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Gezielte Irreführung

Biologie. - Bei vielen Affenarten herrscht die eiserne Regel, dass nur der Clanführer Nachwuchs zeugen darf. Das führt dazu, dass bei einem Führungswechsel der neue Chef alle Jungen seines Vorgängers tötet. Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums haben jetzt entdeckt, welche Gegenstrategie die Weibchen der Hanuman-Languren entwickelt haben.

    Der Stuhl eines Alpha-Männchens ist alles andere als ein komfortabler Chefsessel. Das bekommt bei vielen Affenarten auch der Nachwuchs zu spüren. Wird ein Clanführer von einem anderen Männchen vertrieben geraten nämlich die Nachkommen des alten Chefs in Gefahr. Das neue Alpha-Tier versucht sie zu töten, damit nur seine eigenen Nachkommen groß werden. Allerdings haben die Weibchen eine recht effektive Gegenstrategie entwickelt, die Thomas Ziegler vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen am Beispiel der indischen Hanuman-Languren näher untersucht hat: "Die Weibchen verschleiern ihre Ovulation, indem sie über einen längeren Zeitraum hinweg kopulieren." Damit lassen sie die Männchen der Gruppe über den Zeitpunkt ihrer Empfängnisbereitschaft im Unklaren. Da sie aber mit allen Männchen der Gruppe kopulieren, herrscht über den Vater der Kinder in der Gruppe relative Unklarheit und das schützt die Jungen bei Palastrevolutionen. "Das dominante Männchen zeugte zwar die meisten Jungen, aber es sind nicht 100 sondern nur 60 Prozent, der Rest geht an andere Männchen aus der Gruppe oder von außerhalb. Dieses Restrisiko hält die anderen Männchen davon ab, die Kinder zu töten", so der Verhaltensbiologe.

    Doch nicht nur der Schutz des eigenen Nachwuchses dürfte ein Grund für die ausgedehnte Kopulationsphase bei Primaten sein. Durch gefahrlosen Sex können die Weibchen auch testen, ob die verfügbaren Männchen zur Zeugung von Nachwuchs geeignet sind. "Indem sie auch während ihrer unfruchtbaren Tage mit Männchen kopulieren, bekommen sie die gewünschte Information, ohne das Risiko von einem Männchen niedrigerer Qualität schwanger zu werden", erklärt Joseph Manson, Verhaltensbiologe an der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Allerdings hat Manson diese Vermutung bei Experimenten mit Rhesus-Affen nicht bestätigen können. Noch bleibt es daher eine reine Hypothese.

    [Quelle: Kay Müllges]