Der Schulhof des Gymnasium "Alfred Nobel" in Clichy-sous-Bois: Eine Gruppe 16- bis 18-jähriger Gymnasiasten, die gerade das Schulgelände für die Mittagspause verlässt, über ihr Gymnasium in dem Pariser Vorort Clichy-sous-Bois, in dem vor einem Jahr die Jugendaufstände ihren Anfang nahmen:
"Man hat uns immer in die Schulen gleich um die Ecke, die Wohnungen gleich um die Ecke geschickt. Wir verlassen nie das Viertel. Ich glaube, die wollen uns woanders nicht. Die sperren uns hier ein."
"Wir haben in unseren Schulen zu viele Lehrer, die uns für Idioten und Taugenichtse halten, denen wir völlig egal sind und die alles tun, um uns kaputt zu machen."
"In Wahrheit wollen wir lernen. Wir wollen eine berufliche Zukunft haben. Wir wollen Geld verdienen und nicht hier verrecken, wie die anderen. Aber jedes Mal, wenn man etwas unternehmen will, schlägt man uns die Tür vor der Nase zu. Meine Lehrerin hat mir zum Beispiel gleich bei Schuljahrbeginn gesagt: 'Ihr habt absolut keine Zukunft'! Das heißt für mich, selbst wenn ich hier am Gymnasium einen guten Abschluss mache, kann ich damit nichts anfangen. Weiterführende Schulen oder Ausbilder in Paris wollen uns nicht."
Dass die "Schule der Republik", wie die Franzosen das staatliche Schulsystem gerne nennen, für Chancengleichheit sorgt und vor allem die Integration der Einwandererkinder in die französische Gesellschaft garantiert, ist in sozialschwachen Einwanderervierteln vor den Toren der Großstädte kaum mehr als eine Illusion. So wundert es kaum, wenn dort immer mehr Eltern ihre Kinder in Schulen außerhalb ihres Wohnviertels schicken wollen. Eine Mutter aus Clichy-sous-Bois, die schon jetzt nach Alternativen für ihre zwei Kinder im Vorschulalter sucht:
"Wenn ich hier mit anderen Eltern rede, sagen mir sieben von zehn, dass sie ihre Kinder woanders einschulen wollen. Ich würde meine Kinder am liebsten auch in eine staatliche Schule in Paris schicken, um ihnen eine bessere Zukunft zu sichern. Aber das ist leider wegen der carte scolaire nicht erlaubt. Wir haben nicht die richtige Adresse."
Bleiben zwei Lösungen: entweder setzen Eltern ihre Kinder auf die langen Wartelisten der oft kostspieligen Privatschulen. Oder aber sie umgehen die carte scolaire, indem sie schummeln: mit ihrer Adresse oder sie erwirken mit vorgeschobenen Gründen eine Ausnahmegenehmigung. Einer Studie zufolge profitieren von dieser Möglichkeit vor allem Eltern mit guten Kontakten zur Schulbehörde: an erster Stelle die Lehrer, gefolgt von der Berufsgruppe der Journalisten. Ingesamt sind es inzwischen rund 30 Prozent der Eltern, die sich den Vorschriften der Schulbehörden auf die eine oder andere Weise entziehen und ihre Kinder in bessere Schulen schicken.
Dennoch wird das System der "carte scolaire" nach wie vor verteidigt, von Politikern und besonders engagiert von Lehrergewerkschaften und Funktionären der Elternorganisationen. Und zwar ausgerechnet mit dem Argument der Chancengleichheit. Farid Hamana, Vorsitzender des größten Elternverband Frankreichs, der FCPE:
"Schafft man die carte scolaire ab, wollen alle nur in die beste Schulen gehen. Dann gibt es 2000 Schüler, die sich an einer attraktiven Schule anmelden wollen, die aber nur 500 Plätze hat. Dass heißt, es muss gesiebt werden, aber ohne verbindliche Kriterien, oft willkürlich. Daraus entsteht wieder eine Klassentrennung: die Mittelschicht profitiert und die sozialschwachen Schüler bleiben wieder auf der Strecke und unter sich."
Dass dies schon heute der Fall ist, Schüler aus sozialschwachen Wohngegenden quasi gezwungen werden, die schlechteren Schulen zu besuchen, bedauern die Verteidiger der carte scolaire natürlich. Die Regierung müsse dort eben mehr Geld zur Verfügung stellen, damit die Schulen in den französischen Gettos besser werden, entgegnet der Vorsitzende der Elternorganisation FCPE. Aber Eltern und Schülern die freie Wahl ihrer Schule einzuräumen, davon hält er schon aus erzieherischen Gründen nichts:
"Man lebt in einer bestimmten Kommune oder Stadtteil. Und da muss man auch mit den anderen zusammenleben. Selbst, wenn einem die Nachbarn nicht immer gefallen. Man muss trotzdem lernen, zusammenzuleben."
Eine Mutter aus Bobigny, die ihre Kinder gerne außerhalb ihres Wohnviertels zur Schule schicken würde, beschwert sich über Lehrergewerkschaften und Politiker, die das alte System aus "ideologischen" Gründen aufrechterhalten wollten. Die sind doch die Ersten, die ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen herausnehmen und in private Einrichtungen schicken, schimpft sie.
"Man hat uns immer in die Schulen gleich um die Ecke, die Wohnungen gleich um die Ecke geschickt. Wir verlassen nie das Viertel. Ich glaube, die wollen uns woanders nicht. Die sperren uns hier ein."
"Wir haben in unseren Schulen zu viele Lehrer, die uns für Idioten und Taugenichtse halten, denen wir völlig egal sind und die alles tun, um uns kaputt zu machen."
"In Wahrheit wollen wir lernen. Wir wollen eine berufliche Zukunft haben. Wir wollen Geld verdienen und nicht hier verrecken, wie die anderen. Aber jedes Mal, wenn man etwas unternehmen will, schlägt man uns die Tür vor der Nase zu. Meine Lehrerin hat mir zum Beispiel gleich bei Schuljahrbeginn gesagt: 'Ihr habt absolut keine Zukunft'! Das heißt für mich, selbst wenn ich hier am Gymnasium einen guten Abschluss mache, kann ich damit nichts anfangen. Weiterführende Schulen oder Ausbilder in Paris wollen uns nicht."
Dass die "Schule der Republik", wie die Franzosen das staatliche Schulsystem gerne nennen, für Chancengleichheit sorgt und vor allem die Integration der Einwandererkinder in die französische Gesellschaft garantiert, ist in sozialschwachen Einwanderervierteln vor den Toren der Großstädte kaum mehr als eine Illusion. So wundert es kaum, wenn dort immer mehr Eltern ihre Kinder in Schulen außerhalb ihres Wohnviertels schicken wollen. Eine Mutter aus Clichy-sous-Bois, die schon jetzt nach Alternativen für ihre zwei Kinder im Vorschulalter sucht:
"Wenn ich hier mit anderen Eltern rede, sagen mir sieben von zehn, dass sie ihre Kinder woanders einschulen wollen. Ich würde meine Kinder am liebsten auch in eine staatliche Schule in Paris schicken, um ihnen eine bessere Zukunft zu sichern. Aber das ist leider wegen der carte scolaire nicht erlaubt. Wir haben nicht die richtige Adresse."
Bleiben zwei Lösungen: entweder setzen Eltern ihre Kinder auf die langen Wartelisten der oft kostspieligen Privatschulen. Oder aber sie umgehen die carte scolaire, indem sie schummeln: mit ihrer Adresse oder sie erwirken mit vorgeschobenen Gründen eine Ausnahmegenehmigung. Einer Studie zufolge profitieren von dieser Möglichkeit vor allem Eltern mit guten Kontakten zur Schulbehörde: an erster Stelle die Lehrer, gefolgt von der Berufsgruppe der Journalisten. Ingesamt sind es inzwischen rund 30 Prozent der Eltern, die sich den Vorschriften der Schulbehörden auf die eine oder andere Weise entziehen und ihre Kinder in bessere Schulen schicken.
Dennoch wird das System der "carte scolaire" nach wie vor verteidigt, von Politikern und besonders engagiert von Lehrergewerkschaften und Funktionären der Elternorganisationen. Und zwar ausgerechnet mit dem Argument der Chancengleichheit. Farid Hamana, Vorsitzender des größten Elternverband Frankreichs, der FCPE:
"Schafft man die carte scolaire ab, wollen alle nur in die beste Schulen gehen. Dann gibt es 2000 Schüler, die sich an einer attraktiven Schule anmelden wollen, die aber nur 500 Plätze hat. Dass heißt, es muss gesiebt werden, aber ohne verbindliche Kriterien, oft willkürlich. Daraus entsteht wieder eine Klassentrennung: die Mittelschicht profitiert und die sozialschwachen Schüler bleiben wieder auf der Strecke und unter sich."
Dass dies schon heute der Fall ist, Schüler aus sozialschwachen Wohngegenden quasi gezwungen werden, die schlechteren Schulen zu besuchen, bedauern die Verteidiger der carte scolaire natürlich. Die Regierung müsse dort eben mehr Geld zur Verfügung stellen, damit die Schulen in den französischen Gettos besser werden, entgegnet der Vorsitzende der Elternorganisation FCPE. Aber Eltern und Schülern die freie Wahl ihrer Schule einzuräumen, davon hält er schon aus erzieherischen Gründen nichts:
"Man lebt in einer bestimmten Kommune oder Stadtteil. Und da muss man auch mit den anderen zusammenleben. Selbst, wenn einem die Nachbarn nicht immer gefallen. Man muss trotzdem lernen, zusammenzuleben."
Eine Mutter aus Bobigny, die ihre Kinder gerne außerhalb ihres Wohnviertels zur Schule schicken würde, beschwert sich über Lehrergewerkschaften und Politiker, die das alte System aus "ideologischen" Gründen aufrechterhalten wollten. Die sind doch die Ersten, die ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen herausnehmen und in private Einrichtungen schicken, schimpft sie.