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Giftige Abwässer und Pläne nach Öl zu bohren

Um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit anzustoßen und um das Bewusstsein für Umweltfragen zu stärken, veranstaltet in dieser Woche die Deutsche Bundesstiftung Umwelt eine Umweltschutzkonferenz in Kaliningrad. Das Bundesumweltministerium organisiert dort zu diesem Thema einen Workshop.

Von Ralph Ahrens | 03.09.2003
    Die Kurische Nehrung ist ein Schmuckstück am Rande der Ostsee. Sie erstreckt sich über mehr als 100 Kilometer von Zelenogradsk im russischen Gebiet Kaliningrad bis nach Klaipėda in Litauen. Die dortigen Dünen und das klare Wasser begeistern Touristen wie auch Susanne Schmid aus Freiburg, die im litauischen Nida, nah der russischen Grenze ihren Urlaub verbrachte:

    Das Wasser finde ich klasse. Ich finde es im Vergleich zum Atlantik nicht so wild. Deshalb habe ich mich sogar ins Wasser getraut, und es ist von der Temperatur echt an der Grenze. Aber ansonsten finde ich das Meer wunderschön. Es sieht auch sehr sauber aus, keine Quallen und so. Ja: macht an zum Schwimmen.

    Anders im Kurischen Haff – auf der anderen Seite der Nehrung. Dort gedeihen Algen und das Wasser sieht dreckig aus. Das Haff wird auch durch ungeklärte kommunale und industrielle Abwässer belastet. Denn, so Andreas Bernstorff von Greenpeace:

    Osteuropa hat eine zum Teil hochgradig antiquierte Industrie. Im Bezirk Kaliningrad beispielsweise arbeiten Papierfabriken nach Methoden, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg von den Deutschen eingeführt wurden.

    So bleichen russische Papier- und Zellstofffabriken an der Memel das Papier noch immer mit Chlor. Dabei entstehen auch Dioxine, die über den Fluss in das Haff und die Ostsee gelangen. Die Folge:

    Kaliningrad steht heute in den Listen von HELCOM – das ist die Helsinki-Komission zum Schutz der Ostsee und der Einzugsgebiete. HELCOM sagt, Kaliningrad ist unser größter ‘Hot Spot’ in der Gegend. Das nennen die so ‘Hot Spot’ – also einer der heißen Punkte, der dringend entschärft werden muss.

    ... und zwar nur grenzüberschreitend. Etwa an der Memel, denn, so Judit Kanthak vom Umweltbundesamt in Berlin:

    Der Fluss fließt an der Grenze zwischen dem Kaliningrader Gebiet und Litauen. Und natürlich kann man nicht nur die eine Seite des Flusses bewirtschaften und umweltgerecht gestalten. Sondern man muss schon zusehen, dass beide Ufer gepflegt werden.

    Bei der Umweltkonferenz der Bundesstiftung Umwelt und beim Workshop des Umweltministeriums wird mit russischen, aber auch litauischen und polnischen Fachleuten über ökologische Landnutzung und Tourismus gesprochen, aber auch über Rieselfelder zur Klärung kommunaler Abwässer und einen Plan zum Schutz der Memel.

    Die russische Seite zeigt sich aus Sicht von Jürgen Keinhorst vom Bundesumweltministerium zwar sehr aufgeschlossen, aber:

    ... auf der anderen Seite steht natürlich ganz Russland vor gewaltigen Herausforderungen und da ist Umwelt nicht immer eine der vordersten Prioritäten oder an einer Stelle, wo es aus unserer Sicht hingehört. Und in der praktischen Umsetzung – gerade wo es in den investiven Bereich hineingeht und Investitionsentscheidungen eben betroffen sind – gestaltet sich der Fortschritt eben häufig etwas langsam.

    Auf der Tagesordnung der Konferenz und des Workshops fehlt aber eines jener Themen, das russische und litauische Umweltorganisationen am meisten beschäftigt, denn aus ihrer Sicht ist die Kurische Nehrung in Gefahr. Der Grund: Der russische Ölgigant Lukoil darf im russischen Hohheitsgewässer 22 Kilometer vor der Nehrung nach Öl bohren. Alexandra Koroleva von der Umweltschutzorganisation Ecodefense in Kaliningrad:

    Wir wehren uns gegen dieses Projekt. Zum einen ist die Ostsee auch heute bereits hoch belastet. Und schon ein einziger Austritt größerer Mengen an Öl wäre eine ökologische Katastrophe – für die Ostsee und auch für die Kurische Nehrung.

    Dabei würde eine Ölkatastrophe nicht nur Fischer hart treffen, sondern auch den Tourismus auf der Nehrung. Denn, so Susanne Schmid aus Freiburg:

    Nee, dann würde ich nicht mehr so gerne kommen. ... Hätte ich Befürchtungen, dass da alles irgendwie verschmutzt würde.