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Gift auf dem Acker

Glyphosat ist mittlerweile das meistverkaufte Pflanzengift der Welt. Wissenschaftler aber warnen davor: In Argentinien wird die hohe Rate von Krebsfällen in der Nähe von mit Glyphosat gespritzten Feldern schon lange angeprangert. Auch in Deutschland gerät das Herbizid in Verruf.

Von Britta Fecke | 04.10.2012
    Der Anblick ist erstaunlich: Obwohl auf dem Acker kein Halm mehr steht, zieht der Traktor mit der Feldspritze über den braunen Boden. Aus den Düsen kommt ein steter weißer Strahl: Roundup heißt das Herbizid, das in Deutschland häufig auch nach der Ernte eingesetzt wird, Steffi Ober, NABU-Referentin für Agrar- und Gentechnik erklärt warum:

    "Bevor der Samen in den Boden kommt, wird der Acker quasi blank gemacht und Glyphosat eingesetzt."

    Das Glyphosat-haltige Herbizid Roundup ist weltweit das meisteingesetzte Pflanzengift. Es wird über die Blätter und Halme aufgenommen und blockiert ein Enzym, nach kurzer Zeit stirbt die ganze Pflanze ab. Doch Roundup wird längst nicht nur eingesetzt, um den Acker vor der Aussaat, wie es heißt "blank" zu spritzen. Steffi Ober:

    "Dann wird es verwendet vor der Ernte, das ist die sogenannte Sikation. Das bedeutet, dass eine gleichmäßige Abreife der Ernte erzielt werden soll."

    Das heißt: Noch kurz vor der Ernte darf das Getreide mit Glyphosat gespritzt werden. Das Ergebnis untersuchte Ökotest vor kurzem und fand in 14 von 20 Getreideprodukten - vom Brötchen bis zur Haferflocke - Glyphosat-Rückstände. Für Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von Ökotest, ist der Zusammenhang eindeutig:

    "Das Glyphosat kommt rein, weil Weizen, Roggen, andere Getreidesorten, aber auch Sonnenblumenkerne kurz vor der Ernte noch gespritzt werden dürfen. Die Bauern sagen dazu "Vorerntespritzung". Und warum macht man diese Vorerntespritzung? Durch diese Pestizid-Dusche bis eine Woche vor der Ernte stirbt das Getreide ab und dann trocknet es gleichmäßig."

    Was für den Bauern eine Erleichterung, ja eine gewisse Steuerung des Erntezeitpunktes bedeutet, könnte für den Verbraucher gesundheitliche Folgen haben. Steffi Ober vom Naturschutzbund Deutschland:

    "Glyphosat ist toxisch für Zellen. Es gibt viele Hinweise darauf, dass Glyphosat bei der Reproduktion, also bei der Bildung des Embryos, zu Schädigungen und gravierenden Missbildungen kommt. Aber es gibt auch Hinweise darauf, dass es zu Zellschädigungen und zu Krebs führt."

    Eine Langzeitstudie des Wissenschaftlerteams um den französischen Molekularbiologen Gilles-Eric Seralini hat auch an menschlichen Zellen gezeigt, dass Roundup noch in extremster Verdünnung zellschädigend wirkt. Immunsystem und Nervensystem wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ratten, die mit glyphosathaltigem Mais gefüttert wurden, sollen vermehrt an Tumoren erkrankt seien. In einer noch unveröffentlichten Studie der Universität Leipzig hat die Arbeitsgruppe um die Mikrobiologin Monika Krüger Glyphosat im menschlichen Urin nachgewiesen, in fast allen Proben. Betroffen sind also nicht nur die Landwirte, die im direkten Kontakt zu dem Pflanzengift stehen.

    Studien wie diese bringen das Herbizid aktuell in Verruf, das der Hersteller, der Agrar-Riese Monsanto, jedoch nach wie vor für unbedenklich erklärt. Sorge mach Steffi Ober neben den gesundheitlichen Nebenwirkungen auch noch die Menge:

    "Wir haben einen Einsatz von 15.000 Tonen Glyphosat pro Jahr in Deutschland. Das ist eine ganz erhebliche Steigerung. Wir können davon ausgehen, dass es drei Mal im Jahr eingesetzt wird."

    Das Bundesamt für Risikobewertung reagiert bisher gelassen auf die Forderung von Wissenschaftlern und Naturschützern, die Grenzwerte für Glyphosat neu zu überprüfen und verweist auf die dünne Datenlage. In der Tat gibt es bisher wenig großangelegte Langzeitstudien über die Auswirkungen der Spritzwut auf deutschen - aber noch mehr auf argentinischen Äckern - in deutschen Gärten und auch auf Bahngleisen. Aber bis 2015 muss die EU schon allein aus formalen Gründen über die Wiederzulassung glyphosathaltiger Herbizide entscheiden. Vielleicht würde die Bürokraten in Brüssel und Berlin schon ein Gang in die Gärten neben einem glyphosatbehandelten Acker beeindrucken. Steffi Ober:

    "Es kommt in der umliegenden Fauna und Flora auch zu Schäden, wir haben immer wieder Anwohner, die sagen: "Meine Goldfische schwimmen mit dem Bauch nach oben." Da ist Glyphosat in den Teich gekommen, denn Amphibien reagieren sehr empfindlich auf Glyphosat."

    Und damit ist eine Behauptung des Herstellers Monsanto schon Lüge gestraft, dass nur pflanzliche Organismen auf das Herbizid reagieren