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Giftige Frachter

Am 14. Juli geriet die Flaminia, ein Frachter unter deutscher Flagge, auf der Fahrt von den USA nach Belgien in Brand. Mitten auf dem Atlantik war das, es gab mehrere Explosionen, ein Seemann wurde getötet und ein weiterer wird vermisst. Das Unglück des Frachters, der unter anderem Gefahrengut geladen hat, hält seit Wochen die Reederei und die Behörden verschiedener europäischer Staaten in Atem. Kein Anrainerstaat wollte der Flaminia einen Nothafen zur Verfügung stellen. Nach wochenlanger Verhandlung hat sich nun Deutschland bereit erklärt. Die Flaminia soll untersucht und dann nach Wilhelmshaven geschleppt werden.

Von Christina Selzer |
    Im Moment liegt die Flaminia 55 Kilometer vor der britischen Südwestküste. Seit Dienstag sind Experten des Deutschen Havariekommandos dabei, gemeinsam mit Kollegen aus Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden das schwerbeschädigte Schiff und die Ladung zu begutachten. Hans-Werner Monsees, der Leiter des Havariekommandos in Cuxhaven.

    "Die Kollegen haben eine ganze große Aufgabenliste bekommen, von uns, aber auch vom Germanischen Lloyd. Wir werden alle Tanks, die wir erreichen können, peilen müssen, es ist viel umgepumpt und vermischt worden, um das Schiff stabil zu halten. Es hat ja fast 20000 Tonnen Löschwasser nehmen müssen. Wir müssen Luftproben nehmen. Wir müssen aus den Tanks Proben nehmen, um zu sehen, was habe ich da eigentlich für eine Chemikalienverbindung."

    Die Schäden sind groß. Mehrer Laderäume sind zerstört. Weil das Geisterschiff wochenlang im Meer dümpelte, konnte das Feuer unkontrolliert wüten. Inzwischen gibt es kein offenes Feuer mehr, und nur wenige Glutnester. Die Brandbekämpfung komme aber gut voran, teilte die Reederei NSB in Buxtehude mit. Gefahr geht nach Ansicht des Havariekommandos von dem Schiff derzeit nicht aus. Die Außenhaut der Flaminia sei intakt. An Bord befinden sich rund 2800 Container, davon 151 mit Gefahrengut, von denen mehr als 70 beim Brand zerstört wurden. Einige Container sind mit hoch explosiven Chemikalien beladen. Dirk Reichenbach vom Einsatzstab.

    "Zwei Container enthalten Nitromethan, und zwar 160 Fässer. Wir haben einen Container mit Testosteron, einem Präparat, das in der Pharmaindustrie benutzt wird. Wir haben einen Container mit Klebstoffen und einen mit Magnesiumsulfat, auch ein Ausgangsstoff in der Pharmaindustrie."

    Sobald alle Glutnester auf dem Schiff gelöscht sind und klar ist, dass keine Gefahr mehr besteht, wird das Schiff durch den Ärmelkanal in die Deutsche Bucht geschleppt. Vor Helgoland soll es notankern, das giftige Löschwasser soll abgepumpt, Container umgeladen werden. Erst danach darf das Schiff nach Wilhelmshaven geschleppt werden. In Deutschlands erstem Tiefwasserhafen, dem Jadeweserport, der erst in drei Wochen eröffnet werden soll, soll die gesamte Ladung an Land gebracht werden.

    Umwelt- und Touristenverbände, aber auch Nordseefischer hatten diese Pläne wegen der Risiken zunächst kritisiert. Der Präsident des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, fordert, dass man Haftungsfragen klären müsse, bevor eine Umweltkatastrophe passiere.

    "Wenn wir einen Öltanker hier kaputtkriegen vor der Küste, dann ist das Wattenmeer nicht auf 50 Jahre tot, sondern auf Generationen. Man kann das Öl von einem Sandstrand abkratzen, aber das aus dem Watt wieder rauszuholen, ist so gut wie unmöglich."

    Auch der WWF äußert sich besorgt über die explosive und giftige Ladung an Bord. Dennoch begrüßt der Umweltverband den Einsatz des Havariekommandos. Es sei im Sinne der Anrainerstaaten, dass die Flaminia baldmöglichst und sicher in einen Hafen gebracht werde. Massive Kritik übt der WWF dabei am Notfallkonzept der Europäischen Union. Über die Weigerung Englands und Frankreichs, das Schiff aufzunehmen, das wochenlang brennend im Atlantik herumtrieb, müsse später auf europäischer Ebene noch gesprochen werden, fordert auch das Havariekommando in Cuxhaven.