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Giacomo Meyerbeers Nachlass als Schenkung

Drei aus Deutschland stammende Komponisten haben das Musiktheater des 19. Jahrhunderts revolutioniert – Carl Maria von Weber, der die Idee von Leitmotiv und Gesamtkunstwerk entwickelte, Giacomo Meyerbeer, den perfektionistischen Großmeister der Grande Opéra, und Richard Wagner, der die Idee des Musikdramas und die Praxis der "ewigen Melodie" fortschrieb. Während nach Weber wenigstens eine Hochschule benannt wurde, nach Wagner wohl in jeder opernführenden Ortschaft ein respektabler Platz oder eine besser situierte Straße, hinterließ Meyerbeer – zu Lebzeiten der erfolgreichste der großen drei – nicht einmal in seiner Heimatstadt Berlin ein sichtbaren Zeichen der Erinnerung. Die eherne Tafel, welche die Meyerbeer-Erben kurz vor Ende der DDR deren Hauptstadt für das Gebäude Friedensstraße 3 stifteten, wurde inzwischen – wegen der allzu intensiven Überformung durch Graffiti – entfernt.

Ein Beitrag von Frieder Reininghaus | 08.07.2003
    Die Beersche Familienvilla im Berliner Tiergarten verschwand, nachdem sie "arisiert" worden war, durch die Bomben und Granaten des zweiten Weltkriegs aus dem Stadtbild. Die Ruinen lagen im "Niemandsland" zwischen den Sektorengrenzen. Ihr großes Grundstück avancierte allerdings unlängst zu neuer historischer Bedeutung: auf ihm steht jetzt das neue Bundeskanzleramt.

    Zwei Nachfahren von Meyerbeers Tochter Cornelie Richter, die pensionierte Bibliothekarin Elisabeth Beare und der Arzt Dr. Reinhold Becker, haben dem Berliner Stadtmuseum Hunderte von zum Teil höchst erlesenen Stücken aus den erhalten gebliebenen Teilen des Familien-Nachlasses vermacht – in Gestalt der "Hans- und Luise-Richter-Stiftung". Bis zum kommenden Jahr sollen deren Bestände aufgearbeitet und dann mit einer Sonderausstellung des Märkischen Museums zugänglich gemacht werden. Dabei ist das Problem, wie das überwiegend aus papiernen Dokumenten sich erhellende Themengewebe anschaulich gemacht werden kann. Dazu Alice Uebe, die Leiterin der "Hans- und Luise-Richter-Sammlung":

    Zum einen besteht dieser Nachlass nicht nur aus dem, was wir Museumsleute ein wenig flapsig 'Flachware' nennen, sondern auch sehr schöne kunstgewerbliche Objekte wie Verlobungs- und Hochzeitsgeschenken. Es ist unsere große Kunst, dass wir diese Sachen zum Reden bringen können. Und wir haben uns das so überlegt: wir werden eine Ausstellung in unserem Stammhaus, dem Märkischen Museum, machen – zum einen Teil wird der Nachlass in seiner ganzen Opulenz dargestellt werden; zum anderen wollen wir einzelne Teile dieses Nachlasses in unserer Dauerausstellung – dorthin, wo sie hingehören, präsentieren. Und da finden wir eben Giacomo Meyerbeer in einem Raum, der sich mit Musik und Theater in Berlin beschäftigt. Wir finden die Tochter dort, wo die Salons abgehandelt werden. Und so werden wir die Besucher anhand durch das ganze Museum anhand dieser Familie führen.

    Für manche historischen Themen gibt es in den letzten Jahren ein enormes Interesse – man denke an die Staufer (und überhaupt die deutsche Fürstenfamilien), an Bismarck in Berlin oder Mozart in Wien. Aber ob sich die Aufmerksamkeit auf den so fast völlig in Vergessenheit geratenen Meyerbeer richten lässt, bleibt auch für Kurt Winkler, Direktor der Berliner Stadtmuseen, die Frage:

    Das Interessante speziell an diesem Nachlass ist die ganz besondere Dichte und der große Zeitraum, der da umgriffen wird. Meyerbeer ist der prominenteste Name, der wichtigste Spross der Familie. Aber er ist ja hier weniger wegen seiner musikalischen oder musikgeschichtlichen Bedeutung, sondern in diesem Kontext der Familientradition und dieser langandauernden Überlieferungsgeschichte spannend. Und man begreift das in dieser Generationsfolge – das ist für uns einer der ganz interessanten Aspekte, die mit dieser Stiftung verbunden sind. Es ist ganz selten, dass Familien die entsprechenden Dokumente auch materiell aufbewahren und dass Familien solche Vorfahren aufweisen können, die auch solche historische Bedeutung haben. Es gibt einfach diesen Anknüpfungspunkt des individuellen, des biographischen Interesses, das jeder Mensch hat, uns das sich hier glücklich verbindet mit dieser Geschichte, die natürlich für Berlin insgesamt aussagekräftig ist. "

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