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Gift im Wrack

Das deutsche U-Boot U-864 hatte mehr als 60 Tonnen Quecksilber an Bord, als es im Zweiten Weltkrieg vor der Insel Fedje in Westnorwegen sank. Mittlerweile nagt der Zahn der Zeit an dem Wrack und im norwegischen Fischereiministerium wächst die Angst vor austretenden Giften.

Von Agnes Bührig | 12.03.2007
    Gunnar Gjellan steht vor einer Reihe von Metallteilen im Büro der Küstenwache in Horten, südlich von Oslo. In der Hand hält der Norweger eine verrostete Metallflasche, die sich einst an Bord des U-Bootes U-864 befand und mit Quecksilber gefüllt war. Der Behälter aus deutscher Kriegsproduktion ist über und über mit Rost überzogen, das Risiko wächst, dass die mehr als 60 Tonnen Quecksilber auf dem Grund der Nordsee vor Bergen zur Umweltkatastrophe führen. Um dies zu verhindern, soll das Wrack zugeschüttet werden. Eine Bergung des Schiffes dagegen wäre zu risikoreich, begründet Projektleiter Gunnar Gjellan die gewählte Alternative:

    "Man müsste das Wrack hoch holen und in ruhigere Fahrwasser in der Nähe von Land schleppen, um das Quecksilber rausholen zu können. Bei so einer Operation könnte mehr von dem giftigen Metall ins Wasser gelangen. Das Wrack hat 60 Jahre auf dem Meeresboden gelegen, ist gerostet und in einer der Flaschen, die wir hoch geholt haben, haben wir ein Loch gefunden. Da ist die Gefahr groß, dass weiteres Quecksilber austritt."

    Schon heute sind 30 000 Quadratmeter Boden vor der Küste nördlich von Bergen durch das giftige Metall belastet, der Fischfang ist im Umkreis von einem Quadratkilometer rund um das Wrack verboten. Welche Gefahr von Quecksilber im Meer ausgehen kann, zeigte in den 50er und 60er Jahren die Katastrophe von Minamata. In der japanischen Stadt starben damals fast 2000 Menschen, nachdem sie mit Quecksilber verseuchten Fisch gegessen hatten. Doch das Beispiel ist nur bedingt auf Norwegen zu übertragen, sagt Marius Dalen von der Umweltorganisation Bellona:

    "Im U-Boot vor Fedje liegt reines Quecksilber. Das verändert seine Form, wenn es mit biologischen Organismen und Sauerstoff in Berührung kommt. Die Lage in Japan war sehr viel schlimmer als in Norwegen, denn dort ging es um Methyl-Quecksilber. Das ist eine sehr viel giftigere Verbindung als reines Quecksilber."

    Auch, wenn die Lage nicht ganz so kritisch ist wie damals in Japan, setzt sich Bellona dafür ein, dass das Quecksilber vollständig vom Grund der Nordsee entfernt wird. Denn ein Zuschütten mit Sand, der das kieselsäurearme basische Mineral Olivin enthält und das Quecksilber am Besten binden soll, wie Tests des norwegischen Instituts zur Wasserforschung ergeben haben, ist in den Augen der Umweltschützer nur die zweitbeste Lösung, sagt Umwelttechniker Marius Dalen:

    "Wir sind der Meinung, dass die Bergungsalternative nicht gut genug untersucht worden ist. In den ersten Vorberichten hieß es, eine Bergung des Wracks sei mit einem akzeptablen Risiko verbunden. Im Abschlussbericht der Küstenwache war dann von einem hohen Risiko die Rede. Wir wünschen uns daher eine gründliche Untersuchung der Bergungsalternative, um das Quecksilber physisch vom Meeresboden vor Fedje zu entfernen."

    Inwieweit Bellona ihre Forderungen noch geltend machen kann, ist fraglich. Die Ausschreibung für das Projekt läuft und ab Mai müssten die Arbeiten in Gang kommen, um das Wrack der U-864 in den weniger stürmischen Sommermonaten zuschütten zu können. Qualifizierte Firmen gebe es für das Projekt aufgrund der vielen norwegischen Ölplattformen in der Nordsee ausreichend, auch Strömungen in 150 Metern Tiefe seien kein Problem, sagt Gunnar Gjellan von der Küstenwache und erklärt das Vorgehen anhand einer Zeichnung:

    "Hier sehen wir die zwei Wrackteile. Das U-Boot wurde in der Mitte vom gegnerischen Torpedo getroffen. Hier liegt das Vorschiff und da, etwa 30 m entfernt, das Achterschiff. Da ist eine Böschung mit einem Winkel von etwa 15 Grad. Hier müssen wir eine Füllung aufschichten, damit das Schiff nicht abrutscht. Und das Achterschiff ragt aus dem Boden, müssen wir ebenfalls Masse aufschütten, etwa 12, 13 Meter."

    Über ein Lager aus olivinhaltigem Sand, der das Quecksilber binden soll, wollen die Norweger zudem eine weitere Schicht legen, die Erosionen vorbeugt. Etwa 30 vergleichbare Aktionen wurden in den vergangenen 20 Jahren weltweit durchgeführt und dokumentiert. Gunnar Gjellan ist sich deshalb sicher, dass mit der Zuschüttung der U-864 die Umweltgefahr vor der Insel Ferje gebannt ist.