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Giftspritzen auf deutschen Äckern

Pflanzen auf dem Acker müssen gedüngt und vor Krankheiten und Schädlingen geschützt werden, was überwiegend mit Hilfe von Fungiziden und Pestiziden geschieht. Gerade aber der Einsatz von Fungiziden, also von Pflanzenschutzmitteln, stellt oft ein Risiko dar für die Umwelt und die menschliche Gesundheit, so die EU-Kommission. Es werde immer noch häufig zu viel gespritzt und so mancher Wirkstoff sei bedenklich oder sogar gefährlich. Deshalb wurden im Sommer dieses Jahres auch mehr als 300 Pestizid-Wirkstoffe vom europäischen Markt genommen, weitere sollen folgen.

Thomas Mösch |
    Wer bei den verbleibenden wissen will, was in den Pflanzenschutzmitteln drin ist, der allerdings stößt oft an Grenzen. Denn das Umweltinformationsgesetz verbietet es Behörden, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse preiszugeben. Und die Rezeptur eines Pflanzenschutzmittels ist ein solches Geheimnis. Ebenfalls geheimnisvoll ist die Frage, wie viel dieser Mittel auf welchen Flächen angewendet werden. Zwar ist die Gesamtmenge, die verkauft wird, erfasst, aber wo die Pestizide in welchem Umfang im Einzelnen landen, ist nicht bekannt. Wie der Umgang mit Pestiziden transparenter werden kann, darum geht es in einer Studie von PAN, dem Pestizid Aktions-Netzwerk, einer Vereinigung, die den Pestizid-Anwendern kritisch auf die Finger schaut. In Europa gibt es bisher nur in wenigen Ländern Systeme, die regelmäßig erfassen, welche Pflanzenschutzmittel die Bauern auf ihre Felder ausbringen. Dazu gehören Tschechien, die Slowakei und Großbritannien. Das Pestizid Aktions-Netzwerk PAN hat die verschiedenen Systeme in einer Studie untersucht. Weitere Meldesysteme gibt es in den USA, wo vor allem Kalifornien langjährige Erfahrungen hat. Alle diese Beispiele will PAN nun in die deutsche Debatte einbringen, um auch hier Regeln für ein solches Erfassungssystem zu erarbeiten. Lars Neumeister, der die Beispiele für PAN untersucht hat, erläutert die Gründe für diesen Aufwand:

    Es geht darum, dass Stoffe eingesetzt werden und die haben ein Umweltverhalten, zum Beispiel, dass sie ins Grundwasser gehen oder abdriften in benachbarte Wohngebiete. Wir haben derzeit keine Möglichkeit zu sagen: Zu diesem Zeitpunkt wird dieses Pestizid angewendet und wir müssten mal gucken, was da in der Luft ist. Oder gezielt zu gucken: Zu der Zeit wird in dem Gebiet so viel von dem einen Stoff eingesetzt, lass uns mal gucken, was davon in den Oberflächengewässern auftaucht.

    Die Vorbilder aus den USA würden beweisen, dass die gesammelten Daten helfen können, bisher ungeahnte Belastungen für Umwelt und Gesundheit zu entdecken.Während des in Hamburg stattfindenden Workshops stimmten Vertreter von Bundesbehörden diesem Ansinnen grundsätzlich zu, so zum Beispiel Hans-Gerd Nolting vom Bundesamt für Verbraucherschutz. Das Amt arbeite bereits daran, der Öffentlichkeit mehr Informationen über die Eigenschaften und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zur Verfügung zu stellen. Detailliertere Daten über die tatsächliche Anwendung könnten helfen, Risiken besser abzuschätzen und Behördenentscheidungen zu überprüfen, betonte Nolting. Gerd Palm von der Obstbauversuchsanstalt im Alten Land vor den Toren Hamburgs verwies auf die bereits bestehenden Erfassungssysteme im integrierten Obstbau. Allein im Alten Land würden über 80 Prozent der Flächen nach dessen strengen Regeln bewirtschaftet:

    Wir haben extra ein Arbeitstagebuch dafür, ein gebundenes Heftchen. Er muss den Zeitpunkt der Anwendung, das angewendete Mittel benennen, die Mengen, die Witterung während der Ausbringung. Und er muss belegen, warum er diese Pflanzenschutzmaßnahme durchgeführt hat, also den Grund der Anwendung.

    Die Daten würden von den Landwirtschaftskammern in Niedersachsen und Hamburg geprüft. Allerdings:

    Aber es gibt im Anbaugebiet, glaube ich, keine Probleme, diese Daten auch öffentlich zu machen. Nicht der einzelne Anwender sollte genannt werden, aber in der Gesamtheit dürfte es da eigentlich keine Probleme geben, wenn es gewünscht wird, dass diese Daten öffentlich gemacht werden.

    Genau um diesen öffentlichen Zugang geht es dem Pestizid Aktions-Netzwerk. Bisher habe die Initiative die Daten der Obstbauern nicht auswerten können. Andere Untersuchungen würden belegen, dass die Bauern immer wieder zu viele und nicht zugelassene Pestizide einsetzen, kritisiert Lars Neumeister und fordert von der Agrarwirtschaft mehr Transparenz. Wenn die Daten elektronisch, zum Beispiel wie in Kalifornien über das Internet, erhoben würden, könnte sich der
    Aufwand für den einzelnen Bauern in Grenzen halten. Bereits von Agrarbetrieben genutzte Software könne entsprechend ergänzt werden, meint Neumeister:

    Man kann natürlich sagen, in Deutschland, die Landwirte, die viele Anwendungen haben, machen eine Zusammenfassung am Ende der Saison, die Gemüse- und Obstbauern, um die zu entlasten. Die Landwirte, die nur wenige Anwendungen im Jahr haben, Feldbau vor allem, Weizen hat 6-7 Anwendungen oder weniger. Das ist ja nicht so ein Berichtsaufwand. Man hat verschiedene Optionen für verschiedene Arten von Landwirten. Da muss man schon sehen, dass der Arbeitsaufwand gering bleibt.

    Die elektronisch erhobenen Daten könnten auch von den Behörden einfach weiter verarbeitet werden und dann der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. In Kalifornien dauert es allerdings immer noch bis zu drei Jahre, bevor die Daten über den Einsatz von Pestiziden öffentlich zugänglich sind.