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Gigant dreht sich im Schlaf

Geophysik. - Es brodelt unter dem Yellowstone-Nationalpark: Geophysiker haben gemessen, dass sich der Boden in dem Supervulkan schneller hebt, als jemals zuvor in den vergangenen 80 Jahren. Weil dieser Vulkan zu den größten der Welt zählt und zu ungeheuren Ausbrüchen fähig ist, beunruhigt jedes Zucken von Yellowstone nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Bevölkerung im Westen der USA. Der amerikanische Geologische Dienst aber gibt Entwarnung.

Von Dagmar Röhrlich |
    Verglichen mit Yellowstone sind alle anderen Vulkane der USA Zwergpinscher: Denn Yellowstone fällt in die Klasse der Supervulkane: Deren Magmenkammern sind so riesig, dass die Erde über ihnen zusammenbricht, wenn sie sich alle paar hunderttausend Jahre einmal in einer gigantischen Eruption entleeren. Zurück bleibt dann ein Hunderte Quadratkilometer großer Einbruchkrater – die Caldera.

    "”Yellowstone ist in den vergangenen zwei Millionen Jahren dreimal mit Supereruptionen ausgebrochen, und jedes Mal hat er halb Nordamerika verwüstet. Dazu kommen noch 30 kleinere Eruptionen, bei denen sich nur Teile der Magmenkammer entleeren und die dann ‚nur’ eine Fläche von hundert Quadratkilometern unter 500 Meter Lava verschwinden lassen.""

    Die jüngste Supereruption begrub vor 640.000 Jahren weite Teile Nordamerikas unter meterdicken Ascheschichten, erklärt Robert Smith, Geophysiker an der Universität Utah. Dieser Ausbruch war der kleinste der drei, aber er war immer noch tausendmal stärker als der des Mount St. Helens 1980, und die Caldera, die er hinterließ, ist flächenmäßig so groß wie das Saarland. Kein Wunder also, dass Geophysiker das Gebiet mit Argusaugen beobachten – und es rumort wieder. Smith:

    "Mit Hilfe der Daten, die uns GPS-Navigationssatelliten und der Radarsatellit Envisat liefern, wissen wir, dass die Caldera von Yellowstone sich seit Ende 2004 um 18 Zentimeter gehoben hat. Und zwar betrifft das den Südwesten der Yellowstone-Caldera."

    Auch wenn die Bewegung in den letzten Wochen ein wenig langsamer geworden ist: Rascher hat sich der Calderaboden noch nie aufgebläht, jedenfalls seit Beginn der Messungen vor 80 Jahren. Das betroffene Gebiet ist etwa so groß ist wie Los Angeles. Dass sich Calderen heben und senken, ist normal. Smith:

    "Überall auf der Welt tendieren die Calderen dazu. Sie scheinen zu leben und regelrecht zu atmen. Wir kennen dieses Verhalten auch von der Long Valley Caldera in Kalifornien oder den Phlegräischen Feldern bei Neapel. Allerdings atmet Yellowstone diesmal sehr heftig ein: Während die Hebungsrate seit 1923 bei zwei Zentimetern pro Jahr lag, sind es derzeit bis zu sieben."

    Der Magma-Aufstieg wird von zahllosen sehr kleinen, nur für Seismometer spürbaren Beben begleitet. Was die Geophysiker dabei fasziniert, ist die Geschwindigkeit, mit der sich das flüssige Gestein in Untergrund verlagert. Smith:

    "”Die Caldera von Yellowstone ist 60 Kilometer lang und 40 Kilometer weit, das ist um ein Vielfache größer als die meisten Calderen der Welt. Wir haben also ein sehr großes System, das sich derzeit sehr schnell hebt und dabei den Boden ausbeult. Das bedeutet, dass das System unter der Erde ungeheuer dynamisch ist und damit auch der Prozess, wie das Magma verjüngt wird.""

    Der Nachschub kommt tief aus der Erde, denn seit Jahrmillionen frisst sich unter Nordamerika ein "Strang" von ultraheißem, aber durch den Umgebungsdruck festem Gestein wie ein Schneidbrenner nach oben. In der Nähe der Oberfläche lässt der Druck nach, das Gestein schmilzt, Magma entsteht, das die Magmenkammer speist. Den Modellrechnungen zufolge steigt derzeit unter Yellowstone frisches Magma rasch in eine alte Magmenkammer auf und breitet sich darin wie ein Pfannkuchen aus. Smith:

    "”Aus seismischen Untersuchungen wissen wir, dass die Magmenkammer unterhalb von Yellowstone kein einfaches Loch in der Erdkruste ist, sondern eine Art Schwamm, in dem ein Teil der Gesteine fest ist und ein Teil flüssig. Dieser Körper liegt in knapp zehn Kilometern Tiefe. In diesen Schwamm dringt das frische Magma ein und hebt dabei den Calderaboden an.""

    Dass ein Ausbruch unmittelbar bevorsteht, daran glauben die Geophysiker nicht. Smith:

    "”Dafür fehlen einfach die Anzeichen: So sind in der Region die stärkeren, für den Menschen spürbare Erdbeben sogar zurückgegangen. Der Riese Yellowstone scheint also nicht zu erwachen, vielmehr dreht er sich wohl eher im Schlaf um.""