenhaare und das kreatürlich Erschrecken bis ins Mark sind ihnen beiden gemeinsam. Wetter ist für die Menschen im Northern Territory elementarer Bestandteil ihres Lebens - heute wie vor 20.000 Jahren.